Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Walther Kabel

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Tag gefolgt. Noch grollte die See, warf noch immer den weißen Gischt ihrer sich überstürzenden Wogen bis zu dem hölzernen Bootssteg hinauf, der bei jedem Anprall der Wasserberge zitterte, stöhnte und ächzte wie ein gepeinigtes, gereiztes Tier.

      Mit dem Nachlassen des Orkans und unter den scheinbar die Natur zum Frieden mahnenden, besänftigenden Strahlen des heute vom wolkenlosen, blauen Augusthimmel herableuchtenden Tagesgestirns beruhigten sich die aufgepeitschten Wogen zusehends, wurden kleiner, zahmer, sodaß bereits mehrere Boote des holsteinischen Fischerdorfes es gewagt hatten, nach der großen Brigg hinauszurudern, die dort draußen, den Bug hochaufgerichtet und ihrer gesamten Takelage beraubt, auf der etwa fünfhundert Meter vom Strande entfernten Sandbank inmitten der schäumenden Brandung lag, jetzt ein hilfloses Wrack, und vor drei Tagen noch ein schmucker Segler, den erst der verhängnisvolle Sturm in regenfinsterer Nacht aus seinem Kurs gegen die gefährliche Westküste von Holstein getrieben hatte.

      Doktor Heinz Gerster, der neben Frau Käti Deprouval auf der Spitze des Bootssteges stand, ließ soeben das Fernglas sinken, mit dem er bis eben nach dem gestrandeten Fahrzeug hinübergeschaut hatte.

      »Ein Boot kommt bereits zurück. Da werden wir bald näheres über das Schiff erfahren, gnädige Frau,« sagte er interessiert.

      »Ob denn wirklich die ganze Besatzung den Tod in den Wellen gefunden haben mag?« meinte die schlanke, blasse Dame mit ihrer müden, aber selten wohlklingenden Stimme.

      »Leider besteht sehr wenig Hoffnung, daß sich auch nur ein einziger von der Bemannung gerettet hat,« erwiderte Doktor Gerster.

      Frau Deprouval schauderte wie fröstelnd zusammen.

      »Die armen, armen Leute,« sagte sie leise.

      Wieder führte jetzt Doktor Gerster sein Fernglas an die Augen.

      »Keine dreihundert Meter sind sie noch entfernt,« erklärte er ganz aufgeregt.

      Und nach einer Weile:

      »Wirklich, ich täusche mich nicht. Sie haben einen sechsten Mann im Boot. Das ist kein Fischer. Vielleicht, nein, was rede ich – bestimmt ist’s einer der Besatzung.«

      Immer mehr näherte sich das auf den Wogen auf und abtanzende kleine Fahrzeug dem Stege. Jetzt konnte man schon mit bloßen Augen die Gesichter erkennen.

      Da – was bedeutet das? – Wahrhaftig, das Boot wandte plötzlich und kehrte mit schnellen Ruderschlägen zu dem Wrack zurück.

      »Begreifen Sie diese hastige Umkehr?« fragte Heinz Gerster, das Fernglas absetzend.

      Keine Antwort. Unwillkürlich blickte er auf seine Nachbarin. Weshalb schwieg sie so hartnäckig?

      Doktor Gerster fuhr erschreckt zusammen. Ein Blick in Frau Kätis Gesicht klärte ihn auf – denn leichenblaß, die Augen halb geschlossen, lehnte sie schwer, wie mit einer Ohnmacht kämpfend, am Geländer des Steges.

      »Käti – Käti, was haben Sie, was fehlt Ihnen?«

      Ängstliche Sorge lag im Ton seiner Stimme. Und ganz unbewußt hatte er die vertraute Anrede gebraucht, zu der nichts, nichts ihn berechtigte, die im Gegenteil dieser Frau gegenüber nichts als eine Verletzung der schuldigen Achtung war.

      Mit aller Kraft raffte sie sich auf. Und es gelang ihr wirklich, etwas wie ein Lächeln mühsam hervorzuquälen.

      »Eine momentane Schwächeanwandlung – nichts weiter,« sagte sie mit leisem Seufzer.

      Er hatte vorhin, um sie zu stützen, die Hand um ihre Taille gelegt. So lehnten sie jetzt dicht aneinander, ganz dicht. Keiner von ihnen regte sich, keiner sprach ein weiteres Wort. Und doch fühlten sie nur zu deutlich, wie ein Strom unaussprechlicher Seligkeit von Herz zu Herzen floß, wie ihre Pulse schneller und schneller jagten.

