Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Walther Kabel

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Besonderheiten, war vielmehr etwas unbeholfen, fast kindlich.

      Der Inhalt lautete folgendermaßen:

      Gauben i. Pommern, den 8. August 19…

      Bevor ich Ihnen, geehrter Herr Schaper, die Einzelheiten des Falles, den ich Ihrer Findigkeit anvertrauen möchte, mitteile, muß ich Ihnen offen bekennen, daß ich in den bescheidensten Vermögensverhältnissen lebe und nur ein geringes Honorar, etwa 300 Mark, zahlen könnte. Ich schicke dies voraus, damit Sie auch in dieser Hinsicht genau informiert sind und mir nicht den Vorwurf machen können, Ihnen dies verheimlicht zu haben. Ich weiß, Ihre Zeit ist kostbar. Sollten Sie daher für die angegebene Summe die Sache nicht erledigen können, so bitte ich diesen Brief zu verbrennen. Erhalte ich in einer Woche keine Nachricht, so entnehme ich daraus, daß Sie diesen Auftrag ablehnen. Jedenfalls aber müßte ich darauf bestehen, daß Sie persönlich meine Angelegenheit in die Hand nehmen, da ich der festen Überzeugung bin, daß eine Hilfskraft Ihres Instituts, und sei es die tüchtigste, hier nicht ausreicht.

      Nun kurz den Sachverhalt. Vor einem halben Jahre etwa mietete ich von dem Kaufmann Wernicke, Gauben, die in der Nähe dieses Städtchens liegende sogenannte Mönchsabtei, ein altes, in einem Garten gelegenes Gebäude, in dem früher Karthäuser Mönche gehaust haben sollen. Ich bin ein alter Mann, dem das Leben übel mitgespielt hat und der hier fern dem Getriebe der Welt, die mich nur enttäuscht hat, seine Tage beschließen wollte. Ein langjähriger Diener teilt meine Einsamkeit, nebenbei ein Mann, der mein vollstes Vertrauen verdient und auf den keine Spur von Verdacht fallen kann, daß er etwa bei den rätselhaften Vorgängen, die Sie sofort hören werden, irgendwie mitbeteiligt ist. – Meine Hoffnung, hier in der Mönchsabtei in Ruhe und Frieden leben zu können, hat sich leider nicht bestätigt. Gleich nach meinem Einzug, in der zweiten Woche des Februar, stürzte mein Diener schreckensbleich eines Abends in mein Arbeitszimmer. Nach vieler Mühe erst brachte ich den vor Angst halb Bewußtlosen zum Reden. Er erzählte mir dann folgendes, und die späteren Vorfälle haben gezeigt, daß er leider nicht phantasierte, sondern seine Schilderung auf voller Wahrheit beruhte. Er war gegen neun Uhr noch ein wenig im Garten auf und abgegangen, da das milde, prächtige Wetter geradezu zum längeren Aufenthalt im Freien verlockte. Auf seiner Promenade hatte er sich ganz absichtslos auch in die Nähe der sogenannten Prior-Kapelle begeben, die abseits von dem Hauptgebäude steht und fraglos früher einmal tatsächlich zur Abhaltung von Gottesdiensten genutzt worden ist, worauf sowohl die Form als auch die Innenausschmückung der jetzt halbzerfallenen und von Efeu überwucherten kleinen Baulichkeit schließen läßt. Hier war es, wo mein treuer Hartung plötzlich einer grauen Gestalt ansichtig wurde, die mit langschleppenden Gewändern aus einer Seitenallee hervorkam und langsam auf die Kapelle zuschritt. Hartung, ein Mann in den besten Jahren, dabei mutig und völlig frei von Aberglauben, rief die Erscheinung an und näherte sich ihr gleichzeitig, wobei ihn jedoch plötzlich ein so starkes Gefühl des Grauens überkam, daß er es nicht wagte, direkt auf die wie ein Schatten lautlos dahingleitende Gestalt loszuspringen. Jedenfalls blieb sein Anruf ohne Erfolg, und der Unbekannte – falls es sich eben um einen Menschen handelt, verschwand in der längst aus den Angeln gefallenen Tür der Prior-Kapelle. Inzwischen hatte mein Diener seine Anwandlung von Furcht überwunden und drang nun, indem er einen am Boden liegenden Spaten als Waffe aufgriff, und das Flämmchen seines Taschenfeuerzeugs als Leuchte benutzte unerschrocken in die Ruine ein. Im Innern fand er einige trockene Zweige, die er schnell zu einer primitiven Fackel vereinte, bei deren Licht er die Kapelle gründlich durchsuchte. Diese besteht aus zwei Räumen. Durch die Tür gelangt man in die eigentliche Kapelle, die vielleicht sechs Meter lang und vier Meter breit ist. An der gegenüberliegenden Wand führt ein schmales Pförtchen in einen Anbau, eine Art Sakristei, die jetzt ebenso leer ist wie der Hauptraum und in der ebenfalls nur Ratten, Mäuse und Spinnen ihr Wesen treiben. Einen zweiten Ausgang gibt es nicht, worauf ich besonders aufmerksam mache. Die Fenster, zwei Meter über dem zertrümmerten Steinplattenboden gelegen, sind mit noch verhältnismäßig gut erhaltenen Ziergittern versehen.

