Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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waren dunkel wie Ebenholz und fein wie Seide. Das Näschen hatte eine ganz leichte Ausbiegung, und in den Hügelchen der Wurzel desselben zuckte es manchmal ein klein wenig; leises Zucken an den Nasenflügeln bedeutet nicht selten ein bißchen Schalkhaftigkeit. Die Lippen des kleinen Mundes waren voll und frischrot erblüht; zwischen denselben blinkten bisweilen drei Oberzähnchen. Das Kinn mit seinem Grübchen drängte sich nicht hervor und war mitsamt den Backen und dem Halse von mildester Rundung und zartestem Farbenhauch. Die Locken des lieblichen Wesens waren etwas dunkler als Kastanien und hatten einen weichen Glanz; sie waren nach rückwärts gekämmt und durch das elfenbeinerne Diadem des Kammes so gehalten, daß sie in einer reichen Welle über den Nacken flossen. Die Gestalt des Mädchens war schlank und vornehm gebaut, und jede ihrer Bewegungen war natürlich und anmutsvoll.

      Am Arm trug es durch ein blaues Bändchen einen breiten Florentiner Strohhut, und in einer der handschuhlosen Hände hielt es – was der kleine Mann daneben baß nicht leiden wollte – einen tüchtigen Regenschirm.

      Die Gegend ist seltsam schön. Ein breites, grünes Tal mit sanften Höhungen, auf welchen stattliche Gehöfte stehen, mit wiesenreichen Niederungen, in welchen zahlreiche Quellen sprudeln, Bächlein rieseln, Mühlen und Holzsägen klappern, und mit dem Alpenflusse, der, unter Gischten und Brausen vom Hochgebirge der Wildschroffen niedergesprungen, hier sachte und blaugrün durch die Gegend zieht. Dann sind Dörfer mit weißen oder grauen Kirchtürmen, Gärten, Schachen und schimmernde Landhäuser. Auf Hügeln und felsigen Bergvorsprüngen ragen Ruinen. Der schöne längliche Kessel des Tales ist besäumt und umfriedet von den waldigen Bergen, die sich, je weiter zurück, je höher heben. Gegen Sonnenaufgang zu, über Berg und Tal, breiten sich die ewigen Schatten der Einödwälder.

      Es war zur Hochsommerszeit, aber eine kühle Luft wehte von den Wäldern her und rieselte sanft in den losen Locken des Mädchens, das völlig versunken war im Sehen dessen, was es in seinem Leben vielleicht noch niemals geschaut und gefühlt: den Zauber der Berge und des Waldlandes.

      Über den Holzdächern des Dorfes ragte als ungefüge, düstere Masse der alte Kirchturm, in welchen manches Jahrhundert sein Denkmal gegraben hatte. Um den grauen Turm kreisten Schwalben, deren Gefieder in der Abendsonne schimmerte. Große Stille war. Das Mädchen tat einen tiefen Atemzug, worüber es von dem Begleiter besorgt angeblickt wurde.

      Als dann von dem »Pack der Packträger« niemand kam, faßte das behende Alterchen Gepäck und Geschirme fest in und unter die Arme, dann gingen sie die weiche, grüne Gasse entlang den Häusern zu.

      Anfangs getraute sich das Mädchen kaum, auf den grünen Rasen zu treten, der vom Bahnhof ab auf dem Dorfsteig wucherte, es tat ihm leid um den »Garten«, und es ergötzten sie wohl auch ein wenig die übermütigen Heupferdchen, die auf dem Rasen herumhüpften und zuweilen gar gegen die Spitzchen ihres Fußes trachteten.

      »Wie schön,« sagte das Mädchen, »da ist die Welt ja auf einer Sänfte!«

      »Gewiß, gewiß,« entgegnete der Alte, »das Fräulein hat durchaus recht, und die Sänfte hängt mit vier Stricken an dem Himmelsgewölbe, und – da fällt mir gescheitem Manne noch was ein – die Stricke, das sind die vier Jahreszeiten, da schaukelt's hin und schaukelt's her – hopp auf und hopp nieder.«

      Jetzt blieb das Mädchen stehen, langte nach dem Arm des Alten und sagte: »Ferdinand, philosophieren und närrisch sein magst auf unserer Landpartie, was das Zeug hält, aber wenn du mich noch einmal Fräulein heißest, so laufe ich von dir hinweg und laufe in den Wald hinaus, daß du mich nimmermehr findest.«

      Das Männlein antwortete nichts, sondern zog sein Sacktuch heraus und drehte in dasselbe einen doppelten Knopf; den hielt es dem Mädchen vor die Augen: »Ist er groß genug?«

