Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer

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Das Naturforscherschiff - Sophie  Worishoffer

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in seinen Armen den jüngeren Knaben. »Ach, das ist gut, Hans kommt schon wieder zu sich! – Jetzt rasch, damit wir unseren alten Freund noch rechtzeitig finden.«

      Er hob den taumelnden Knaben an das Ufer, und nun begann auf dem Grunde des Flusses die eifrigste Nachforschung, der sich auch binnen wenigen Augenblicken sämtliche Matrosen anschlössen. Es war allen gelungen, die Oberfläche zu erreichen, nur Doktor Bolten allein mußte, vielleicht vom Schilf zurückgehalten oder von einer Ohnmacht ergriffen, dem Anschein nach als verloren gelten. Selbst sein Körper konnte nicht entdeckt werden.

      Die Neger hockten im Kreise um den gefallenen »Uralten« ihrer Flüsse. Sie sprachen mit ihm, sie betasteten vorsichtig seinen großen Kopf und schlugen mit Binsen auf die dunkel gefärbte, haarlose Haut, ohne sich im mindesten um das Geschick der Fremdlinge zu bekümmern. Als sie sich überzeugt hatten, daß das Leben des Gefürchteten entflohen sei, faßten sie sich wie Kinder an die Hände und begannen einen Freudentanz, wobei sie sich abwechselnd auf den Rücken warfen und in rasender Eile herumwirbelten. Sowohl ihre Jagdbeute als auch die Feuerwaffen der Weißen waren vergessen, – nur daß der Abkömmling Abosams tot vor ihnen dalag, schienen sie zu begreifen.

      Die Stimme des Matrosen rüttelte sie auf. »Wollt ihr gleich Hand ans Werk legen, ihr schwarzen Teufel!« rief er. »Wir vermissen noch einen Mann, helft uns ihn wiederfinden.«

      Die Neger drängten sich schnatternd zusammen, und nach kurzer Beratung trat der, welcher ihr Anführer zu sein schien, vor. »Ob die Weißen den Körper des getöteten Tieres herausgeben und darauf keinen Anspruch machen wollten?« fragte er zögernd.

      »Alle fünfhundert Peitschen, die ihr aus dem Fell schneiden könnt, sollen euch auf dem schwarzen Rücken tanzen, wenn ihr nicht zugreift!«

      Diese kräftige Ermunterung genügte, um alle Unverschämtheit in Respekt zu verwandeln. Die ebenholzfarbigen Männer tauchten unter das Wasser wie Enten, oder schwammen dem Boote nach, holten vom Grunde die Ruder und Gewehre herauf und suchten emsig den Körper des offenbar Ertrunkenen. Ehe mehrere Minuten vergingen, brachten sie den ganz von Schilf und Wasserpflanzen umstrickten Körper an die Oberfläche. Doktor Bolten hatte allem Anschein nach aufgehört zu leben.

      Die Schreckensrufe der Knaben unterbrachen das lastende Stillschweigen; einer nach dem andern versammelten sich alle, Matrosen, Neger und die Reisegefährten selbst, um den unglücklichen, seinen Freunden so teuren Mann, auch Hans schlich herzu, obgleich er sich selbst kaum auf den Füßen halten konnte. Niemand dachte an die Gefahr der Lage, an die durchnäßten Schießwaffen und verlorenen Lebensmittel, sondern aller Augen verfolgten gespannt und ängstlich die Bemühungen Holms, der nun den Ertrunkenen nach ärztlicher Weise zu behandeln begann. Zuerst legte er unter Beistand der Matrosen den Körper auf Bauch und Gesicht, um das eingedrungene Wasser herausfließen zu lassen, und dann brachte er seinen Mund an den des anderen, fortwährend aus allen Kräften in die untätigen mit Blut überfüllten Lungen Luft hineinblasend, während zugleich Franz die inneren Handflächen rieb, und ein paar Neger die entblößten Füße mit Nesseln peitschten. Aber trotz aller dieser vereinten Bemühungen dauerte es lange Zeit, bevor der Verunglückte die ersten Lebenszeichen gab; man verbrachte eine angstvolle halbe Stunde und fing schon an, die Sache als hoffnungslos fallen zu lassen, da endlich kehrten Wärme und Atem zurück, die Lippen bewegten sich, und ein Schauer durchlief den ganzen Körper. Es galt jetzt nur noch, die gesunkenen Kräfte des alten Mannes durch einige stärkende Nahrungsmittel wieder zu beleben und ihn, ehe das Bewußtsein erwachte, wenigstens in trockene Gewänder zu hüllen.

      Da das Negerdorf etwas weiterhin unmittelbar am Flußufer lag, so wurde langsam der Weg dorthin fortgesetzt. Einige Schwarze blieben bei den erlegten Tieren zurück, die anderen ruderten, und nach wenigen Minuten war die kleine Niederlassung erreicht. Mitten im Walde belegen, nur aus einer geringen Anzahl von Hütten bestehend, zeigte sie sich als das Bild trostlosester Armut. Zwischen Pfützen und Lachen, in denen sich Schweine mit verschiedenem Geflügel einträchtig tummelten, sah man die spitzen Rohrdächer der Wohnungen oft an mehreren schwankenden Pfählen befestigt, ohne daß zwischen diesen letzteren irgend eine Wand zu entdecken gewesen wäre. Wie alle Negerhäuser etwas über dem Erdboden belegen, also Pfahlbauten, hatten sie einen dürftigen Bambusfußboden und ein paar Matten zur Lagerstatt, weiter nichts; nur die allerwenigsten zeigten feste Wände.

