Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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erschöpft vom anhaltenden Sprechen und sichtlich grillig schmiegte sie sich in den Lehnstuhl – das weiße Batistkleid bauschte in häßlichen Falten um den leicht zusammensinkenden Körper, und auf den langen, schmalen Händen, die mechanisch an dem gestickten Besatz zupften, lag fast greisenhaft entblößt das Geflecht der Adern. »Dem verzogenen, boshaften Jungen könnte es im Grunde nicht schaden, wenn ihm diese Erbschaft entzogen würde – er erbt so wie so übergenug,« setzte sie nach einer Pause mit einem stechenden Aufflimmern ihrer Augen hinzu; »aber wie gesagt, was kann das mich interessieren? ... Ich habe stets ein gerütteltes Maß Geduld nötig gehabt, wenn Arnold von dem amerikanischen Freund sprach – wie »der arme Mensch« auf seinem Leidensbette keinen anderen Wunsch habe, als der gekränkten Mutter seine vergötterten Kinder zuzuführen, wie es sein ausdrücklicher letzter Wille sei, daß nach seinem Tode die junge Witwe mit ihnen nach Deutschland zurückkehre, und Gott weiß was alles! – Ich habe immer nur mit halbem Ohr hingehört ... Nun sollen aber alle diese Träume und Pläne verwirklicht werden, und dabei stößt man auf große Schwierigkeiten. Rat Wolfram hält geflissentlich alles fern, was seine Schwester an den Sohn erinnern könnte – er ist ein Mann, der sich lieber in Stücke zerreißen läßt, ehe er den eigentlichen Erben seiner Schwester auch nur einen Span zugesteht; er muß mithin völlig ahnungslos bleiben, und die Großmutter soll ihre Enkel anfänglich kennen lernen, ohne zu wissen, wer sie sind – wie die guten Leute das anfangen wollen, das mag der Himmel wissen, lange genug wird's dauern! Der Ort dieser Manöver aber wird der Schillingshof sein, den Arnold leider in seiner überschwenglichen Freundschaft dem Verstorbenen und seiner Witwe zur Verfügung gestellt hat.« »Und in dieser Intrigue wirst du trotz alledem und alledem deine Hand haben – du wirst das Geheimnis mit behüten müssen –«

      Mit einem müden Kopfneigen und allen Zeichen des Überdrusses bestätigte die Baronin:»Wenn ich meine Einwilligung nicht zurücknehmen will, allerdings; selbst vor unseren Leuten – mit Ausnahme der Birkner, die diese ehemalige Mademoiselle Fournier gesehen hat und sie jedenfalls wiedererkennen wird.«

      Adelheid deutete auf das Kuvert, das eine feste Hand beschrieben hatte. »Ist der Brief von der jungen Witwe selbst?«

      Die Baronin verzog geringschätzend die Lippen. »Ich vermute, daß diese Tanzvirtuosin keinen anständigen Brief zu schreiben versteht, deshalb mag wohl Lucians Halbschwester, eine Frau Mercedes de Valmaseda, die Verhandlungen in die Hand genommen haben. Sie schreibt stets wenige, kurz zusammengefaßte Zeilen, und so sehr von oben herab, daß ich Arnolds Gelassenheit bewundere, mit der er sich das gefallen läßt. – Ihr Herr Gemahl mag wohl ein steifleinener Grande sein, ein edler Hidalgo, der sich stolz in seinen geflickten Mantel hüllt – denn furchtbar verarmt sind sie alle durch den Krieg, diese Herren Sklavenhalter der Südstaaten.«

      Sie fuhr plötzlich wie elektrisiert aus ihrer nachlässigen Stellung empor – man hörte Pferdegetrappel, und das eiserne Gittertor wurde klirrend zurückgeschlagen – Baron Schilling ritt in den Garten.

      Die Frau mit dem müden Leib und der matten Seele war für einen Moment in ihrem unbeherrscht lebendigen Mienenspiel, in jedem kräftig gespannten Muskel das Bild atemloser, fast bräutlich leidenschaftlicher Erwartung; aber auch nur für einen Moment, dann sank sie mit einem lauernden Seitenblick nach der Freundin in ihre frühere Teilnahmslosigkeit zurück.

      12.

       Inhaltsverzeichnis

      In der Nähe des Hauses sprang Baron Schilling vom Pferde. Ein Stallbedienter eilte herbei, das Tier in Empfang zu nehmen, und auf einen Wink des Gebieters kam auch Hannchen vom Säulengang her.