      »Wir sind ja ausgeflogen wie zwei Vöglein in die Lüfte, und ich mag von unserem Käfig und vom Weltbrauch einmal gar nichts hören. Ferdinand, nenne mich wieder Anna, so wie du es sonst getan hast.«

      »Wohl, wohl, Anna,« sagte der Alte rasch, »aber besinn' dich, bist ja schon so schauderlich erwachsen. – Ich wollt' gern, du wärst es nicht. Kehr' die Hand um, wird dich einer wegfischen. Je nun – mag dich das gnädige Fräulein heißen oder mein Herz-Annchen – 's wird mir nichts nutzen, dastehen wird der Ferdinand Küßdenker wie ein einschichtiger Spatz auf dem Zaun. Mädl, ich errat' dir's sicher!«

      Hastig schritt er nach diesen Worten die Gasse entlang, das Mädchen vermochte kaum ihm zu folgen.

      Er blieb bald wieder stehen: »Komm', Anna; will recht bei dir sein, solang's noch geht. Und das werde ich deinem Herrn Papa auf dem Todbett nicht vergessen.«

      »Ferdinand!« unterbrach ihn Anna, launig mit dem Finger drohend: »Bist schon wieder der Papagei? – Einen Vater habe ich.«

      »Na!« rief der Alte, »heut' bist aber schon gar –!«

      »Freilich«, lachte das Mädchen, und dann ernsthaft: »Will einmal eine Tyrannin sein und will geradeso und gerade das tun, was mich freut. Dazu hat mein Vater mir die drei Tage ja geschenkt. Ich frage nichts nach der Stadt; ich bin jetzt eine dreitägige Märchenprinzessin, und du bist mein Berggeist – magst du?«

      »Dein Wille geschehe, Trotzköpfel, du!« rief Ferdinand in einer Art von Begeisterung, »und ich werde es deinem Herrn Vater noch auf dem Todbett gedenken, daß er mich dieser kleinen Prinzessin mit auf den Weg gegeben hat; daß er sein Kind mir und keinem anderen vertraut hat, um es zu begleiten auf einer Vagabundenfahrt, von der ich zur Stunde noch Zweck und Ziel nicht weiß –«

      »Ich auch nicht,« unterbrach ihn Anna, »aber ohne meinen Ferdinand wäre ich mutterseelenallein davongegangen.« Man merkte ihr aber leicht an, daß der Trotz nicht Ernst war.

      Jetzt standen die zwei Fremden mitten unter den Bauernhäusern und Scheunen des Dorfes. Auf dem Platz vor der Kirche ragte ein hohes Kreuz in die abendliche Stille auf; nebenhin im Bächlein plätscherten Enten, auf den Dächern girrten Tauben, etliche Kinder sprangen um. Das war das ganze Leben des Ortes.

      Der kleine alte Mann drehte sich auf den Fersen und suchte an den Wänden der hölzernen Häuser nach dem Schilde eines Gasthofes. Da er nichts entdeckte, zog er einen barfüßigen Knaben zu Rat. – »Beim Kirchenschneider, da werden Sie zu essen und zu schlafen kriegen.«

      Bald darauf saßen sie – der alte Mann und das junge Mädchen – in der dunkeln Wirtsstube des »Kirchenschneiders«. Es war ein großer Kachelofen, und es waren einige Tische da, auf die durch die nebeligen Scheiben der kleinen Fenster ein bißchen Abendschein hereinfiel. Im Winkel tickte, vielleicht seit Urzeiten her, eine Pendeluhr. Ein paar Stübchen waren den Fremden für die Nacht gesichert worden, und es war zu hören, wie man aus denselben alte Kisten und Wirtschaftsgeräte entfernte, denn seit zwei Jahren war kein Gast mehr beim Kirchenschneider über Nacht geblieben. So saßen die beiden einstweilen still und vergessen da, und zweier unbekannter Gäste wegen zündet die Kirchenschneiderwirtin in der Dämmerung noch keine Kerzen an.

      »Die Prinzessin hat sich ein feines Königreich gesucht«, flüsterte Ferdinand spöttisch.

      Das Mädchen erhob sich und ging in das Freie. Sie ging langsam die Gaffe hinan, betrachtete die Gegenstände des Dorflebens und plauderte mit den Kindern. Bald war sie aus der Gemarkung der Häuser hinausgeraten, und ein Fußsteig führte sie über Felder, auf welchen das Korn wogte. Die meisten der Blumen hatten sich in ihre Hüllen vermummt, es war ein kühler Abend, es kam der Tau.

      Das Mädchen, dem ewigen Lärm der Großstadt entflohen, wandelte wie träumend dahin und stand plötzlich vor einem Garten, der durch eine Bretterplanke, Hecken und Bäume umfriedet war. Da drinnen standen ein paar weiße Steine und viele hölzerne Kreuze.

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