Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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obschon sehr einfach im Stoffe, zeigte eine fast peinliche Sorgfalt im Arrangement, und der aufmerksame Beobachter konnte mit dem besten Willen nicht annehmen, daß man das Oberkleid lediglich aus Schonung der Saumes in so ziemlichen Falten aufgesteckt habe; denn zwei reizend geformte Füßchen hatten eine auffallend feine Toilette gemacht, die sicher nicht bestimmt war, unter dem langen Wollkleide zu verkümmern.

      Das junge Mädchen hielt eine Mulde mit Getreidekörnern im Arme und warf davon eine Handvoll auf das Pflaster. Alsbald entstand ein großer Lärm, von den Dächern stürzten sich die Tauben, die Hühner verließen unter lautem Gegacker Stangen und Nester, und der Hofhund glaubte bei dem allgemeinen Aufstande sich auch mit einem lauten Gebelle beteiligen zu müssen.

      Elisabeth war überrascht. Der Onkel war zwar verheiratet gewesen, hatte aber nie Kinder gehabt, das wußte sie genau; wer also war das junge Mädchen, das er nie in einem seiner Briefe erwähnt hatte? … Sie ging die Stufen hinab, die nach dem Hofraume führten, und trat der jungen Fremden einige Schritt näher. »Gehören Sie auch ins Forsthaus?« fragte sie freundlich.

      Die schwarzen Augen hefteten sich fast stechend auf die Fragerin und drückten einen Augenblick unverkennbar große Ueberraschung aus; dann erschien ein Zug von Hochmut um die feinen Lippen, die sich noch fester aneinander zu schließen schienen als vorher; die Augenlider fielen bald über die glänzenden Augen, welche sich abwendeten, und ruhig und schweigsam, als wisse sie gar nicht, daß jemand neben ihr stehe, fuhr sie fort, die Körner in den Hof zu werfen.

      In dem Augenblick ging Sabine, das Kaffeebrett auf dem Arme, an der Hofthür vorüber. Sie winkte der tiefbetroffenen Elisabeth, und als diese näher kam, faßte sie ihre Hand und zog sie in das Haus, indem sie sagte. »Kommen Sie, Kindchen, das ist nichts für Sie.«

      In dem Wohnzimmer fand Elisabeth alle schon so gemütlich und vertraut zusammen, als hätte man tagtäglich bei einander gesessen. Die Mutter hatte in einem bequemen Lehnstuhle Platz genommen, den ihr der Oberförster an das Fenster gerückt hatte, und von wo aus sie einen lieblichen Fernblick durch den Wald genoß. Eine große getigerte Katze war vertraulich auf ihren Schoß gesprungen und ließ sich mit sichtbarem Behagen das Streicheln der sanften Hand gefallen. Für den kleinen Ernst aber waren die vier Wände des Zimmers eine wahre Fundgrube aller möglichen interessanten Dinge. Er kletterte von Stuhl zu Stuhl und stand eben in wortloser Bewunderung vor einem großen Glaskasten, der eine prächtige Schmetterlingssammlung enthielt. Die zwei Männer saßen aus dem Sofa, eifrig über den künftigen Wohnsitz der Familie beratschlagend, und Elisabeth hörte, wie eben der Onkel sagte. »Nun, wenn sich auf dem Berge kein Quartier für euch einrichten läßt, so bleibt ihr einstweilen droben in meiner Stube. Ich richte meinen Schreibtisch und meine sonstigen Habseligkeiten unten ein, und dann bombardiere ich die in der Stadt so lange, bis sie mir drüben auf den Seitenflügel ein neues Stockwerk setzen lassen.«

      Elisabeth legte den Reisemantel ab und war der alten Sabine behilflich, den Kaffeetisch herzurichten. Auf die Glückseligkeit, die ihr ganzes Herz erfüllte, war soeben der erste Schatten gefallen. Mit Unfreundlichkeit war man ihr noch nie begegnet. Daß sie dies dem Liebreiz ihrer Gestalt, der Reinheit und Kindlichkeit ihres Wesens verdanke, deren Einflusse sich oft die rohesten Gemüter nicht zu entziehen vermögen, davon hatte sie keine Ahnung. Sie hatte das so hingenommen als eine Sache, die sich ganz von selbst verstehe, da sie es ja mit allen Menschen wohlmeine und nie sich eine Unhöflichkeit gestatte. Ihre Ueberraschung und Freude, ein junges Mädchen von gleichem Alter hier zu finden, waren zu groß gewesen, als daß ihr nun die Zurückweisung nicht doppelt weh thun sollte. Auch hatte das schöne Gesicht der Fremden ihr lebhaftes Interesse geweckt. Das Gemachte in der Erscheinung war ihr als solches durchaus nicht aufgefallen, da sie selbst das Verlangen gar nicht kannte, ihr Aeußeres durch besondere Hilfsmittel der Toilette zu heben. Die Eltern hatten ihr stets gesagt, sie möge ihren Geist bereichern, so viel sie könne, und sich bestreben immer besser zu werden, dann würde auch ihre äußere Erscheinung nie abstoßend sein, gleichviel welche Form die Natur verliehen habe.

      Das Nachdenkliche in Elisabeths Zügen fiel der Mutter sogleich auf. Sie rief sie zu sich, und Elisabeth wollte ihr die Begegnung erzählen, aber schon nach den ersten Worten drehte sich der Oberförster nach ihr um. Eine tiefe Falte erschien zwischen den buschigen Augenbrauen und machte das Gesicht finster und grimmig.

