Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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dazu bei, wenn wir abgestiftet werden. Du bist alleweil der Anstifter gewesen gegen den Waldherrn, hast gleich vom Niederschlagen geschrien, wenn ein Jagdtreiben gewesen ist. Das läßt sich so ein Herr nicht gefallen. Wenn's mir so kommen tät' – gleich abstiften!«

      »Weil du ein Herrenlecker bist!« schrien andere, »Und weil einer dahin und ein anderer dorthin zieht, deswegen fällt die Einöd' auseinander.«

      »So mag sie zu Scherben gehen, in's Teufels Namen ...!«

      Aufgegeben war die Einöde von den Einödbewohnern selbst. Und der arme Heidepeter irrte in den Schroffen und Wäldern umher und suchte sein Weib.

       * * *

      Es war ein Tag nach dem Herzen Gottes.

      Still und rein lag der Herbstmorgen über den Waldbergen; die kühle Luft war so klar, daß man in den Wildschroffen jedes Steinchen und jedes Klüftchen zu sehen glaubte. Gewaltig hoch türmten sich die leuchtenden Wände über den Waldungen.

      – »Wer hat deine Grundfesten gegraben, wer hat dich aufgebaut, du erhabene Alpenwelt! Wer hat dich erdacht, wer hat dich gewölbt, wer hat dich gekrönt, du herrlicher, wunderbarer Wald! Du bist ein allgemeines Vaterhaus, du bist eine unerforschte Welt, du bist ein Tempel mit ewigem Harfenklang! Wie sie hinausziehen, groß und klein, reich und arm, du gibst allen das gleiche Grün, das gleiche Blühen, das gleiche Reifen, den gleichen Schatten; du grüßest alle mit gleichem Fächeln und Flüstern, du küssest alle mit gleichem Lebensodem, du hüllest sanft die Herzen in Frieden und badest sie in träumender Ruh', du lieber, holder Wald!«

      So rief Gabriel aus in seiner feierlich gestimmten Seele, als er eines Tages hinging über die Höhen der heimatlichen Waldberge.

      Nach jahrelanger Abwesenheit kam er zurück von der Hauptstadt, um endlich seine armen Eltern, seine liebe Schwester wiederzusehen.

      Er hatte nicht den gewöhnlichen Weg genommen, er kam über die Alpen her, er wollte das Bergland wieder einmal so recht genießen. Er war im schmucken Kleide des Älplers, das er angetan hatte, um die Heimat damit zu ehren. Den Jammer ahnte er nicht, der ihn daheim erwarten sollte.

      Gabriel war groß geworden, er schritt durch den Wald wie ein junger Priester, so feierlich.

      Fremd und allein, wie er hingezogen vor Jahren, kam er wieder zurück. Wohl hatte er seine Studien glücklich vollendet, seine Prüfungen glänzend bestanden; er hatte Aussicht auf eine bevorzugte Professorenstelle, man prophezeite seinem durch schwere Schicksale geläuterten, nach hohen Idealen strebenden Geiste eine glückliche Zukunft. Aber er hatte nun die Welt kennengelernt in ihrem Prunk und Stolze, in ihrer glitzernden Armseligkeit, und er sehnte sich wieder zurück in den Wald.

      Gabriel sah jetzt die Natur mit ganz anderen Augen an als einst. Manche poetische Anschauung hatte ihm die Wissenschaft verdrängt, dafür war durch sie manch neue merkwürdige Seite enthüllt worden. Er wußte nun, daß der rohe Eigennutz auch außer dem Menschen in dem Naturleben herrscht. Als Knabe hatte er weinen müssen vor Rührung, wenn er eine Heuschrecke sah, die ihre Vorderfüße gegen den Himmel streckte, sie war ihm die fromme, stille Gottesanbeterin. Heute wußte er, daß sie ihre Füße emporreckt, um Mücken zu fangen.

      Oft fand er als Knabe in den Splint der Fichten geheimnisvolle Buchstaben eingegraben, die sich in wunderlichen Formen schlingen, aber nie kreuzen; »die Waldjungfrau hat damit die Geschicke der Menschen beschrieben, aber niemand kann die Zeichen lesen«. Heute kannte Gabriel den schädlichen Borkenkäfer, der mit seinem Rüssel die Buchstaben gräbt, und heute verstand Gabriel die Buchstaben zu enträtseln, sie heißen Tod dem Walde!

      So hatte die Natur für Gabriel vielleicht den Heiligenschein verloren, dafür aber blickte er ihr tief ins Leben.

