Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Felswälle der Wildschroffen ließen nichts Altes hinaus und nichts Neues herein. Was in der Einöde aufging, das war da, und dahin war, was in der Einöde zusammenbrach.

      Zapfenwirts Davidl wuchsen Haare im Gesicht. Man kann nicht sagen, er bekam einen Bart, denn die Haare waren sehr dünn verteilt über Backen, Kinn und Wangen, und sie waren lichtfalb, so daß das Gesicht ein gelbliches Aussehen bekam. Auf allen Sommersprossen und Muttermalen standen drei oder vier Härchen. Die Brillen waren etwas vergangen, und die grauen Augen sahen nur noch kleiner aus als früher. Die Nase hatte sich in den letzten Jahren scharf und spitzig gewachsen; die borstigen Haare waren stets kurz geschnitten. Einmal hatte ihm die Wirtin gesagt, daß er schier bräunliche Vorderzähne habe, und daß er sich deswegen gewöhnen wolle, den Mund zu schließen. Über diese Bemerkung riß der Bursche den Mund erst recht weit auf. Da hatte ihm die Zapfenwirtin auch einmal vertraut, daß es gut sei für das Zahnweh, wenn er sich jeden dritten Freitag die Fingernägel abbeiße; er hatte aber kein Zahnweh, und so biß er sich die Nägel nur, wenn Christenlehre war.

      Der Wirt bekam immer schwächere Augen und mußte sich demzufolge die meiste Zeit in der Gruft aufhalten; im Taglicht war er sehr grämig und mißmutig.

      Nur einmal hatte er einen rechten Freudentag. Davidl strich in der Stube am Brotkorb vorüber und schob in merkwürdiger Gewandtheit mit Blitzesschnelle zwei Semmeln in die Tasche.

      Da sagte sein Vater:

      »Schau nach, Davidl, es sind dir zwei Brote in den Sack gefallen. Eins kannst haben.«

      Fletschte ihm der Bursche die Zähne entgegen.

      Darauf der Alte:

      »Wart, du Grasel, ich fass' dich bei den Ohren!«

      Da erwischte der Junge einen Stiefelknecht und schleuderte ihn seinem Vater unter die Füße.

      Und als dies geschehen war, fiel der Alte dem Jungen fast um den Hals und rief:

      »Davidl, du bist doch mein Sohn, ich hab's ja meinem seligen Vater auch einmal so gemacht!«

      Am wohlsten war dem Zapfenwirt, wenn er seine böse Zunge loslassen konnte; er hatte hierin nach und nach die Fertigkeit seiner Ehehälfte erreicht. Der Gegenstand seiner Auslassungen war stets der Dalkerd, gegen den er alles aufzuhetzen suchte. Der Heidepeter war ja der Feind seines Hauses; oder hatte der Peter seit Bestehen in dem Wirtshause je soviel verzehrt, was drei Spatzen kosten? Hatte ferner der Peter nicht den Davidl mißhandelt, und hatte er nicht einmal das Fangeisen gelegt, wo der Davidl hineinsprang? War der Davidl nicht in jener Christenlehr' durch Heidepeters Kinder zuschanden geworden? Eine wahre Qual war es dem Wirt, wenn er hören mußte, wie von Gabriel gute Nachrichten gesagt wurden, und daß dem Burschen das Brot schier in den Honigtopf gefallen sei. Auch erzählte der Ameisler einmal, daß er seines Gedenkens noch keine Dienstmagd im Hause gehabt hätte, die so fleißig, folgsam und umsichtig gewesen wäre wie Heidepeters Regina, und daß das Mädchen, wenn es auch keinen Groschen mitbringe, doch einmal eine rechtschaffene Hausfrau abgeben werde.

      Der Wirt nickte dazu nur langsam mit dem Kopfe, als wollte er sagen: Schon recht, werden schon sehen. – Dann ging er in den Keller.

      Die Wirtin aber sagte:

      »Gut, wenn's wahr ist; ich wünsche der Regina nichts Schlechtes nicht; und ich wünsche keinem Menschen nichts Schlechtes; aber ich hab' kein Zusammensehen mit dieser Person; anstatt daß sie für ihre Vaterleut' Brot sammeln ging', trägt sie einen Sack voll Bettelstolz herum. So duckerisch wie der Heidepeter ist, hat sie's nicht gelernt. 's schaut völlig so aus, als wie wenn dasselb' Gered' wahr war' – daß – Man sagt der mühseligen Haut, der Klara, so was nicht gern nach; aber wenn halt der Apfel gar so weit vom Stamm fällt, so denkt man dran, man kann sich nicht helfen.«

      Einmal saß Davidl unter den Fichten und putzte mit Schmer die Spielkarten, weil sie schon zur Unkenntlichkeit schmutzig geworden waren. Da kam sein Vater herbei, setzte sich zu ihm auf die Lehmbank und sagte süßlich:

      »Davidl!«

      Der Bursche sah nicht auf, er hatte immer Ärger, wenn ihn eins von seinen Eltern ansprach.