      »Hier, mein Kind, das trägst du in das Atelier – du weißt schon, wo die anderen liegen.« – Er holte einige kleine Baumschwämme aus der Tasche und warf sie dem Mädchen in die Schürze. – »Und diese hier« – behutsam nahm er ein Sträußchen frisch aufgeblühter Heckenrosen aus dem Knopfloch – »die gibst du der Birkner und sagst ihr, ich hätte auch heute nicht vergessen, die ersten, die ich gesehen, für sie zu pflücken, was ich mir schon als kleiner Junge nicht habe nehmen lassen.«

      »Er ist verrückt!« murmelte die Baronin, die mit scharf lauschendem Ohr jedes herüberklingende Wort aufgefangen hatte, in namenloser Erbitterung; und jetzt bog sie sich wieder über die Brüstung, und ihre Finger pflückten mechanisch an dem Rebenlaub, während die Augen mit zorniger Verachtung die Gruppe drunten fixierten. Noch stand Baron Schilling neben dem Pferde, dessen Zügel der Stallknecht in die Hand genommen hatte; er liebkoste das edle Tier und gab ihm mit der weichsten Modulation seiner schönen Stimme sanfte Schmeichelnamen.

      »Mein Gott, das sieht sich ja an, wie eine Trennung fürs ganze Leben!« sagte die Frau droben, jetzt völlig beherrscht, in trockenem Tone. »Welcher Mensch mit gesundem Empfinden mag eine solche Liebesverschwendung an ein Tier ruhig ertragen!« – Sie ergriff ein Paket Zuschriften und hielt es über die Geländerbrüstung. »Arnold, ich habe Briefe für dich!« rief sie hinab – ihr Ton klang scharf, hell und hochliegend wie eine grelle Kinderstimme.

      Baron Schilling sah hinauf. Er zog grüßend den Hut unter einer leichten Verbeugung – dann schritt er auf das Haus zu.

      Die Stiftsdame schob das gebrauchte Geschirr zusammen, prüfte die eine der verdeckten Schüsseln, ob sie noch warm genug sei, und war im Begriff, einen frischen Teller aufzustellen, als ihre Hand mit einem unwilligen Druck weggeschoben wurde.

      »Lasse das!« raunte die Baronin gebieterisch. »Ich biete ihm nie etwas an, wenn er sich von der gewohnten Ordnung freigemacht und allein gefrühstückt hat – mag er noch so hungrig heimkommen.«

      Mit raschen Schritten trat er auf die Terrasse heraus. Er hatte den Hut im Salon abgelegt, und der Zugwind hob leicht die dunklen Ringel, die sich stets eigenwillig aus dem zurückgestrichenen, mühsam gebändigten krausen Haar lüften, von der breiten gebräunten und kantigen Stirn, nach welcher die Frau Baronin die Schillings als viereckige Köpfe bezeichnete. Im übrigen wich dieser letzte Vertreter des ritterlichen Geschlechtes jetzt bedeutend von denen ab, die im Mittelsaal die alten, gewundenen und vergoldeten Holzrahmen mit ihren herkulischen Gestalten füllten. Er hatte sich verändert, er war nicht mehr vollwangig, wie vor acht Jahren – das Vertiefen in seine Kunst hatte an ihm gezehrt: sie hatte die Züge, in denen sich drüben bei den alten Haudegen und den gewaltigen Jägern vor dem Herrn viel Jovialität und derbe Genußsucht widerspiegelten, verschärft und veredelt, sie hatte der hohen Figur jede Spur jener stattlichen Behäbigkeit genommen und dafür die Bewegungen geschmeidigt.

      Er reichte seiner Frau die Hand, und sie legte zögernd, wie unter einem inneren Widerspruch, die dünnen Fingerspitzen hinein, während die Stiftsdame seinen höflichen, aber sehr kühlen Gruß ebenso reserviert und frostig erwiderte. Sie setzte sich ziemlich entfernt nieder, zog einen großen Arbeitskorb an ihre Füße heran und begann, in ein Stück feinsten, violetten Tuches herrliche Arabesken mit Silberfäden zu sticken.

      »Donna de Valmaseda hat geschrieben,« sagte die Baronin mit ironischer Betonung des fremdklingenden Namens und schob den Brief auf die Tischecke.

      Baron Schilling öffnete das Kuvert und überflog die wenigen Zeilen, die das Briefblatt enthielt. »Wir können unsere Schützlinge in acht bis zehn Tagen erwarten,« berichtete er; »aber du wirst dem Einquartierungsprogramm ein wenig verändern müssen, Klementine. Frau von Valmaseda wird ihre Schwägerin begleiten, weil, wie sie hier zum erstenmal ausspricht,« – er deutete auf die Zellen – »Felix das ganz ausdrücklich gewünscht habe –«

      »So ... Gott mag wissen, wie viel Wünsche dieser gute Felix noch gehabt hat, die zu erfüllen wir nolens volens verpflichtet sein sollen,« unterbrach ihn die Baronin gereizt. Sie verharrte nichtsdestoweniger in ihrer nachlässigen

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