      Als Gabriel gegen die drei riesigen Tannen kam, die an der oberen Waldgrenze standen und der Pfaffenhut genannt wurden, sah er dort bläulichen Rauch emporwallen, und als er näher kam, hörte er heitere Männerstimmen. Der Graf Frohn hielt hier mit seinen Jagdgenossen Gelage und Mahlzeit.

      Gabriel ging seines Weges, aber der Jagdtag der fröhlichen Gesellschaft hatte ein seltsames Ende.

      Zuerst schlug das Wetter um.

      Es mögen die Herbsttage noch so still und rein sein viele Wochen hin – plötzlich wird es anders. Wie war an diesem Morgen die Luft noch so klar und ruhig; da begann zur Mittagszeit sachte das dürre Laub der Erlen und Haselnußgesträuche zu tänzeln und zu hüpfen über den Boden hin, da kamen Windstöße, und mit einem Male wallte dichter, finsterer Nebel über die Wildschroffen her.

      In den Tannen des Heidehauses rüttelte und rauschte der Nordwind und pfiff durch alle Fugen des Hofes, und die Balken und Bretter klapperten und klirrten, und der Hirsch an der Wand polterte. Bald war der ganze Himmel bedeckt mit dunkelgrünem Gewölke, das sich träge weiter wälzte und das von den Schroffen immer dichter und dichter nachgeschoben wurde. – Auf dem Rasenplatz vor dem Heidehause liefen Leute herum in großer Verwirrung.

      »Was ist anzufangen?« fragten sie einander bestürzt, »wenn er uns kein Brennholz und keine Stallstreu mehr gönnt, so müssen wir ja fort, mit Weib und Kind hinaus auf die Bettelstraße!«

      »Einödler bin ich!« rief ein Bauer, »und daß ich um ein Stückel Brot anhielte, da tu ich mein Lebtag eher rauben. Höllsaggra! ich laß schon alles drauf ankommen; wenn mir mein' Sach' geraubt wird, so raub' ich wieder!«

      Der Hahnenkamp trat herbei mit geballten Fäusten:

      »Wer Schneid' hat, der geht mit. Wo ich anfass', da bricht was! Der Großteufel jagt heut' im Schroffenwald, dem würgen wir seine vermaledeite Seel' aus dem Leib. Und wenn er am Abend zur Gebetglocken noch herumlauft, so zünd' ich mein eigen Haus an.«

      Da trat Haberturms Rudolf herbei: »Leute, von Betteln, Rauben und Morden kann keine Rede sein; wir haben noch andere Mittel. Zusammenhalten, ein festes Anstemmen gegen Gewalt, und wir werden unser Recht erlangen. Nur zusammenhalten!«

      Ein Windstoß brauste heran, in dem Geäste der Tannen war ein schweres Tosen und Stöhnen, auf dem Dachfirste des Hauses riß es mehrere Latten los – der Bretterhirsch rüttelte heftig an seinen Holznägeln.

      An demselben Tage abends kam Graf Frohn mit seinem Gefolge heiter wie gewöhnlich vom Schroffenwalde zurück und quartierte sich für die Nacht im Haberturmhofe ein.

      Die Jäger setzten sich sogleich an den großen Tisch in der Gesindestube, der Graf obenan. Er ließ zu den mitgebrachten Resten auftragen, was die Speisekammer vermochte; sich mitten in das Volk begeben und dessen Brot essen, das ist herren-demokratisches Prinzip. Da gab's wieder Scherz und Weidmannsgeschichten, und draußen im Vorhause bei den hingelehnten Schießgewehren lag so mancher verblutete Rehbock, von dessen Sterben drin so lustig geplaudert wurde.

      Es war finster geworden; draußen brauste der Regen, und wer in die von Kienspänen erhellte Stube trat, der hatte Schneeflocken auf seinen Kleidern.

      Rudolf und der alte Ameishüter traten zur Tür herein, gegen den Tisch hin und zogen höflich ihre Hüte vom Kopf. Dann baten sie, daß den Einödbauern auch für die Zukunft wie bisher das Recht an dem Walde bewahrt bleiben möchte.

      Der Graf entgegnete freundlich, daß er heute wohl keine Audienz erteilen könne, und beachtete die beiden Männer nicht weiter. – Jetzt ging wieder die Tür auf, und Kopf an Kopf standen vor dem Eingange die Männer der Einöde, mit Stöcken und Knitteln bewaffnet.

      Sie drangen

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