Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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und Beine. Man ist ja bei den Lebensentscheidungen eigentlich immer abwesend.

      Maria: Weißt du denn überhaupt, was ich will??

      Thomas sieht ihr in die Augen: Ich will nicht wieder Druck auf dich ausüben.

      Maria: Ich will mit Anselm noch einmal sprechen. Vielleicht … bringe ich ihn zurück …?

      Thomas: Ich sehe deine Gefahr; aber wenn du sie willst, muß ich sie auf mich nehmen.

      Maria ihn wieder versuchend: Und wenn ich nicht zurückkäme? Was würdest du tun?

      Thomas: Ich weiß es nicht.

      Maria: Du weißt es noch immer nicht?

      Thomas: Man soll nicht immer sagen: Das oder das nicht muß geschehn. Warten. Ich weiß nicht, was mir einfallen wird. Ich weiß es ja nicht!

      Maria springt auf: Das halte ich nicht aus!

      Thomas sanft: Wenn ich dich so ansehe, ist mir, als ob ich schon einem andren von dir erzählen würde. Sie war so schön und gut und etwas Wunderbares begab sich. Aber weiter weiß ich es eben noch nicht.

      Maria zögernd: Du bist so eigensinnig.

      Thomas: Eine Drehorgel könnte unten spielen. Es könnte Sonntag sein. Voll der Schwermut einer grau versunkenen Woche. Ich könnte mich jetzt schon bis zu Tränen nach dir sehnen. Aber die Vorstellung, mich mit dir in eine so starre Beziehung wie Liebe oder sonst eine völlige Gemeinschaft einzusperren, erscheint mir kindisch … Ich könnte jedoch … vielleicht einem, der das tun kann … für dich dankbar sein.

      Maria: Weißt du, wie du doch bist? Trotz allem, was du dagegen tust? Das große Gutseinwollen, das man manchmal als Kind vor dem Einschlafen mit Herzklopfen gefühlt hat.

      Thomas abwehrend: Vergiß nicht: Zarte Bläschen jetzt werden vielleicht in wenigen Tagen vertrocknete Haut sein.

      Maria: Nein. Man darf sich nicht das ganze frühere Leben einfach so aus der Hand schlagen lassen! Ich möchte es wenigstens in einen klaren Gedanken pressen!

      Thomas: Geh; es ist Zeit, wenn du den Zug noch erreichen willst.

      Maria: Ich kann dich nicht so lassen. Ich soll von diesem Tisch fortgehn und dich allein lassen? Ich möchte dir noch den Tee einschenken … Die Wäsche auszählen … ich weiß nicht was, nichts, nichts ist da. Sie entdeckt den Teekessel, den sie schon früher vorbereitet hat, zündet die Flamme an und wirft Tee ins Wasser. Verzeihst du mir?

      Thomas: Laß uns aufrichtig scheiden: ich habe gar nicht darüber nachgedacht. Mir ist schon, als ob alles versunken wäre und unterirdisch weiterliefe, um irgendwann und irgendwo einmal emporzubrechen. Es ist Marsch in mir, keine Gegenwart … Geh Maria, du mußt.

      Maria steht in schweigendem Kampf da.

      Thomas: Ich bin ja auch traurig.

      Maria: Du bist nicht traurig; du schickst mich weg. Mir fällt es so schwer, von dir fortzugehn; ich weiß nicht warum. Wir Frauen lieben tiefer!

      Thomas: Weil ihr Männer liebt. Über euch bricht mit dem Mann die Welt herein.

      Maria: Du sehnst dich schon nach etwas.

      Thomas: Vielleicht nach Nachdenken.

      Maria: Das Weinen steht in mir von den Füßen bis zu den Augen wie eine Säule.

      Thomas will auf sie zugehn. Sie läßt den Tee stehn und läuft zur Tür hinaus. Thomas bleibt einen Augenblick lang betroffen stehn. Dann geht er zur Teemaschine und hantiert dort fertig. Ein Türspalt hat sich geöffnet. Stader schiebt sich herein. Thomas beim Tee, bemerkt ihn nicht gleich.

