Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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auf geheimen Wegen mit einer Büchse in den Hochwäldern der Schroffen umher. Es war eine günstige Zeit zum Wildern, der Herbert war Soldat und mußte zu seinem Regiment einrücken, der neue Jäger war noch nicht da. Davidl hatte einen grünen, hohen Holzknechthut mit Gemsbart auf, trug heute die Haare schwarz gefärbt und hatte sich ein dunkles Schnurrbärtchen angezeichnet. Das ist Wildschützen-Vorsicht. Das Gewehr hatte er, in zwei Teile zerlegt, in der Joppe. Auch trug er in der Tasche seines Bruststeckes ein Fläschchen Scheidewasser; er wußte, wozu es gut war.

      Gegen Abend war er von dem Wirtshause fortgegangen. Als er hinaufkam in das Gefälle, wo vor wenigen Jahren der Sturmwind einen ganzen Waldstreifen entwurzelt hatte, setzte er sich auf einen liegenden Baum. Er sah seinen hohen Hut an und den braunen Gemsbart, und er erinnerte sich dabei an die Jugendgeschichte seines Vaters.

      In demselben Augenblicke hallte eine menschliche Stimme durch den Wald, Davidl erschrak und wollte sich unter irgendeiner aufgerissenen Baumwurzel verstecken. Da rief es noch einmal: »Mutter!«

      Mutter! sagte der Wald – Mutter! lallte es im Jungwald am jenseitigen Berge. – Bald darauf kam Ameishüters Regina die Lehne heran. Sie hielt einen großen Baumast als Stock in der Hand und schritt rüstig fürbaß den Wildschroffen zu.

      »Daß es nur keine Wölfe und keine Bären mehr gibt, und daß es nicht kalt ist in der Nacht«, sagte sie zu sich, dann stand sie still und horchte, und rief wieder mit heller Stimme: »Mutter!«

      Aber keine Antwort. – Wann und wo wird man sie finden, und wie wird das enden?

      »Ich geb' nicht nach, und ich ruh' nicht, und ich führe keinen Bissen Brot zum Mund, solang wir sie nicht haben!« sagte sie zu den Bäumen und eilte weiter – aufwärts gegen die finsteren Hochwaldungen.

      David! schlich ihr nach. – Es begann zu dunkeln.

       * * *

      Der Heidepeter und Rudolf wußten nicht, daß auch Regina auf war, um die Vermißte zu suchen. Die beiden Männer gingen noch in derselben Nacht hinein durch die engen Talschluchten gegen das Schroffeneck. Als sie zur Hütte der Einschicht-Res kamen, setzte sich der Peter müde auf das Moos und sagte:

      »So weit bin ich gekommen auf der Welt!«

      Dann sank er ganz zu Boden.

      Die Einschicht-Res war in den letzten Jahren gealtert und gebrochen. Ihr Gesicht war furchig, aber die Augen glühten noch wie zehrende Funken unter der Asche. Ihre reichen Haarsträhnen waren grau geworden, an ihrem gebeugten Körper hing notdürftig zusammengeheftetes Pelzwerk.

      So kam sie nun, führte den armen Mann in die Hütte und bereitete ihm einen Kräutertrank.

      Rudolf verließ schon zum ersten Morgengrauen das Dach und ging aufwärts zwischen Felsgraten und Zirbengesträuchen gegen das wilde Gestein; Peter war sehr erschöpft und blieb in der Hütte.

      Durch die Äste und Kronen des Waldes und zwischen den Schluchtwänden war zu sehen, wie hoch oben die Felsen leuchteten in der Morgensonne. Herunten um die Hütte lag dichter Reif, am brausenden Bache glänzten Eiszäpfchen.

      Der Peter richtete sich nun von seinem Mooslager auf, tastete um sich und sah befremdet seine Umgebung.

      Halbdürre Kräuter hingen an Querstangen nieder, und an die schwarze Wand waren ausgestopfte Geier und Eulen und andere Tiere genagelt.

      Wo war er, daß er heute sein Weib nicht fand neben sich? Er faltete die Hände.

