Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Als Erster sprang Georg Isenbrandt aus dem Coupé, als der Zug in den Bahnhof von Kaschgar einfuhr. Mit größtmöglicher Schnelligkeit folgte ihm Wellington Fox. Durch das Gewühl der Passagiere suchten sie den Weg ins Freie.
»Noch einmal, Georg … Zum letzten Male. Es ist ein bodenloser Leichtsinn, daß du dich hier geradeswegs in die Höhle des Löwen wagst. Kann ich das nicht allein ebensogut ausrichten?«
»Nein!«
Während Georg Isenbrandt gleichmäßig weiterschritt, traf ein entschlossener Blick den Freund.
»Nein! Ich habe es versprochen … Ich halte, was ich versprach.«
Wellington Fox gab es auf, weiter in ihn zu dringen. Aber seine Hand tastete nervös nach der kleinen wirksamen Waffe in der Rocktasche.
»All right, Georg! Die Kühnheit ist zu groß, um zu mißlingen. Georg Isenbrandt am hellichten Tage in den Straßen Kaschgars, am Sitze des chinesischen Generalkommandos … Das Stückchen ist nicht übel.«
Sie durchwanderten Straßen und Gassen und standen vor dem Gartentor des Witthusenschen Hauses. Sie zögerten betroffen, noch ehe sie die Glocke zogen.
Die Vorhänge herabgelassen … Alle Fenster verhängt. Schon von außen ein totes Bild der Verlassenheit.
Mit einem energischen Ruck riß Fox an der Klingel. Lange Zeit schien niemand zu hören. Endlich öffnete sich ein Spalt in dem massiven Tor. Das Gesicht des alten chinesischen Boys kam zum Vorschein.
»Herr Witthusen?!«
Wellington Fox stellte die Frage, während er gleichzeitig den Fuß in die Türspalte schob und mit einem kräftigen Schulterdruck den Flügel so weit zurückdrängte, daß sie eintreten konnten.
»Herr Witthusen ist nicht zu Haus?«
Zum zweitenmal und noch dringlicher fragte Fox.
Der Chinese schüttelte verneinend den Kopf.
»Und Fräulein Witthusen?«
Das Gesicht des Gelben sagte mehr als Worte.
»Wo sind sie hin?«
Isenbrandt war auf den Gelben zugetreten. Der schüttelte nur den Kopf und machte ratlose Gebärden mit den Händen.
Wellington Fox schob sich zwischen Georg Isenbrandt und den Boy. Eine Note von hohem Gepräge raschelte in der Faust des Gelben und verschwand zauberhaft schnell in der faltigen Kleidung.
»Wo sind sie hin?« wiederholte Fox. »Wann sind sie abgereist?«
Der Gelbe krümmte sich verlegen. Seine Hände tasteten nach der Stelle, wo der Schein knisterte.
»Wohin sie sind, hoher Herr … Hui-Fang weiß es nicht … Vorgestern abend in der zehnten Stunde kam ein Auto vorgefahren. Zwei Offiziere stiegen aus und gingen zu dem Herrn … Und dann … Dann kamen sie wieder heraus … Mit ihnen der Herr und Fräulein Maria Feodorowna und … stiegen zusammen in das Auto … und fuhren fort.«
»Wohin sind sie?«
Georg Isenbrandt hatte Fox beiseite geschoben und stand vor dem Chinesen, der sich unter seinem Blick zusammenkrümmte.
»Wohin? … Bei den Geistern deiner Ahnen!«
Das gelbe Gesicht nahm einen grauen Schein an. Seine Augen hingen an denen Georg Isenbrandts und konnten nicht los davon. Dann sank er in die Knie und hob beschwörend die Hände.
»Ich weiß es … nicht … hoher Herr! Ich weiß es nicht.«
Georg Isenbrandt taumelte zurück. Tiefaufatmend bedeckte er die Augen mit der Rechten. Wellington Fox fragte: »Hat der Herr etwas hinterlassen? … Befehle?«
»Nein! Nichts …« Nach einer Weile kam es zögernd von den Lippen des Gelben.
»Gestern in der Frühe war Mr. Cameron hier. Der sagte, der Herr ist verreist und kommt vorläufig nicht wieder. Jeder Arm, der etwas aus dem Hause nimmt, wird abgehackt. Mr. Cameron hat alles verschlossen … hat alle Schlüssel mit sich genommen …«
Als der Name »Cameron« fiel, zuckte Wellington Fox zusammen.
»Ist Mr. Cameron noch in Kaschgar?«
»Ich weiß nicht … Sicher … Ich glaube …«
Der Gelbe wand sich unter der Frage, während ihm Wellington Fox Wort für Wort abrang.
Georg Isenbrandt fuhr dazwischen. Mit der Rechten hatte er das Gewand des Gelben an der Brust gepackt und schüttelte ihn wie ein Bund Flicken.
»Wo ist Mr. Cameron?«
»Der Diener sagte, sein Herr wäre …«
»Wo ist Mr. Cameron?«
»… in Peking.«
Mit jähem Ruck warf Georg Isenbrandt das taumelnde Etwas in einen Winkel.
»Komm, Fox, wir haben hier nichts mehr zu tun!«
Fast mechanisch schlugen sie den Weg zum Bahnhof ein. Minuten hindurch gingen sie stumm nebeneinander her. Dann brach Wellington Fox das Schweigen.
»Was tun?«
Er erhielt keine Antwort. So sprach er selbst weiter:
»Also nach Peking!«
»Wer?«
»Ich! … Mit dem nächsten Postschiff!«
»Du wolltest?«
»Selbstverständlich, Georg! An der Quelle ist am meisten zu holen. Der selige Pinkerton soll sich vor Neid über meine Erfolge noch im Grabe umdrehen! Collin Cameron ist jetzt ein doppeltes Jagdobjekt für mich. Ich werde ihn finden … und ihm das Handwerk legen … Was wirst du tun?«
Georg Isenbrandt schwieg.
»Ich würde dir raten, eine vertraute Person auf die Spuren der Vermißten zu setzen. Hast du nähere Bekannte in Kaschgar?«
Isenbrandt schüttelte den Kopf.
»Nein, Fox!«
»Glaubst du deinem Dienet Ahmed trauen zu können? Er ist doch Dschungane.
»Ahmed? Er ist treu. Ja! Ihn werde ich schicken. Gut, Fox! Wann willst du fahren?«
»Sofort!«
»Dein Gepäck? … Deine Sachen?«
»Die liegen gut im Kogarthaus. Mit dem nächsten Postschiff.«
»Fox … du guter Freund … du weißt immer Rat … du wirst mir Nachricht geben …