Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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dem Hochmute des Herrn von Walde unsäglich leiden müßte, wenn er denselben ihr gegenüber geltend machen würde; deshalb mußte sie doppelt auf ihrer Hut sein, um sich durch die Formen der allgemeinen Höflichkeit nicht irreführen zu lassen. Daß er diese achte und konsequent zur Geltung zu bringen suche, davon hatte sie schon am nächsten Tage den schlagendsten Beweis.

      11.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie war nämlich nachmittags eben im Begriffe, mit dem Nähkorbe in den Garten zu gehen, als am Mauerpförtchen geläutet wurde.

      Im Hinblicke auf die gestrige Szene war ihre Verwunderung wohl sehr begründet, als sie beim Oeffnen der Thür Bella vor sich sah. Hinter der Kleinen standen Miß Mertens und der Herr, mit dem sie neulich abends die Begegnung gehabt hatte. Bella reichte ihr beim Eintritte sogleich die Hand, machte aber ein scheues verlegenes Gesicht und sagte kein Wort. Elisabeth erriet jetzt, sehr erstaunt, den Grund ihres Kommens und suchte ihr über das Peinliche der Situation hinwegzuhelfen, indem sie ihre Freude aussprach, die Kleine in ihrem Heim begrüßen zu können, und sie aufforderte, mit in den Garten zu kommen. Allein Miß Mertens trat vor.

      »Machen Sie es Bella nicht so leicht, Fräulein Ferber,« sagte sie. »Es ist ihr ausdrücklich anbefohlen worden, Ihnen der gestrigen Unart wegen Abbitte zu thun … ich muß darauf bestehen, daß sie spricht.«

      Diese mit großer Bestimmtheit gesprochenen Worte, mehr aber vielleicht noch das schützende Dunkel der Halle, in welche sie an Elisabeths Hand eingetreten war, lösten endlich Bellas Zunge. Sie bat leise um Verzeihung und versicherte, nie wieder unartig sein zu wollen.

      »Na, das wäre ja glücklich überstanden!« rief der Herr, indem er sich an Miß Mertens Seite stellte und nun Elisabeth schelmisch lächelnd eine tiefe Verbeugung machte.

      »Es mag Ihnen vielleicht sehr ungewöhnlich erscheinen,« begann er, »daß ich, als nicht dazu gehörig, mich dieser Deputation in Sühne und Ausgleichungssachen anschließe; allein ich bin der Ansicht, bei einem Akte der Versöhnung sei man meist geneigt, ein Auge zuzudrücken, und dies scheint mir ganz der geeignete Moment für einen Fremdling, sich einzuschmuggeln … Ich heiße Ernst Reinhard, bin Reisebegleiter und Sekretär des Herrn von Walde und kenne seit acht Tagen kein sehnlicheres Verlangen, als die interessante Familie im Schlosse Gnadeck kennen zu lernen.«

      Elisabeth reichte ihm freundlich die Hand. »Die alten Mauern haben bereits die Unthaten des Raubrittertums mit angesehen,« entgegnete sie, »wir haben deshalb ganz und gar keine Ursache, die Schmuggelei zu verurteilen … Sie werden meinen Eltern gewiß willkommen sein.«

      Sie schritt voran und stieß die hohe Eichenthür auf, die nach dem Garten führte.

      Die Eltern und der Onkel, die mit dem kleinen Ernst unter den Linden saßen, erhoben sich beim Erblicken der Eintretenden und gingen ihnen entgegen. Elisabeth stellte gegenseitig vor und verschwand dann wieder im Hause, um auf den Wink der Mutter einige Erfrischungen für die Gäste zu besorgen. Als sie zurückkam, hatte Bella bereits Mantille und Sonnenschirm abgelegt. Sie saß mit strahlendem Gesichte auf einer Schaukel, die der Vater zwischen zwei Bäumen aufgehangen hatte. Ernst schaukelte sie und schien nicht wenig stolz aus seine neue Spielgefährtin zu sein.

      »Wahrhaftig,« sagte Reinhard, indem er auf Bella zeigte, die eben jubelnd hoch durch die Lüfte flog, »wer die Kleine heute morgen gesehen hat, mit welch unkindlicher Haltung sie in Herrn von Waldes Zimmer trat, ihn um Verzeihung zu bitten wegen der gestrigen Ungezogenheit, und wie sie zornig und trotzig zu ihm aufsah, als er ihr erklärte, daß er sie nicht eher wiedersehen wolle, als bis sie Fräulein Ferber persönlich um Verzeihung gebeten habe« – hier wurde Elisabeth purpurrot und beschäftigte sich eilends und angelegentlichst mit zwei großen Honigbroten, die sie für Bella und Ernst strich – »der erkennt sie schwerlich wieder dort in dem kleinen Dinge, das die ganze harmlose Kinderfröhlichkeit im Gesichte trägt.«

      Es war eine genußreiche Stunde, die nun folgte. Miß Mertens zeigte sich als sehr unterrichtet und gebildet, und Reinhard erzählte in höchst anziehender Weise von seinen Reisen und Forschungen.