      Stader räuspert sich wiederholt: Ich will nicht stören … Sie verzeihen …

      Thomas aus Versunkenheit auffahrend: Was gibt’s?

      Stader: Ich darf mir in meiner augenblicklichen Mission eigentlich nicht erlauben … Aber wenn man es genau betrachtet …

      Thomas: Wie –?

      Stader: Ich fühle mehr mit Ihnen! Bei aller Hochachtung für Seine Exzellenz. Ich verehre Sie seit Jahren. Ich darf mir die Freiheit erlauben, zu raten: Lassen Sie sich nicht auf diese verlorene Sache ein. Darf ich unter Männern sprechen? Sie ziehen sich zwecklos Enttäuschungen zu.

      Thomas: Ach, ja so … Ich weiß zwar nicht, wie ich dazukomme: wenn Sie mich aber, wie Sie sagen, verehren, möchte ich, daß Sie schweigen. Verstehen Sie, wie ein Grab?

      Stader: Ich möchte Ihnen ja einen Vorschlag machen; Sie können sich auf mich verlassen, Herr Professor.

      Thomas: Sie waren Zufall? …!!

      Stader: Ja.

      Thomas: Sie waren überhaupt nicht!

      Stader: Gewiß nicht.

      Thomas: Bitte nehmen Sie Platz.

      Stader: Danke. Seine Exzellenz hat sich inzwischen in seine Lektüre vertieft. Er setzt sich vorsichtig; schweigt, nach Worten suchend; und platzt los. Ich verfolge Sie nämlich schon seit Jahren, Herr Professor.

      Thomas: Warum? Was soll ich angestellt haben?

      Stader entzückt: Oh, selbst Sie haben kein ganz freies Gewissen. Ich sah es an Ihrem Augendeckel. An einem mikroskopischen Zucken. An unterbewußten Schuldeinbildungen leidet heute jeder. – Aber nicht so, nicht so: Ihr Schaffen verfolge ich, Ihr wunderbares Werk!

      Thomas: Verstehen Sie denn etwas davon?

      Stader: Ja eigentlich nicht. Das heißt natürlich, soweit nicht mein Beruf … mein Beruf setzt mich in Verbindung mit allen Wissenschaften … aber, also …: schon vor Jahren nämlich hat mir Regine von Ihnen erzählt.

      Thomas: Sagen Sie doch nicht Regine. Sagen Sie: Ihre Exzellenz oder sagen Sie: die gnädige Frau Kusine. Na, wollen Sie eine Zigarre?

      Stader wehrt ab: Ich stehe noch in einer sozusagen dienstlichen Handlung gegen die gnädige Frau Kusine, danke, es geht nicht.

      Thomas: Eine Zigarette?

      Stader unfähig, gegen Thomas länger den Beleidigten zu spielen: Danke, vielleicht. Er nimmt sie. Aber es wäre mir ungeheuer peinlich, wenn mich Seine Exzellenz so träfe. Er verbirgt die Zigarette nach jedem Zug in der hohlen Hand.

      Thomas: Also was hat man Ihnen erzählt?

      Stader: Oh viel; und ich gab keine Ruhe. Einige Aussprüche habe ich ja wörtlich aufgeschrieben! Zieht ein Notizbuch hervor. Ich verstehe sie freilich heute ganz anders als damals. Ich muß sogar zugeben, daß ich sie damals gar nicht verstand. Aber ich ahnte doch damals schon die ungeheuren Möglichkeiten dieser Art von Mensch, die ich jetzt klar vor mir sehe. Er hat geblättert und zitiert nun. »Wir stehen an der Schwelle einer neuen Zeit, die von der Wissenschaft geführt oder zerstört, jedenfalls beherrscht werden wird. Die alten Tragödien sterben

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