      »Davidl,« fuhr der Alte fort, »du bist ein verteufelter Junge! Du, was sagst denn zu der Ameishüter-Regina?«

      Davidl glotzte den Vater an und riß den Mund auf.

      »Davidl, in deinen Jahren hab' ich's ein bißchen anders getrieben als du. Jeden Unterrock hab' ich gekannt in der ganzen Gegend. Deine Mutter weiß es. Da war auch so eine Stallmagd beim Ameishüter – so recht eine fromme und augenverdreherische, daß man gemeint hat, sie hätt' ihre Jungfrauschaft in einen Pechöltopf tan und mit einem roten Bandel zubunden. Sind wir unser drei, vier Burschen einmal gesessen im Wirtshaus beisammen, haben Silberzwanziger in einen Hut geworfen und es ausgemacht: Wer der Stallmagd das rot' Bandel aufzwickt, weißt eh, der kriegt neun Maß Wein und einen doppelten Gamsbart auf den Hut. Ist im Winterfasching gewesen, und zu Weihnachten drauf haben sie der frommen Stallmagd beim Ameishüter das rot' Bandel mit der Scher' abzwickt. Ich hab' den doppelten Gamsbart gewonnen. Das waren dir Zeiten, Davidl! Heutigentags ist alles ein wahrer Totengräbertanz, und die jungen Burschen rutschen nur mit den Spielkarten herum und haben kein' Hitz und kein' Kurasch!« Dann stieß der Alte seinen Sohn ein wenig mit dem Ellbogen: »Die Regina, du, das wär' ein Schluck!«

      Davidl grinste und rieb eifrig an den Karten, und an dem Herz-Aß rieb er sehr lange – das wollte durchaus nicht licht werden. –

      In denselben Tagen verbreitete sich in der Einöde ein sonderbares Gerücht. Niemand wußte, wer es zuerst gesagt hatte, aber man hörte es allenthalben, und man verbreitete es allenthalben.

      Berichte aus der fernen Hauptstadt waren ihm vorangegangen. Nach Rattenstein war ein Zeitungsblatt gekommen, und darin stand ein langer Aufsatz über Gabriel, des Heidepeters Sohn. Fremde, die in Rattenstein durchreisten, erkundigten sich nach Gabriels Geburtsort und sagten, der Bursche aus dem Heidehause sei ein berufener Mann geworden und werde seiner Heimat Ehre bringen.

      Von anderer Seite hieß es wieder, es wäre siebenmal gescheiter gewesen, wenn Gabriel in der Einöde geblieben wäre und den Eltern tüchtig hausen und bauen geholfen hätte. Das fände man sonst nirgends, daß ein Haus in fremde Hände käme, wenn einmal die Kinder arbeitsfähig, und so was könne sich nur beim Dalkerd zutragen. Daß dieser Bursche seine darbenden Eltern verlassen habe und in die Fremde gegangen sei, habe er nur getan, daß er offen von dem heiligen Glauben abfallen könne – wie die Städter denn schon alle ohne Religion und Gewissen seien. Gabriel sei ein schlauer Bursche, man würde schon noch andere Dinge von ihm hören.

      Dann fragte man sich, ob es denn wahr sei, daß bei Gabriels Geburt sein Vater im Gefängnisse saß; ja, das sei schon ein rechtes Zeichen. – Man könne sich auch sonst noch Geschichten erzählen von den Heidepeterischen, aber aus Christenliebe schweige man davon. Es könnte sich nach dem, was in jener Nacht mit der Schulmeisterleiche vorgefallen, so jeder denken, mit welchen Dingen das zuging. Die Kinder haben ihre Gelehrtheit fertig gehabt, das Brot ist zuwenig gewesen, und so ist der Alte überflüssig gewesen. Sie haben ihn – lebendig begraben.

      Und das war das Gerücht.

      Der Schulmeister hatte sich ja auf der Bahre noch bewegt, sie wußten es zu vertuschen, und eine gerichtliche Totenschau unterblieb, wie sie in der Einöd' öfters unterbleibt. Wer konnte jetzt kommen und widerlegen, wenn die Leute behaupteten: Sie haben ihn lebendig begraben!

      Mit Fleiß lebendig begraben, den guten, alten Mann! Darum all das Unglück, das über das Heidehaus hereingebrochen ist!

      Und

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