Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert. Marco Lupis
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Kurzum, zu behandelnde Themen gab es vermutlich viele, dachte ich, während ich mich zu Fuà auf den Weg zum Haus von Lucia Pinochet machte.
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Inés Lucia Pinochet Hiriart ist die älteste Tochter. Eine schöne Frau, der man ihr Alter nicht ansieht, ganz zu schweigen von ihrem Familiennamen. Ein banaler Gipsverband war der Grund dafür gewesen, weshalb sie ihren Vater nicht zusammen mit ihren Brüdern nach London begleiten konnte. So musste sie unverhofft in Santiago zurückbleiben und ihr fiel die Aufgabe zu, den Senador zu vertreten und vor allem in diesem nicht ganz einfachen Moment zu verteidigen.
In ihrem schönen Haus in einem der höher gelegenen Viertel der Stadt, wo durch die offenen Fenster die Stimmen der Demonstranten dringen, die Slogans für ihren Vaters skandieren, findet das Gespräch mit ihr in Begleitung ihrer drei Söhne, Hernan, Francisco und Rodrigo statt. Wir reden fast eine Stunde über die âbrisantenâ Themen, die die Geschicke ihres Vaters und unausweichlich auch die Zukunft von ganz Chile betreffen.
Wie denken Sie über die âhumanitäreâ Entscheidung zugunsten Ihres Vaters?
Es wäre mir lieber gewesen, wenn man meinem Vater die uneingeschränkte Immunität gewährt hätte, die ihm als ehemaliger Staatschef eines souveränen Staates zusteht. Aus einem Strafverfahren ist eine politische Diskussion über angebliche Fälle von Folter, diverse Verbrechen und Völkermord geworden. Man hat dem Druck der Sozialisten nachgegeben und Personen geglaubt, die vorgeben, die Menschenrechte verteidigen zu wollen.
Haben Sie mit Ihrem Vater gesprochen? Wie hat er reagiert?
Mein Vater ist über diese Lösung nicht glücklich. Man hatte ihm die Möglichkeit einer âhumanitärenâ Entscheidung in Aussicht gestellt. Und er ist mit Sicherheit nicht glücklich darüber, dass alles in den Händen von Minister Jack Straw liegt...
Derselbe, der Chile 1966 besucht hatte und von dem man hier munkelt, er sei bei Salvador Allende zum Tee gewesen?
Genau der und das war uns lange vorher bekannt. Es sollte reichen, sich vor Augen zu halten, dass Straw nach der Verhaftung meines Vaters in London erklärte, für ihn sei ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen.
Man hat sich also jetzt von der juristischen Ebene auf die Humanitäre begeben...
Es war immer schon ein Politikum! Es wäre Augenwischerei gewesen, von einem Gerichtsverfahren zu sprechen, denn London ist nicht der Ort, um über Folter zu diskutieren, sondern allenfalls über die Immunität eines Präsidenten und über territoriale Souveränität.
Viele Kommentatoren haben sich dahingehend geäuÃert, dass es sich um ein historisches Urteil handelt, das einen juristischen Präzedenzfall von bedeutender Tragweite bildet. Sehen Sie das auch so?
Sicher, es ist ja schlieÃlich das erste Mal, dass eine solche Situ-ation zur Debatte steht. Sie dürfen nicht vergessen, dass es bereits seit Jahren Internationale Abkommen gibt, aber es gab nie weder ein gerichtliches Verfahren noch einen eigenständigen Gerichtshof, um über MenschenrechtsverstöÃe zu richten und diese gegebenenfalls zu bestrafen. Daher muss mein Vater für dieses Experiment den Kopf hinhalten!
Wie steht es um den Gesundheitszustand des Generals?
Man darf nicht vergessen, dass er dreiundachtzig ist und sich soeben einer schwierigen Operation unterzogen hat. Er erholt sich langsam aber der Diabetes lässt ihn nicht zur Ruhe kommen und er muss täglich Behandlungen und ärztliche Kontrollen über sich ergehen lassen.
Fürchten Sie im Fall einer Auslieferung um seine Gesundheit?
Ja, denn das könnte seinen Zustand gravierend verschlechtern. Ich sorge mich vor allem um die Gesundheit meiner Mutter. Sie war nicht in der Lage, die dramatischen Phasen dieser Geschichte mitzuverfolgen. Als sie den Spruch der Lordrichter im Fernsehen. verfolgte, erlitt sie einen Schwächeanfall und die Ãrzte mussten Sie mit verschiedenen Injektionen behandeln, um die Blutdruckschwankungen in den Griff zu bekommen...
Hat die britische Justiz Sie enttäuscht?
Nein, denn ich glaube, dass es sich hier nicht um eine Affäre handelt, die per se mit den Engländern in Verbindung steht. Verantwortlich sind vielmehr die aktuellen Machthaber in GroÃbritannien und die sind, wie man ja weiÃ, linksgerichtet...
Glauben Sie, dass es auch in England Menschen gibt, die für Ihre Sache eintreten?
Viele Engländer sind auf unserer Seite. Das wurde mir bewusst, als ich kürzlich dort war. Viele Menschen sind mit Solidaritätsbekundungen auf mich zugekommen. Und ihr Widerstand in dieser Angelegenheit, mal abgesehen von der Sache, die meinen Vater betrifft, kostet auch den englischen Staatsbürger sehr viel Geld aus der Staatskasse.
Hat Ihrer Ansicht nach der ehemalige Präsident Frei energisch genug reagiert?
Ich hätte mir ein energischeres Vorgehen gewünscht. Er hat jedenfalls einiges getan, das muss ich anerkennen und das schätze ich an ihm. Natürlich hätte ich mir einen Vorstoà seinerseits gewünscht,