Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Ich habe mich nur in diese Rolle zu finden gesucht, solange mein Vater lebte. Du führst deine Bücher musterhaft und wirst deshalb auch ohne diesen meinen Protest wissen, daß ich seit seinem Tode mich auch nicht für eine Stunde länger als Mitbesitzer betrachtet habe.« Bei diesen Worten klärte sich sein verfinstertes Gesicht auf. Diese zurückkehrende unanfechtbare Ruhe war der nebenher gehenden Frau sicher noch verhaßter, als sein Widerspruch. Sie zog ihren Arm aus dem seinen und sagte in erbittertem Tone: »Es ist ja recht liebevoll von dir, mir so unverschleiert ins Gesicht hinein zu sagen, daß ich dir entbehrlich bin –«

      »Dein Geld, Klementine –«

      »Wie richtig ist der Instinkt gewesen, mit dem ich gleich zu Beginn unserer Ehe in deiner Kunstausübung meine Todfeindin gesehen habe!« fuhr sie unbeirrt in wachsender Leidenschaftlichkeit fort. »Du pochst auf das, was sie dir einbringt!«

      Er wandte langsam den Kopf und sah die Frau an, die jetzt, ohne seine Stütze, mit nachlässig krummem Rücken, den gesteiften, schleppenden Morgenrock mit beiden Händen mühsam über dem morgenfeuchten Kies haltend, in nervöser Hast neben ihm herschritt. »Meine heilige Kunst!« sagte er, und ein schönes, sanftes Lächeln glitt flüchtig um seinen Mund. »Wenn ich in ihre Sonnenaugen sehe, wie bergestief liegen da materielle Interessen unter mir! ... Aber du hast recht. Zu ihren Segnungen gehört allerdings auch die, daß sich ein Frauenfuß nicht so tyrannisch auf meinen Nacken setzen darf, wie er gern möchte. – Übrigens lasse dir sagen, Klementine – auch wenn ich Stift und Pinsel nicht zu führen verstünde, du gelangtest doch nie und nimmer zu dieser Herrschaft, denn ich bin auch ein fleißiger Jurist gewesen – Mittel genug für den Mann, um aus eigener Kraft zu existieren.«

      Sie blieb bei seinen letzten Worten stehen und reckte den zusammengesunkenen Oberkörper steif empor. »Nun, da wären mir ja fertig!« warf sie in seltsam trockenem Tone hin. »Du wiederholst es mit gründlicher Beweisführung, daß ich in deinem Leben ein Nichts bin – und ich bin auch albern genug, dir so lange pflichtschuldigst zuzuhören. Aber ich wäre eine Törin, wenn ich dich nicht auch einmal fühlen ließe, wo ich dir fehlen werde – ich verreise. Du hast meine Fürsorge, mein Walten in bezug auf deine häusliche Ordnung und Bequemlichkeit bisher ohne Dank hingenommen, als verstünde sich das ganz von selbst, und auch die Art und Weise, wie ich unser Haus repräsentiere, hat dir nie auch nur das leiseste Beifallszeichen entlockt, während die gute Gesellschaft das ganz anders zu würdigen weiß ... Gut denn! lerne einmal erkennen, was es heißt, wenn die Frau im Hause fehlt; steh, wie du allem fertig wirst mit den fremden Hungerleidern, die den Schillingshof überschwemmen werden, und mit unserer einfältigen Wirtschaftsmamsell, deren Verstand nicht weiter reicht als ihr kleiner Finger ... Ich trete morgen meine längst beabsichtigte Wallfahrt nach Rom an.«

      Ihr glühte das Rot der tiefsten Erbitterung auf den Wangen, und er lächelte kalt. »Tue das nicht, Klementine!« warnte er. »Du weißt am besten, daß diese Wallfahrtsaufregungen wahres Gift für dich sind – du bringst stets schlimme Nervenanfälle mit heim.«

      »Oh – das ist wieder einmal eine deiner Lästerungen! Was man zur Ehre Gottes tut, das kann niemals schaden ... Und nun genug und übergenug! Ich reise morgen!«

      »So geh du in Gottes Namen – ich mache keinen Versuch mehr, dich zurückzuhalten!« – Er schritt gleichmütig weiter – seine kräftigen, weißen Finger gruben sich in alter Gewohnheit in den krausen, dunklen Kinnbart, und der aufleuchtende Blick suchte das Atelier, das eben hell und fensterblitzend, heimisch und genußverheißend zwischen dunklem Taxusgebüsch hervortrat – und sie wandte sich um; einen Augenblick schwankte sie, und verstohlen das Gesicht zurückwendend, schien sie zu hoffen, daß auch sein Auge in Reue sie suche; aber er ging elastischen Schrittes weiter und weiter, als habe er bereits vergessen, was hinter ihm liege; und nun schritt sie hastig nach dem Säulenhause zurück... In ihrem Ankleidezimmer schellte sie der Kammerjungfer und befahl das sofortige Herbeischaffen der Reisekoffer, dann trat sie wieder hinaus auf die Terrasse.