      »An die Heimkehr wäre wahrscheinlicherweise noch sehr lange nicht gedacht worden,« schloß er eine interessante Reihenfolge von Mitteilungen über Spanien, »allein verschiedene sehr ungünstige Nachrichten aus Thüringen, die nacheinander einliefen, bewogen Herrn von Walde, einen Riß durch einen kaum entworfenen neuen Reiseplan zu machen … Dem Herrschsüchtigen passiert es eben manchmal, daß ihn die Begier blind macht … der unvorsichtig ausgesprochene Wunsch aus zarter, weiblicher Feder: Herr von Walde möge doch den guten, aber nun altersschwachen Ortsgeistlichen in Lindhof pensionieren, weil er stumpf und nicht mehr fähig sei, die Gemüter zu erbauen, setzte jenen unliebsamen Nachrichten die Krone auf und war die Veranlassung, daß sofort die Rückreise angetreten wurde … Als wir spät abends, in der Nähe von Lindhof Wagen und Chaussee verlassend, das letzte Stückchen Weg durch den Wald zu Fuße zurücklegten, stießen wir noch auf ein allerliebstes Abenteuer … ›Merkwürdig, sehen Sie doch, Reinhard, für was halten Sie den Schimmer da droben auf dem alten Gnadeck?‹ fragte Herr von Walde. ›Für ein Licht,‹ war meine Antwort. ›Das müssen wir näher untersuchen,‹ meinte er und stieg aufwärts. Der Punkt wurde immer größer und ergab sich zuletzt zu unserm Erstaunen als zwei hohe, hellerleuchtete Fenster … Da trippelt es hinter uns leicht den Berg herauf, es flattert weiß durch die Büsche, und plötzlich schwebt ein Etwas auf die mondbeglänzte Lichtung, das ich für ein höheres Wesen halte … Ich bin der Beherztere, trete näher, immer fürchtend, die Lichtgestalt werde vor dem Hauche meines Mundes zerfließen – wehe, da öffnen sich die Lippen und erzählen von zwei gutgearteten Ziegen und einem allerliebsten Kanarienvogel.«

      Ein allgemeines Gelächter folgte dieser Schilderung.

      »Als wir den Berg wieder hinabstiegen,« fuhr Reinhard fort, »sprach mein Herr keine Silbe; allein gewisse Anzeichen lassen mich fürchten, daß ich damals nicht von Ihnen allein ausgelacht worden bin … Es wäre wahrlich nicht vom Uebel gewesen, wenn Sie uns als gute Fee begleitet hätten; aber aller Mondesglanz, alle Lieblichkeit blieben droben auf dem Bergrücken, während wir hinunter in den dunklen Thalschoß wandern mußten, wo eine dumpfe Schwüle brütete, und wo uns niemand, nicht einmal ein erwachendes Lüftchen, ein Willkommen in der Heimat entgegentrug … Im Schlosse Lindhof flogen zahllose Lichter eilig wie Irrwische an den Fenstern vorüber. Der Wagen mit dem Gepäck war vor uns eingetroffen und mußte mit seinem Rädergerolle ähnliche Wirkung hervorgebracht haben, wie man dem Donner beim jüngsten Gerichte dereinst zuschreibt, denn es herrschte eine solche Aufregung in dem Hause, als wir eintraten, daß ich am liebsten meine Schritte wieder hinweggelenkt und mein müdes Haupt unter den ersten, besten, stilldunklen Busch gebettet hätte … Der einzige, der inmitten des aufgescheuchten Ameisenschwarmes einen bewunderungswürdigen Gleichmut zur Schau trug, war Herr Kandidat Möhring. Er hatte sich schleunigst in eine weiße Halsbinde geworfen und empfing den Herrn des Hauses mit einer salbungsvollen, wohlgesetzten Rede am Fuße der Treppe.«

      »Das Regiment dieses gestrengen Herrn ist wohl jetzt zu Ende?« fragte der Oberförster.

      »Jawohl – Gott sei Dank!« entgegnen Miß Mertens. »Er wird in der Kürze Lindhof ganz und gar verlassen – die Frau Baronin Lessen hat ihm durch ihren Einfluß eine gute Predigerstelle verschafft … Er konnte es nicht ertragen, so plötzlich in das Nichts zurücksinken zu müssen, da, wo er geherrscht hatte. Ich glaube es ihm; denn wie hat er geherrscht – mit der ganzen Verfolgungswut des Tyrannen, der alles unter seine Füße zu bringen sucht … Nicht ein Gedanke sollte mehr in seinem Bereiche gedacht werden ohne seine Zustimmung, und während er seine Herrin kriechend anlächelte, hielt er ihr seine eiserne Faust auf den Nacken. Alle, ohne Ausnahme, im Hause mußten die

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