Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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aber fest. »Eine solche Pflichtwidrigkeit lasse ich mir ganz gewiß nicht zuschulden kommen.« – Sie blieb noch einen Augenblick in Erwartung eines Befehles oder einer Bemerkung auf der Schwelle stehen, dann verschwand sie geräuschlos wie ein Schatten im anstoßenden Salon.

      »Das ist auch so eine Plage, die mir Arnold mit diesem »Hannchen« auferlegt hat, und unter der ich machtlos seufze,« sagte die Baronin unmutig, während ihr die Stiftsdame wie einem hilflosen Kinde die Teetasse füllte und zurechtmachte. »Kann ich dafür, daß mich ein Schauder schüttelt, wenn sie in meine Nähe kommt? Ich spüre den Hauch einer begangenen Todsünde um ihre ganze Person – sie ist und bleibt Adams Kind! ... Dazu dieser unangenehme Gesichtsausdruck! – Das Gesicht ist wie von Stein, als läge eine tote Seele dahinter, und doch steckt das Mädchen voll unheimlicher Leidenschaft – damals nach der greulichen Katastrophe mit ihrem Vater hat sie sich lange wie toll gebärdet.« – Sie zuckte die Schultern. – »Man hat meiner Selbstüberwindung stets sehr viel zugemutet – in diesem Schillingshofe kommt man überhaupt nie zur ersehnten inneren Ruhe.«

      Ein kaltes Lächeln stahl sich um den feinen, schmallippigen Mund der Stiftsdame. »Soll das eine Anklage sein, Klementine?« fragte sie, und ihre dunklen Augen sahen ernst, ja strafend auf die gegenübersitzende Frau herab. »Wer sein Schicksal so eigenmächtig in eine heißgewünschte Bahn gelenkt hat, wie du, der muß es dann auch nehmen, wie es kommt. Wärst du deinem frommen Entschluß nicht treulos geworden, dann lebtest du jetzt unter Gottes unmittelbarer Hut, im seligen Frieden ... Übrigens,« lenkte sie ein, denn das blutlose Frauengesicht war noch fahler, aber auch herber geworden – Eigensinn und Arger überwogen offenbar weit das Schuldbewußtsein, an das leise gerührt wurde – »übrigens tut Johanne musterhaft ihre Pflichten und ist eine nicht zu entbehrende Stütze der Hausmamsell. Sie soll in der fixen Idee, daß die Unschuld ihres Vaters doch noch an den Tag kommen müsse, förmlich aufgehen –«

      »Ja, das versichert die gute Birkner, die das Mädchen gründlich verzieht, stets mit unleidlichem Pathos,« fiel die Baronin ein, während sie sich apathisch langsam aufrichtete. »Lächerlich! Das alberne Ding, die Johanne, tut allen Ernstes, als sei ein edles, altes Wappenschild befleckt worden.« Sie schob die Haarmassen, an denen die Blätter der Waldrebe gezaust hatten, aus den Schläfen, wies eine der warmen Schüsseln, die ihr die Stiftsdame hinreichte, voll Widerwillen zurück und bröckelte etwas mürbes Gebäck in ihren Tee. »Bah, alte, verjährte Geschichten! Wer mag sich noch dafür interessieren! ... Mein Schwiegervater hat durch Adams Klatscherei das Nachsehen gehabt, und das war ganz gut für mich – mit dem alten Manne wäre kein Auskommen gewesen, wenn er durch die Kohlen ein Millionär geworden wäre wie der da drüben.«

      Sie deutete nach der Richtung, wo vorhin der graue, maliziös ausdrucksvolle Kopf des Rates über der Mauer erschienen war. Ihre matten Augen flimmerten einen kurzen Moment in stechendem Glanze – aus der indolenten Nachbarin war urplötzlich eine unversöhnliche Feindin geworden. »Eine grundgemeine Nachbarschaft, dieses Kloster« gut!« murmelte sie. »Und aus dieser grobkörnigen Familie hat sich Arnold seinen Spielkameraden geholt, »seinen einzigen Freund«, wie er stets zu sagen beliebt –«

      »Ja, Felix Lucian, der eine Tänzerin entführt hat.« warf die Stiftsdame mit zugespitztem Tone hin. »Das Weltleben hat seltsame Elemente an dich herangespült, Klementine –«

      Das Gesicht der Baronin verdüsterte sich. »Sie haben mich nie berühren dürfen, diese Elemente – ich wehre mich stets gegen solche Gemeinschaft,« fiel sie mit erregter Stimme ein. »Aber sieh sie dir an, die viereckigen Köpfe der Schillings, drüben im Mittelsaal; auf allen liegt dasselbe Gepräge derber Neigungen – Arnold nennt es Kraft und Kühnheit – dagegen hilft kein Ankämpfen. Reserve, ein konsequentes Sichfernhalten, das sind die einzigen schwachen Waffen, die den Schillingschen Ehefrauen verbleiben ... Bis jetzt habe ich dir noch gar nicht gesagt, daß mein Mann Mitverschworener eines Familiengeheimnisses ist, infolgedessen ich vielleicht schon in der Kürze Menschen um mich dulden muß, die voraussichtlich wüsten Lärm in mein stilles Leben bringen – der Schillingshof wird Gäste beherbergen, die –«

      Die Stiftsdame horchte gespannt auf, aber ein Geräusch von der Glastüre her machte die Baronin verstummen; sie sah seitwärts und streckte sofort in lebhafter, ungnädiger Abwehr die Hand aus. Ein Bedienter war aus dem Salon getreten, er trug Minka auf dem Arm. »Ich wollte der gnädigen Frau nur melden, daß das arme Tierchen wieder wohlauf ist,« stotterte er ganz verblüfft über die hinausweisende Gebärde.

