Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»Georg, hilf!« …
Wie ein Stoßgebet kam es ihm von den Lippen, während er sich durch die Schneemassen seinen Weg bahnte und Körnchen auf Körnchen streute. Jetzt war die Tube leer, und jetzt stieß er auf MacGornick.
Der Schotte wollte sprechen … wollte fragen, ob die Hilfsexpedition schon unterwegs wäre.
Mit einem schlecht unterdrückten Fluch wandte Wellington Fox ihm den Rücken … und sah über der ganzen Fläche, die er eben noch im Mondlicht begangen und bestreut hatte, dichte Nebel wallen.
Eben noch standen sie kaum fußhoch. Jetzt wogten sie schon in Augenhöhe und stiegen in jeder Sekunde höher. Mit einem Schrei stürzte er in der Richtung davon, in der er eben noch die Skitrümmer erblickt hatte. Warme, dunstige Treibhausluft umfing ihn. Aber eisig umflutete ihn Schmelzwasser bis zu den Knien.
Schon war der eben noch so harte froststarrende Schnee über die ganze Fläche hin eine schmelzende, auseinanderfließende Masse geworden. Jetzt stieß sein linker Ski auf Widerstand. Das mußte der zerbrochene Ski sein.
Mechanisch faßten seine Hände in die Taschen des fremden Pelzes … und griffen eine der tausendkerzigen elektrischen Fackeln, wie sie Bergführer bei sich zu tragen pflegen.
Im nächsten Moment flammte die mächtige Leuchte auf. Wie glühendes Eisen ließen ihre Strahlen die Nebelmassen selbst leuchtend werden. Aber auch in die Klüfte und Spalten der schmelzenden Lawine drang das Licht. Mit einem Ruck entledigte sich Wellington Fox der störenden Schneeschuhe und warf sich auf die Knie in den eisigen Schlamm, um einer dunklen Stelle in den schmelzenden Massen näherzukommen. Schob mit den Händen den erweichenden Schnee zurück, bekam ein Stück Stoff zu fassen und zog mit einer kurzen letzten Anstrengung eine menschliche Gestalt zu sich heran.
Kalt und leblos lag die Gerettete in seinen Armen. Der immer stärker schmelzende Schnee hatte ihre Kleidung vollkommen durchnäßt. Mit Schrecken erkannte Wellington Fox, daß das von ihm angewandte Mittel nicht ungefährlich war. Zwar die Schneemassen selbst schmolz dieses wunderbare Dynotherm in fabelhaft kurzer Zeit zusammen. Aber das abziehende Schneewasser durchtränkte die tieferen Schichten und bedrohte alles, was dort noch etwa verschüttet lag, mit dem Tode des Ertrinkens.
Beim Scheine der starken Leuchte betrachtete er die Züge der Geretteten. Die, die er vor allem suchte, an die er am meisten dachte, war es nicht. Die Marchesa di Toresani hielt er hier in den Armen. Aber Helen Garvin lag noch irgendwo verschüttet, von den schmelzenden Massen immer stärker bedroht.
Er ließ die regungslose Gestalt zu Boden gleiten. Sah dabei, daß der Riemen ihrer Umhängetasche gerissen war, und ließ die Tasche mechanisch in seinen Pelz gleiten. Dann begann er mit der Kraft der Verzweiflung von neuem zu suchen. Nur von der Hoffnung aufrecht gehalten, daß die Katastrophe die beiden Frauen dicht beieinander betroffen habe.
Er suchte und fand. Gerade eben jetzt gaben die schmelzenden und dampfenden Massen den Zipfel eines Gewandes frei. Im Moment stürzte sich Wellington Fox darauf und hielt Helen Garvin in seinen Armen. Ebenso bleich und regungslos wie ihre Gefährtin.
Jetzt schnell heraus aus den dampfenden und schmelzenden Massen. Nur wenige Minuten waren verstrichen, aber wie hatte sich das Bild in kurzer Zeit verändert. Schon stand er in einer tiefen Mulde, und von allen Seiten her schoß das Schmelzwasser in Sturzbächen die Abhänge hinab, um gurgelnd und brausend seinen Weg zu Tale unter den Schneemassen fortzusetzen.
