Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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wir ja schon erlebt, als er uns vor acht Jahren mit seiner Entführten ohne Umstände in das Haus fiel ... Ich protestiere ganz entschieden gegen einen solchen Zuwachs, Arnold – genug, daß ich mich herbeilassen will, die Witwe mit ihren lärmenden Kindern in unserem stillen Haus zu dulden.«

      Baron Schilling hatte sich in einem Korbstuhl niedergelassen. Er sah dieser Opposition gegenüber sehr unbewegt aus. Zu Anfang seines Ehelebens hatte noch der Ausdruck fürsorglicher Güte und des Strebens nach Verständigung dieses Männergesicht beseelt – jetzt zeigte es in jeder Linie eine unanfechtbare Gleichgültigkeit. Er schob den Brief in das Kuvert und sagte gelassen: »In diese Änderung werden wir uns finden müssen.«

      »Mit nichten. Es ist beispiellos aufdringlich von der Frau, daß sie ihre Schwägerin durchaus begleiten will –«

      »Ich sagte dir, daß sie das muß,« versetzte Baron Schilling stirnrunzelnd.

      »Gleichviel – für uns ist es durchaus kein »Muß«, sie zu beherbergen. Der Schillingshof ist nicht groß genug für eine solche Menschenkarawane.« – Sie richtete sich in steigender Erregung empor und streute mit hastigen Händen die Reste der zerzupften Blätter in die Lüfte.

      »Wir haben so viel Raum, daß du mit den Fremden gar nicht in Berührung zu kommen brauchst, so wenig wie ich,« entgegnete er. »Klementine, sei gut und verständig. Bedenke, daß wir mit berufen sind, verwaisten Kindern zu ihrem guten Rechte zu verhelfen –«

      »Ja, mit diesem rührenden Hinweis hast du mir auch meine Einwilligung abgelockt. Aber ich bin mir inzwischen bewußt geworden, daß ich unrecht tue, wenn ich mich an dem Plan beteilige – frage Adelheid, als was sie ihn bezeichnet –«

      »Als eine unerlaubte Intrigue!« rief die Stiftsdame mit ihrer sonoren Stimme herüber.

      Baron Schilling sah über die Schulter nach ihr zurück. »Ah, daher die plötzliche Umkehr!« sagte er halb zornig, halb sarkastisch. »Ich hatte nicht an deinen geheimen geistlichen Rat gedacht, Klementine.«

      Die großen, schwarzen Augen der Stiftsdame funkelten durch das Laub des Orangenbaumes, der zwischen ihr und dem Hausherrn stand, aber sie entgegnete mit würdevoller Gelassenheit: »Klementine wird mir bezeugen, daß ich mich jeglichen Rates enthalten habe –«

      »Schön!« – unterbrach er sie kalt – »ich würde mir Ihre Einmischung auch ganz entschieden verbitten, Fräulein von Riedt!«

      Diese strenge, scharfe Zurechtweisung bewirkte bei der Stiftsdame nur ein ausdrucksvolles Achselzucken; die Baronin aber fuhr tiefgereizt auf. Sie hatte Momente, wo in ihren mattgrauen, glanzlosen Augen ein unheimliches Licht aufflackerte, das kaum noch auf das Gebiet ihrer vielgenannten Nervosität zurückzuführen war. Mit einem solchen Blick und den ausgeprägtesten Eigensinn auf der Stirn, sagte sie grollend: »Ich bitte mir's aus, daß du nicht fremden Schultern aufbürdest, was ich nach eigener Einsicht beschlossen habe. Ich nehme mein gegebenes Wort zurück – ich will nicht mehr, durchaus nicht! – Und nun bitte ich dich, schweige, Arnold, – treibe mich nicht zum Äußersten!«

      »Inwiefern?« fragte er mit unzerstörbarer Ruhe und fixierte unverwandt die vor Aufregung bebende Frau – er mochte allzu genau die aufeinanderfolgenden Stadien ihrer Leidenschaftlichkeit kennen. Ihre Augen wichen seitwärts unter dem starrfragenden Blick, und ein schattenhaftes Lächeln entblößte flüchtig ihre großen weißen Zähne; allein an ein kluges Einlenken war hier nicht zu denken – sie sagte mit trotziger, wenn auch etwas unsicherer Stimme: »Du darfst nicht vergessen, daß ich verbriefte Rechte an den Schillingshof habe!«

      Baron Schilling erblaßte leicht, aber er blieb ganz ruhig. »Ich vergesse das so wenig, wie mein gutes Recht, kraft dessen ich Herr im Hause bin. Jetzt werde ich mit der Birkner über die Aufnahme der Kommenden verhandeln.«