      »So,« sagte er, »hast du die schon gesehen? … Nun, dann will ich euch auch erzählen, wer und was sie ist. Ich habe sie vor mehreren Jahren in mein Haus genommen, um eine Stütze für Sabine im Hauswesen zu haben. Sie ist eine Verwandte meiner verstorbenen Frau und hat weder Eltern noch Geschwister. Ich wollte ein gutes Werk thun und habe mir damit eine Rute aufgebunden, die mich züchtigt, ohne daß ich gesündigt hätte … Schon in den ersten Wochen merkte ich, daß in dem Kopfe auch nicht ein gesunder Gedanke stecke … nichts als ein Wust von überspannten Ideen und ein unglaublicher Hochmut. Ich hatte nicht übel Lust, sie wieder dahin zu schicken, wo sie hergekommen, aber da lamentierte die Sabine und bat vor, obgleich sie am allerwenigsten Ursache dazu hatte; denn das junge Ding machte ihr schwer zu schaffen, war naseweis und kehrte bei jeder Gelegenheit die Verwandte des Herrn gegen die alte Dienerin heraus … Ich drückte ihr den Daumen aufs Auge, soviel ich konnte, und ließ sie tüchtig schaffen und arbeiten, um ihr den Hochmutsteufel auszutreiben, und da ging’s auch eine Zeitlang erträglich … Da lebt aber da drüben auf Lindhof – das ist die ehemals Gnadewitzsche Besitzung, die der Universalerbe an einen Herrn von Walde verkauft hat, – seit ungefähr einem Jahre eine Baronin Lessen. Der Besitzer selbst, der weder Frau noch Kinder hat, ist so eine Art Altertumsforscher, reist viel und läßt deshalb seine einzige unverheiratete Schwester durch die genannte Dame beschützen – Gott sei’s geklagt! denn seitdem ist alles dort auf den Kopf gestellt … Wenn mir früher gesagt wurde, das ist ein Frommer, da hatte ich Respekt und nahm meine Kappe ab; jetzt mache ich eine Faust und möchte am liebsten die Kappe über Augen und Ohren ziehen, denn die Welt hat sich verkehrt … Die Baronin Lessen gehört auch zu den Frommen, die vor lauter gottseligem Wandeln hart, grausam und engherzig werden, die denjenigen, der nicht immer die Augen heuchlerisch am Boden hat, sondern sie aufschlägt nach oben, wo er seinen Gott sucht, hartnäckiger verfolgen, als meine Meute das Wild … In dies Gehege ist denn nun meine vortreffliche Nichte auch geraten; ein besseres Feld für all das Unkraut in ihrem Kopfe konnte es nicht geben, und da haben wir denn nun auch die allerliebste Bescherung. Sie hatte mit einer Kammerjungfer da drüben Bekanntschaft gemacht und brachte ihre ganze freie Zeit dort zu. Anfangs hatte ich kein Arges, bis sie auf einmal mit Bekehrungsversuchen anfing … Da sollte die Sabine nicht fromm sein, weil sie nicht des Tages wenigstens zehnmal die dringende Arbeit stehen ließ, um zu beten … die arme Alte, die durch Wind und Wetter, oft schwer von Rheumatismus geplagt, jeden Sonntag nach Lindhof in die Kirche geht und ein arbeitsvolles, pflichtgetreues Leben hinter sich hat, ein Pfund, das eine lebenslängliche Knierutscherei bei Nichtsthun jedenfalls zehnmal aufwiegt … Auch an mich wagte sich die Moralpredigerin; aber da kam sie an den Rechten – sie hat es bei einem Versuche bewenden lassen. Ich verbot ihr nun den Umgang mit den Leuten auf Lindhof. Das hat mir freilich wenig geholfen; denn jeden unbewachten Moment hat sie benützt, um heimlicherweise hinüber zu schlüpfen … Von einer Dankbarkeit gegen mich, der ich für sie sorge, ist nicht die Rede, es fehlt jedes innere Band zwischen ihr und mir, und da ist es für mich doppelt schwer, sie zu hüten. Gott mag nun wissen, welche fixe Idee sie in ihrem Kopfe ausgebrütet hat, genug, seit ungefähr zwei Monaten ist sie vollständig stumm, aber nicht allein hier im Hause, sondern gegen alle Menschen. Seit der Zeit ist auch nicht ein Laut über ihre Lippen gekommen. Weder Strenge noch ruhiges Zureden richten etwas aus. Sie verrichtet ihre Geschäfte nach wie vor, ißt und trinkt wie jeder andere gesunde Mensch, und ist nicht um ein Jota weniger eitel als sonst. Weil sie aber ihre roten Backen verlor und blaß aussah, so befragte ich einen Arzt, der sie schon früher behandelt hatte. Der sagte mir, sie sei körperlich ganz gesund, scheine ihm aber eine höchst exaltierte Person zu sein, und da schon in ihrer Familie Fälle von Geistesstörungen vorgekommen seien, so möchten wir sie ruhig gewähren lassen. Sie würde mit der Zeit des Schweigens selbst überdrüssig werden und eines schönen Tages sprechen wie eine Elster … Nun meinetwegen, ich will’s drauf ankommen lassen; daß ich aber damit ein schweres Opfer bringe,

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