Mit den Zähnen faßte Wellington Fox die Fackel. An seiner linken Brust ruhte Helen. Mit dem rechten Arm umklammerte er den Körper der Toresani. Mit der doppelten Last mußte er sich an dem schmelzenden und weichenden Abhang in die Höhe arbeiten. Bis an den Leib sank er dabei in die wässerigen Massen. Schritt um Schritt kämpfte er sich empor, alle Muskeln und Sehnen bis zum äußersten gespannt. Knirschend gruben sich seine kräftigen Zähne bei der gewaltsamen Anstrengung tief in den hölzernen Griff der Fackel.
Bis endlich die Steigung geringer, der Schnee unter seinen Füßen fester wurde. Bis das Licht einer anderen Fackel in seine Augen fiel.
MacGornick hatte sich endlich zur Tat aufgerafft, hatte sich der eigenen Fackel erinnert. Mit ihr war er jetzt in das Nebelmeer eingedrungen und auf Wellington Fox gestoßen. Mit einer letzten Anstrengung legte ihm Wellington Fox den regungslosen Körper der Marchesa di Toresani in die Arme.
»Zurück, Sir … auf trocknen Schnee …«
Mit pfeifenden Lungen stieß er die wenigen Worte hervor.
Zwei Minuten später traten sie aus dem wallenden Nebelmeer in die klare Luft und sahen das Mondlicht wieder. Ohne ein Wort zu verlieren, ohne einen Blick auf seinen Begleiter zu werfen, bettete Wellington Fox Helen Garvin auf den Schnee und versuchte durch Reiben und Massieren das Leben in den regungslosen Körper zurückzuzwingen. Die Fackel, die er neben sich in den Schnee gestoßen hatte, überflutete die bleichen Züge des jungen Mädchens mit blendendem Licht, ließ sie noch blasser und lebloser erscheinen.
Lange schien Wellington Fox sich um eine Gestorbene zu mühen. Bis endlich eine Spur von Leben zurückkehrte, bis ein leichter Atemzug die Brust erschütterte. Ein kurzer Freudenschrei kam von seinen Lippen. Jetzt galt es, das Werk zu vollenden, die Geretteten in die Wärme und Trockenheit des Kogarthauses zu schaffen.
Das war noch ein langer und steiler Weg über Schnee und Felsen dreihundert Meter in die Höhe. Auch für einen Mann, der ihn unbelastet ging, keine geringe Anstrengung. Wellington Fox hob Helen Garvin mit starken Armen empor und begann den Weg zu schreiten, als ob sie federleicht wöge. Und wäre gern so mit ihr weitergegangen bis in alle Ewigkeit.
Der Lichtschein von Fackeln erreichte sein Auge. Stimmen drangen an sein Ohr. Eine Rettungskolonne kam ihm entgegen. Träger und Führer umringten ihn. In allen Sprachen drangen Fragen auf ihn ein. Doch nur noch undeutlich vernahm er die Stimmen. Nur noch ein dumpfes Gewirr schlug an sein Ohr. Jetzt, da er Helen Garvin gerettet wußte, verließ ihn die Spannkraft. Mit einer letzten Anstrengung half er Helen auf eine Bahre betten. Dann fiel er bewußtlos neben ihr nieder.
Im Süden von San Franzisko auf der Hochebene von San Matteo liegen, von wundervollen Parkanlagen umgeben, die Sommersitze der westlichen Finanz- und Industriemagnaten. Noch vor einem halben Menschenalter streckten sich hier dürre Einöden. Jetzt hatten die Menschen mit Hilfe des Dynotherms ein Paradies aus den wilden Gebirgsgegenden gemacht.
Schattige Reitwege und trauliche Fußpfade. Zwischen Felsenhügeln Miniaturseen, Bäume, Blumenbeete und allerlei blühende Sträucher, von berufenen Künstlern zu einem bildhaften Ganzen verschmolzen.
Der schönste unter den schönen Landsitzen der von Francis Garvin. Unter den reichen Männern der Union einer der reichsten Francis Garvin.
Die Grundlagen zu seinem riesenhaften Vermögen hatte er in jener denkwürdigen Landspekulation gelegt, als er vor einem halben Menschenalter die großen wüsten Landstriche zwischen der Sierra Nevada und dem Koloradofluß für einen Spottpreis an sich brachte und dann durch die Wirkungen des Dynotherms fruchtbar machte und besiedelte. Die Aktien der American Settlements Company waren zum großen Teil noch in seinen Händen. An der Europäischen Siedlungsgesellschaft war er stark beteiligt.
Auf der großen Terrasse, die über Wälder und Wiesen hinweg einen Blick auf die Fluten des Stillen Ozeans gewährte, saßen Francis Garvin und Helen, seine einzige Tochter.
Unruhig