      »Es ist gut,« sagte die Baronin stirnrunzelnd. »Die Strafe kann dem Tier nicht schaden. Minka hat für den ganzen Tag strengen Arrest – sie soll mir heute nicht mehr unter die Augen kommen.«

      Der Diener reichte ihr eine Postmappe hin, die er mitgebracht hatte, und entfernte sich schweigend. Drin im Salon lachte er sich ins Fäustchen – sonst, bei dergleichen Vorkommnissen, wurde die im ganzen Hause grimmig gehaßte »schwarze Kanaille«, die er eben vor den Ohren der Gnädigen in mitfühlendem Tone »das arme Tierchen« genannt hatte, sorgfältig untersucht und gepflegt – und nun diese plötzliche Ungnade! Was der Unwille des Hausherrn, die Klagen der Dienerschaft nicht bewirkt, das hatte eine grobe Beleidigung von außen her fertig gebracht – die ging denn doch »über den Spaß« ...

      Die Postmappe, die der Bediente gebracht hatte, war eine praktische Einrichtung der Frau Baronin, »damit keine Zuschrift durch die Fahrlässigkeit der Dienstboten abhanden komme« – so gingen alle im Schillingshofe einlaufenden Briefe durch die Hand der Herrin ... Sie schloß die Mappe auf und sortierte alles Eingegangene. Das geschah mit gewohnter Pünktlichkeit, mit den graziös lässigen, diese Frau charakterisierenden Bewegungen, bis plötzlich, bei einem jäh aufsteigenden Wangenrot, die langen, dünnen Finger widerwillig zuckten, als sei aus einem der Kuverts eine flinke Spinne über sie hingehuscht. Dieses Kuvert war schwarz gerändert und zeigte ein schön ausgeprägtes Wappen auf dem Siegel.

      »Also doch!« murmelte sie tonlos. »Und ich hoffte mit jedem Tag mehr, daß die Geschichte wieder einschlafen würde.« – Sie war jedenfalls sehr unangenehm berührt, aber sie verbarg das unter einem erzwungenen Lächeln. »Lupus in fabula!« sagte sie, der Stiftsdame den Brief hinhaltend – er war an Baron Schilling adressiert. »Ich sprach dir von Gästen; das dünne Briefblättchen da drin ist jedenfalls der Kurier, der ihr unvermeidliches Erscheinen sicher für die allernächsten Tage feststellt ... Wirst du es ertragen, mit einer ehemaligen Tänzerin unter einem Dache zu leben?«

      Das brünette, kluge Gesicht der Stiftsdame erstarrte förmlich in eisiger Zurückhaltung. »Zunächst muß ich fragen, wirst du das können, Klementine? Wie magst du so unsäglich schwach sein, dir dergleichen aufbürden zu lassen?«

      Die Baronin schlug die Augen nieder und strich wiederholt einige Kuchenkrümchen von der Tischecke – sie war verlegen. »In diesem Falle hat mein Mann mich gebeten – er bittet sonst nie –«

      »Ach so – das ist freilich überwältigend!« – Der strengste Beichtvater, der eine büßende Menschenseele in der Hand hat, konnte nicht unerbittlicher aussehen, als diese ironisierende Dame – aber der Eindruck war nicht der gewünschte. Die »distinguierte Frau« da vor ihr wandelte sich, wie so oft, zum eigensinnig widersprechenden Kind und sagte tiefgereizt und ärgerlich: »Ach geh doch, Adelheid – schulmeistere nicht immer! – Ich weiß recht gut, wie ich mich zu verhalten habe und reserviere mich streng auch dieser dummen Geschichte gegenüber. Mein Gott, was geht's mich an, daß dieser Felix Lucian gestorben ist? Was habe ich damit zu schaffen, daß er durch den Krieg Hab und Gut verloren hat? Ich sehe darin nur die rächende Hand Gottes an dem sündigen Sohne, der sich in abscheulicher Verblendung gegen die eigene Mutter aufgelehnt hat –«

      »Das ist die alte Frau drüben auf dem Klostergute, die wir am Fenster sahen?«

      »Ja – sie will bis auf den heutigen Tag nichts von dem Sohne hören – mit allem Recht! Sie weiß nicht um seinen Tod, nicht daß er zwei Kinder hinterlassen

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