      »So gehe! – Selbstverständlich wirst du nicht über die mir zustehenden Gasträume verfügen. Es fällt mir nicht ein, diese – diese spanische Bettlerfamilie unter den kostbaren Vorhängen meiner Gastbetten schlafen zu lassen – mag sie sich doch drunten in den spukhaften Zimmern einquartieren –«

      »Das war bereits beschlossen,« unterbrach er sie mit einer Handbewegung, die jedes weitere heftige Wort abschnitt. hoffentlich ist diese Fremde nicht so gut klösterlich erzogen, um so unverantwortlich abergläubisch und unwissend zu sein.« – Er stand auf, schob die für ihn eingegangenen Briefe in die Brusttasche und ging hinaus, ohne auch noch ein Wort zu verlieren.

      Die Baronin hatte sich inzwischen erhoben und stand einen Augenblick unbeweglich, als besinne sie sich – ihr Blick huschte nach der Stiftsdame hinüber, die scheinbar teilnahmslos ihre Silberfäden durch das Tuch zog – dann flog sie zur Tür hinaus, ihrem Mann nach. Wie flink diese Füße laufen konnten! Wie die Barben der Morgenhaube flatterten und die weiße Schleppe den Fußboden fegte!

      Baron Schilling stieg eben die untersten Stufen der breiten Wendeltreppe hinab, als seine Frau droben erschien.

      »Arnold!« rief sie hinab.

      »Was wünschest du?«

      Eine Pause erfolgte. Die Baronin hörte, wie ihr Mann unbeirrt die letzte Stufe verließ und auf dem hallenden Steinfußboden weiterschritt.

      »Arnold, komme! Ich will gut sein, ich will – abbitten!« rief sie halblaut, und in diesem unterdrückten Ton lag so viel Glut, er klang so verräterisch sehnsüchtig, daß man sich unwillkürlich die hageren, zur Umarmung ausgestreckten Arme vergegenwärtigen mußte.

      »Wozu das? – Ich zürne nicht!« scholl es herauf, dabei aber verdoppelten sich drunten die eilenden Männerschritte. Die Tür nach dem großen Garten wurde geöffnet, und Baron Schilling trat hinaus auf die Freitreppe. In diesem Augenblick stand aber auch schon seine Frau neben ihm ... Sie war so lautlos hinter ihm hergeschlüpft, als habe sich die lange, schwanke Gestalt zu einem Schatten verflüchtigt. Ihren Arm fest um den seinen schlingend, sah sie ihm unter das Gesicht und ertappte noch den Ausdruck einer stillen Verzweiflung, eines unbezwinglichen Widerwillens auf diesen Zügen.

      »Arnold,« murrte sie drohend, da er, durch ihr plötzliches Erscheinen überrascht, eine unwillkürliche Bewegung machte, als wolle er sie wie ein unheimliches Traumgespenst von sich schütteln. »Versündige dich nicht! Denke an den Ausspruch der Ärzte, der dich verpflichtet, mich um meines schwächlichen Nervenlebens willen vor jedem Ärger zu behüten.«

      Er antwortete nicht. Sein« Zähne gruben sich tief in die volle, kirschrote Unterlippe, und er stieg langsam die Freitreppe hinab.

      Seine Frau ging mit. Sie hing noch an seinem Arm und hatte die Arme verschränkt – für fernstehende Beobachter mußte das Paar, das langsam wandelnd in die schattige Platanenallee einlenkte, das glückliche Bild ehelicher Eintracht sein.

      »Arnold, verzeihe! Es war eine Unbesonnenheit von mir, dich an die Ansprüche der Steinbrücks zu erinnern,« hob die Baronin wieder an.

      Ein Zug von Ekel ging durch sein Gesicht, als er, von ihr weggewendet, seine Augen droben durch das Geäst der Platanen gleiten lieh. »Lasse doch das auf sich beruhen, Klementine – verdirb mir nicht mit dem leidigen ›Mein und Dein‹ den strahlenden Morgen!«

      »Aber ich will dir ja nur sagen, daß ich im Grunde an diese Ansprüche so wenig denke wie du,« entgegnete sie hartnäckig.

      »Darin irrst du wieder. Ich denke sehr oft daran; so oft, als ich unter diesen lieben, alten Bäumen hingehe und den Blick auf das Säulenhaus richte; so oft ich durch eine neue Sparsumme das Kapital erhöhe, das deine Hypothek von diesem Grundstück wenigstens, von meinem Vaterhause,

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