      Jetzt trat die Alte zu ihm und sagte:

      »Bist auch noch so einer, Heidepeter, der meint, er muß beten! Ach, das können sich die wenigsten Leut' abgewöhnen, und sie mögen noch so alt werden. In guten Tagen, da lassen sie's oft eine randige Zeit lang; aber wenn halt die liebe Erde sie zermalmt zwischen den Steinen, da rufen sie einen Gott an. Dieser Gott soll nachher alle anderen im Stich lassen und ihnen helfen. – Peter, was mich – wie ich jetzt dasteh', ein Weib, weit über die Fünfzig hinaus – dieses Leben schon gemartert hat! Zuerst kam's kleinweis, hab' schon geflennt bei einem Distelstich. Dann hab' ich im Zahnschmerz geschrien; bin ungeduldig geworden in langwierigen Krankheiten und hab' einmal ein ganzes Jahr zu Gott gebetet, daß er mich sterben lasse. Es geschah kein Wunder; wie die Krankheit aus war, wurde ich gesund. Dann kam's innerlich, und das war was anderes! Nicht mehr an mich, an die Meinen machte sich das Unglück. Ich sag' dir nur von demselben Ostertag, an dem kein Rindel Brot und kein Stückel Fleisch in der Hütte war. Für was lauft's denn lebendig herum draußen im Schnee und hungert? Kann dem Rehbock geholfen werden und dem Menschen auch, denkt mein Großvater und geht mit der Büchse in den Wald. Dasselb' ist schon recht gewesen, aber am Ostermorgen haben sie ihn gefunden bei einem Stein, ist sein Gewehrkolben abgeschlagen, sein Kopf eingeschlagen gewesen. Im Walde haben wir ihn begraben. Meinen Vater hat eine totgiftige Schlange gestochen, meine Mutter – ich mag's gar nicht sagen, was sie der angetan haben. Meinen Mann hat der Wald selbst umgebracht, damit ein's sagen kann, 's ist alles zusammengespielt auf der Welt, den Menschen auf der Marterbank zu halten. Peter, ich hab' einmal auf geweihte Dinge viel gehalten, und eine breitgeschlagene Bleikugel, ein Andenken an den Urgroßvater, hab' ich angehängt gehabt. 's ist blöd, wenn man auf solche Sachen was setzt. Gebetet hab' ich, geflucht hab' ich, verzweifeln hab' ich wollen – all' eins ist's geblieben. Nun bin ich das Wesen, das ausschaut, als hätt's der Tod vergessen in der Einöd'. Aber das Mundwerk noch, und ich red' mit mir selber, und ich red' mit den Füchsen und Geiern. Nachher bild' ich mir wieder die alte Geschichte ein und red' mit Gott, und bitt' ihn um Verzeihung für alles; und er hat meinetwegen doch an keinem Härlein gelitten, ich hab' gelitten. Er soll mich um Verzeihung bitten, daß er mich erschaffen hat auf Erden zum Elendsein! – – Hui, wie du dreinschaust, Peter! Geht's dir 'leicht viel besser als mir? Glaub' nicht. Ist wer, der dir hilft? Kein Mensch. Dieses rote Steinl da am Herd und du, das ist der Welt just gleich. Und ob du dich erfreuest, oder ob du dich windest und krümmst unter den allergrößten Schmerzen, ob dein Weib verdirbt, deine Kinder zugrunde gehen – ist ihr just gleich, und ob du bist oder nicht bist – ist ihr just gleich. Wir wissen uns nicht zu helfen –«

      Die grauen Haarsträhnen hingen der Alten wirr über das Gesicht, die strich sie jetzt mit den hageren, halbnackten Händen zurück. Dann raffte sie aus einem Topfe eine Handvoll Samenkörner und hüstelte:

      »Schau, Heidepeter, das ist das best' Morgengebet!« und warf die Körner zwischen die Holzspangen eines kleinen Hühnerkäfigs, welcher unter der Herdstelle war.

      Die Hühner pickten die Körner auf, reckten dann ihre Kragen hervor und glucksten.

      »Oh, paß auf, Heidepeter!« fuhr das Weib fort, »die Einschicht-Res weiß noch ein anderes Morgengebet!«

      Nach diesen Worten schob sie den Deckel eines Holzzubers beiseite und zog aus dem Gefäße einen flatternden kohlschwarzen Raben. Diesen hielt sie über einen Block, ergriff mit der anderen Hand ein rostiges Messer und hackte dem Tiere den Kopf ab. Der Kopf schnappte noch im Finstern unter der Bank, der Körper aber flatterte in der dunkeln Hütte umher, prallte an die Wand, an den Ofen, fiel endlich an dem Türpfosten nieder und regte sich nicht mehr.

      »Das ist heut' mein Mittagsmahl, und mir bringen Raben die Speise vom Himmel wie dem heiligen Antonius«, sagte das Weib. Dann hielt sie den toten Vogel vor Peters Augen und rief: »Der Rabe hätt' noch lange leben können; er hat nichts Böses getan, er hat nur gelebt nach seiner Natur, und doch hat er nieder müssen von der hohen Luft auf das Fangbrett und ins Gefängnis hier, und doch hat er sterben müssen. – Und er hat zum Ersatz kein anderes, ewiges Leben – bei ihm ist alles hin. Und ich, sein Mörder, befinde mich jetzt wohl. Heidepeter, Heidepeter, es ist kein Gott ...«

      Wie

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