      Bei ihrer Rückkehr in das Haus und der Kammerjungfer gegenüber war sie vollkommen die Frau mit der mattgebeugten Haltung, der apathischen Miene und dem langsam schleppenden Gang gewesen; angesichts der Freundin aber brach der Seelensturm wieder durch. »Packe deine Altardecke zusammen, Adelheid!« rief sie mit fliegendem Atem. »Dein heißester Wunsch wird erfüllt – wir gehen morgen nach Rom!«

      Die Stiftsdame ließ augenblicklich ihre Arbeit in den Korb sinken, klappte den Deckel zu und erhob sich. Sie stand in ihrer ganzen imposanten Höhe vor der aufgeregten Frau – ein düsteres Feuer glomm in ihren Augen. »Hüte dich, Klementine!« warnte sie mit aufgehobenem Finger. »Du spielst um deine Seele! Deine unselige Liebesleidenschaft treibt dich von einer Sünde zur anderen. Du gehst nicht nach Rom in Glaubensinbrunst – weit entfernt – Trotz und Zorn treiben dich fort, und der geheime Wunsch, durch deine Abwesenheit Sehnsucht in dem Herzen deines kalten, gleichgültigen Mannes zu wecken –«

      Die Baronin fuhr empor, als wolle sie sich auf die scharfsichtige, unerbittliche Mahnerin stürzen und ihr mit der Hand den Mund verschließen, aber die stand da wie in den Boden gewurzelt; sie hob nur die schöne Rechte in stummer Abwehr, die schwarzen, kräftig gezeichneten Brauen hoben sich und gaben den großangelegten Zügen den Ausdruck eiserner Strenge. »Mich täuschest du nicht,« fuhr sie fort, »so wenig wie unseren gemeinschaftlichen Seelsorger, den ehrwürdigen Pater Franziskus – wir sehen voll Schmerz, wie du dich in dem Bemühen verzehrst, Macht über den Mann zu gewinnen, der seine armselige Kunst zum Götzen macht ... Und wenn dir dein Mühen glückte? – Geh – was für ein erbärmlicher Sieg! ... Kämpfe lieber gegen dich selber! Du Hast allen Halt verloren, bist eine launenhafte Frau geworden, die in einem Atem Entschlüsse faßt und verwirft; jetzt aber sage ich dir – autorisiert durch Pater Franziskus und die frommen Schwestern, die deine Kindheit behütet haben – »bis hierher und nicht weiter!« Hast du die Pilgerfahrt nach Rom infolge grenzenloser Selbstsucht beschlossen, so kannst du diese Sünde nur büßen, indem du das unlautere Feuer in deiner Brust bekämpfst und die Reise wahrhaft reuig antrittst. Ein »Zurück«, wie du es dir seit Jahren erlaubst, gibt es hier nicht mehr! Nicht Laune, nicht Trennungsschmerz, nicht einmal Krankheit werden dich zurückhalten – nötigenfalls lässest du morgen dich in den Reisewagen tragen. Abreisen werden wir um jeden Preis!«

      Wie verscheucht war die Baronin bis zur Glastür zurückgewichen. – Diese Frau trug eine Kette am Fuß, deren äußersten Ring das Klosterinstitut in seinem Grund und Boden festgenietet hatte. Sie brach meist zusammen unter einer direkten Mahnung von dorther, aber in diesem Augenblick behielt doch die fieberhafte Aufregung, mit der sie aus der Platanenallee zurückgekehrt war, hörbar die Oberhand, als sie auf der Schwelle sich umwendend, trotzig rief: »Wer sagt denn, daß ich meinen Entschluß ändern will? – Ich gehe, und sollte ich mich todkrank von Ort zu Ort schleppen!«

      Damit ging sie, um das ganze Haus, behufs ihrer Reisevorkehrungen, zu alarmieren.

      13.

       Inhaltsverzeichnis

      Seit diesem stürmischen Morgen waren nur wenige Tage verstrichen. Im oberen Stockwerk des Säulenhauses umschlossen die herrlichen steingemeißelten Halbrundbogen der Fenster das leblose, eintönige Grau der herabgelassenen Vorhänge und deuteten das tiefe Schweigen an, das in den Räumen herrschte; denn sie lagen hinter Schloß und Riegel, kein Menschenfuß betrat sie; nicht einmal lüften solle man droben, hatte die Frau Baronin bei ihrer Abreise der Dienerschaft streng anbefohlen.

      Baron Schilling stand nachmittags in seinem Atelier. Draußen hatte ein rasch vorüberziehendes Gewitter Millionen funkelnder Regentropfen versprüht; ein frischer Windhauch lief hinter den Wolkenresten her; er schaukelte und schüttelte das tropfende Gezweig und löste den Bann der Schwüle und Gewitterfurcht von den Vogelkehlen; und der Himmel blaute wieder, als sei die tränenschauernde

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