      Hartung entdeckte auch nicht eine Spur von der seltsamen Erscheinung, die in der Kapelle verschwunden war, obwohl er jeden Winkel, fast jede Mauerritze ableuchtete. Nachdenklich, von einem gewissen Unbehagen befangen, wollte er durch die Tür gerade wieder ins Freie hinaustreten, als eine unsichtbare Hand ihm die noch brennenden und inzwischen ergänzten Zweige aus der Hand riß und in die dünne, winterliche Schneedecke des Gartens schleuderte. Hartung, der augenblicklich herumfuhr um den Attentäter, den er hinter sich vermutete, zu erwischen, sah und hörte nichts. Totenstill lag der Innenraum der Kapelle da. Kein Wunder, daß meinen Diener unter diesen Umständen abergläubische Angst packte und er wie ein von Furien Gejagter davonstürzte. In diesem Zustande langte er in meinem Zimmer an.

      Ich will Ihre Zeit nicht durch weitschweifige Ausführungen in Anspruch nehmen. Ich selbst habe die Erscheinung in den inzwischen verflossenen Monaten nicht weniger als acht Mal gesehen, sie angerufen und bin ihr ebenfalls in die Prior-Kapelle gefolgt. Stets tauchte sie in jener Allee auf, die von Lebensbäumen eingerahmt ist und an deren einer Seite sich ein altes Grabmal mit einer mächtigen Steinplatte darauf befindet. Die Natur dieses grauen, bis zum Kopf in wallende Tücher gehüllten Geschöpfes zu ergründen, ist mir nicht gelungen. Nur ein Mal sah ich etwas von dem Gesicht dieses – sagen wir ruhig – Gespenstes. Ein blasses, bartloses Antlitz, anscheinend das eines Mannes, war’s. Und ein andermal wieder, an jenem Abend, als ich mir den Besitzer der Mönchsabtei, den Kaufmann Wernicke, gleichsam als Zeugen eingeladen hatte, damit er sich von der Wahrheit meiner Angaben vergewissere, wagte ich es, der Erscheinung sogar den Weg zu vertreten. Da es eine stockdunkle Nacht war, hatte ich mir eine helleuchtende Acetylenlaterne mitgenommen. Und was geschah?! Mit einer geradezu hoheitsvollen Gebärde streckte das Gespenst mir den Arm entgegen. Meine Füße waren in demselben Moment wie gelähmt, die Laterne verlöschte ohne jede äußere Ursache, und – ruhig schritt »der Graue« , wie wir den unheimlichen Wanderer längst getauft haben, in die Kapelle hinein.

      So stehen hier die Sachen. Wernicke, der sein Anwesen gern verkaufen möchte, hat mich flehentlich gebeten, über meine Beobachtungen zu schweigen, da er die Mönchsabtei sonst niemals veräußern kann. Jeder Käufer würde ja durch die Geistererscheinung abgeschreckt werden. Nunmehr hat er darein gewilligt, daß ich Ihnen die unheimliche Geschichte anvertraue. Er will auch die Hälfte der Kosten tragen, was schon sehr viel bedeutet, da der Mann sehr sparsam, fast geizig ist. – Mit einem Wort: Drei einwandfreie Zeugen, nämlich Wernicke, mein Diener und ich, haben die Erscheinung beobachtet. An ihrer Existenz ist mithin nicht zu zweifeln. Und da ich als aufgeklärter Mensch an übernatürliche Dinge nicht glauben kann, anderseits aber eine Erklärung für das Geschaute nicht zu finden vermag, bitte ich Sie der Sache auf den Grund zu gehen.

      Hochachtungsvoll

       Friedrich Müller,

       Privatgelehrter.

      »Daß diesen Bericht ein Privatgelehrter verfaßt hat, merkt man,« brummte Fritz Schaper vor sich hin, nachdem er mit der Lektüre fertig war. »Gerade das, worauf es ankommt, fehlt. – Nun, sehen wir zunächst einmal nach, wo dieses Nest mit dem schönen Namen Gauben liegt. Denn – der Fall interessiert mich. Ich rieche förmlich das Außergewöhnliche. In dieser Beziehung habe ich mich noch nie getäuscht.«

      Er holte das Kursbuch wieder hervor, schlug die Eisenbahnkarte von Ostdeutschland auf und:

      »Holla! Da haben wir’s ja schon. Also an der Bahnlinie Stettin-Danzig, unweit von Stolp, das paßt ja vorzüglich. Die Sache wird gemacht.«

      Er klingelte und befahl dem eintretenden Lemke, sofort ein Antwortschreiben für Friedrich Müller aufzusetzen des Inhalts, daß er in den nächsten Tagen in Gauben eintreffen würde.

      3. Kapitel

       Die gescheiterte Brigg

       Inhaltsverzeichnis

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