      Der Augenblick, den sie beide nach diesen vier Wochen, die sie, nur auf sich angewiesen, in dem kleinen Fischerdorfe verlebt hatten, so sehr fürchteten, war da.

      Endlich erwachte sie wie aus einem wunderbaren Traume. Ihre Augen füllten sich mit Tränen; zaghaft machte sie sich von ihm los und sagte mit ihrer weichen, süßen Stimme:

      »Seien wir verständig, mein Freund. Wir wissen, daß wir einander nie angehören können, nie! Und – ich danke Ihnen, Heinz, danke Ihnen aus vollem Herzen dafür, daß Sie diese Minute stillen Selbstvergessens nicht ausgenutzt haben – nicht das taten, was ein wenig ehrenhafter Charakter vielleicht gewagt hätte. Unsere Lippen sind rein geblieben, damit auch unsere Freundschaft. Und die wollen wir uns erhalten – bitte – bitte.«

      Mit festem Druck fügten sich ihre Hände ineinander.

      Heinz Gersters Kehle war wie zugeschnürt, jeder Nerv bebte an ihm. Alles in ihm bäumte sich auf gegen das Schicksal, das sie trennte, das ihre Wege nie zusammenführen würde, nie.

      Da sprach sie schon weiter, gab seinen Gedanken eine andere Richtung:

      »Lieber Freund, Sie haben mich schon so oft gebeten, Ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen. Vielleicht tue ich’s heute. Kommen Sie nachmittags zu mir in das kleine Gärtchen unter der breitästigen Linde. Sie sollen sehen, daß ich Vertrauen zu Ihnen habe. Das soll mein Dank sein. – Und noch etwas anderes. Bleiben Sie jetzt bitte hier und geben Sie acht, ob wirklich einer der Schiffbrüchigen gerettet ist. Nachher erzählen Sie mir alles, nachher. Auf Wiedersehen.«

      Leicht, federnden Schrittes ging sie über die Planken der Bootsbrücke hin. Versonnen schaute Doktor Gerster ihr nach.

      Ein tiefer, qualvoller Seufzer entrang sich seiner Brust.

      »Warum kann es nicht so sein, warum?« dachte er, mit dem Geschicke hadernd, das ihn gerade hier in dem kleinen Fischerdorfe zufällig das Weib kennenlernen ließ, daß er niemals, niemals vergessen würde.

      Frau Käti war inzwischen in die Dünen einbogen, wo im Schatten eines größeren, zur Reparatur an Land geschleppten Kutters neben einem jungen, weiß gekleideten Mädchen ein etwa sechs Jahre alter Knabe im Sande spielte. Der Kleine, eine wahre Ausgeburt von Häßlichkeit, mit einem übergroßen Kopf und krankhaft verzerrten Zügen, streckte beim Anblick der Mutter die dünnen Ärmchen aus und rief mit seiner schrillen, quäkenden Stimme:

      »Ricki, Kuchen – Kuchen – Kuchen –«

      Unaufhörlich wiederholte er das letzte Wort und zeigte dabei mit einem freudigen Lächeln, das sein mißgestaltetes Antlitz noch mehr verzerrte, auf verschiedene Sandtürmchen, die er mit Hilfe von Holzformen hergestellt hatte.

      Bei dieser Begrüßung, die der bedauernswerten Frau so recht wieder die ganze Größe ihres Unglücks vor Augen führte, vermochte Käti Deprouval die heißen Tränen gerade in ihrer jetzigen Stimmung nicht mehr zurückzuhalten.

      Wildes Schluchzen ließ ihren zarten Körper wie im Krampf erbeben. Achtlos setzte sie sich nieder, vergrub das tränenfeuchte Gesicht in beide Hände und gab sich ihrem Schmerze zügellos hin.

      Das junge Mädchen, die Erzieherin des kleinen Richard, redete ihr tröstend zu. Alles vergeblich. – Schließlich nahm sie mit sanfter Gewalt die Fassungslose in ihre Arme und streichelte ihr beruhigend über das blonde, nur von einem dünnen Schleier verdeckte Haar. Das half. – Langsam versiegten die Tränen, die Hände gaben das feine Gesichtchen frei.

      »Aber liebe, liebe Frau Deprouval, woher nur wieder

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