      Frauen und Kinder liefen den Ankömmlingen entgegen, hundert Stimmen sprachen zugleich; das gutmütige Völkchen brachte den schrecklichen Kaffee der Kolanuß sowie den Branntwein, welcher vielfach in tropischen Ländern aus den Wurzeln einer Pfefferart gewonnen wird, kurz die schiffbrüchigen Fremdlinge wurden außerordentlich gastfrei aufgenommen, und als endlich der langsam Erwachende in Matten gehüllt sicher gebettet lag, als Holm erklärte, daß nun alle Gefahr vorüber sei, da kehrte bei den Knaben das Vergnügen des Abenteuers, das Verlangen, sich die Negerhütten näher zu besehen, mit Macht wieder in die Herzen zurück. Sie mußten ja ohnehin die nassen Kleider am Körper trocken laufen und spürten auch infolge des kalten Bades einen Hunger, der ihnen nur durch die Gastfreundschaft der Schwarzen gestillt werden konnte. »Gib acht,« flüsterte Franz, »man setzt uns Affenbraten vor, – ich habe das bei den Gallinas erlebt.«

      So wohl sollte es indessen den jungen Naturforschern nicht werden. Als die ganze ausgehungerte Schar so plötzlich über das arme kleine Dorf herfiel und vor allen Dingen essen wollte, da erschien auf den großen, grünen Blättern, welche Teller und Tafeltuch zugleich vertreten mußten, ein Gericht, das sämtliche Deutsche dem Aussehen nach für geschnittenen weißen Kohl hielten, und das in einer Art von Pfanne auf offenem Feuer vor den Hütten geschmort worden war. Franz roch daran, »Essig gibt‘s hier nicht, – schade!«

      Der Matrose hob ein paar Fäserchen von seinem Blatt empor. »Das sieht mir aus wie Mückenbeine!« sagte er bedenklich. »Hm, hm, auf dem Halm oder sonst aus irgend einer Wurzel heraus ist die Geschichte nicht gewachsen.«

      Hans schauderte. »Sie meinen doch nicht, daß es Tiere sind. Maat?«

      »Sehen Sie einmal dahin, junger Herr! Rechts auf Ihrem Teller lebt das Gericht noch und will eben jetzt mit geknickten Beinen Reißaus nehmen, – Heuschrecken, sage ich Ihnen, leibhaftige Heuschrecken.«

      Und so war es wirklich. Zu Tausenden auf dem Felde eingefangen, wurden diese Tiere von den Wilden zwischen zwei flachen Steinen zermalmt und mit etwas Fett und Gewürz einige Augenblicke lang der Hitze ausgesetzt. Daß dabei das eine oder andere arme Geschöpf nur halb getötet worden und noch lebend und zappelnd in die Glutpfanne gelangt war, – nun das ließ sich nicht ändern. Es schmeckte auch roh gut, wenigstens verspeisten die reichlich umherspielenden Kinder mit Behagen jedes Insekt, das ihnen über den Weg lief.

      Den Deutschen war der Appetit gründlich vergangen. Etwas anderes als das graugrüne, unangenehme Gemisch vor ihnen gab es in dem Negerdorf nicht, was blieb daher übrig, als zur Unglücksstätte zurückzufahren und ein tüchtiges Stück Fleisch des erlegten Dickhäuters herbeizuholen? Gedacht, getan! Zwei Matrosen mit den Knaben ruderten wieder stromauf, während die beiden anderen bei den durchnäßten Gewehren Wache hielten und dieselben so gut als es ging von dem eingedrungenen Wasser reinigten. Als die Abgesandten mit einem tüchtigen Braten beladen wieder anlangten, wurde ein starkes Feuer entzündet, Pfefferkörner und Salz mit einigen frischen Lorbeerblättern, einer Zwiebel und einer Menge grüner Bohnen, die reichlich rings umher wuchsen, zum Feuer gesetzt und das abgewaschene Fleisch hinzugetan. Ein Matrose spielte den Koch und gab ganz ernsthaft den übrigen seine Befehle. »Sie, junger Herr, pflücken Sie gefälligst ein paar reife Melonen, die ich dort in großer Menge wachsen sehe, und Sie, besorgen Sie für die Gesellschaft einige Teller! Flache Steine wären mir aber bei meiner armen Seele lieber als Blätter, denn ob das Fleisch sehr mürbe werden wird, steht einstweilen noch dahin, – wir müssen es vielleicht nachdrücklich mit dem Messer bearbeiten. So, jetzt wäre die Hauptsache getan. Im Fall es ein Schweinebraten sein sollte, müssen wir uns Zwiebel und Lorbeer, im Fall es ein Pferdebraten ist, die Bohnen hinwegdenken. Ein weiser Haushalter bereitet sich vor auf alle etwa eintretenden Verhältnisse, und wer noch

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