Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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oder verspottet, oder gequält, aber beachtet haben dich alle. Hier verschwindest du und bist nichts; ob du lebst oder stirbst, es fragt kein Mensch nach dir.

      Ein Trommeln und Wirbeln übertönte plötzlich allen anderen Lärm, und viele Leute eilten einem großen Bretterbaue zu, der zwischen wilden Kastanienbäumen stand. Auf diesem Baue waren weißrote Fähnlein und Fahnen gepflanzt; an den Wänden waren große Gemälde von Schlachten, Schiffsbränden, wilden Tieren und Menschen in den wunderlichsten Stellungen. Über einem roten Vorhang, zwischen welchem Spiegel und brennende Luster schimmerten, stand groß hingeschrieben: »Das Universum!« Und ein Mann in buntem Anzuge, der auf einem hohen Gestelle stand und die Trommel handhabte, schrie: »Das Universum, meine Herrschaften! Alle Hauptstädte der Erde, alle sieben Weltwunder, drei feuerspeiende Berge und ein Seesturm, die Völkerschlacht bei Leipzig und das brennende Moskau um zehn Kreuzer! Ferner alle Merkwürdigkeiten der Tierwelt, der Drache mit den sieben Köpfen, das Krokodil, der Walfisch, der den Jonas verschluckt hat, alles um zehn Kreuzer! Und im Extrakabinett das himmlische Jerusalem; die babylonische Schöne – unvergleichlich, meine Herrschaften!« – Die Stimme war heiser, es versagte der Atem. Mit einem Lappen wischte sich der Marktschreier den Schweiß vom Antlitz, und dabei vernichtete er die rote Schminke, und nun marktschreierte er mit fahlen Wangen. Dann wieder rührte er die Trommel, und die Menschen strömten in das hölzerne Haus.

      Das Universum! Wanderer von der Einöde, die ganze Welt auf einmal und um zehn Kreuzer!

      Gabriel stand in einem Winkel neben dem Eingang, hielt sein kleines Bündel unter dem Arm und legte die Hand an das Kinn, wie sein Vater tat, wenn er einen schweren Gedanken hatte. – Um zehn Kreuzer! – Ja, wenn das Ding billiger wäre! Zehn Kreuzer ist ein Teil seines Vermögens.

      »Um fünfe darf einer nicht hinein?« fragte er einen Mann, der in kohlschwarzen Kleidern an der Pforte stand.

      Dieser sah den Burschen eine Weile an, gab ihm aber keine Antwort.

      »Wenn Ihr mich nicht hineinlaßt, so tut mir die Gefälligkeit und sagt, wo der Professor Frei zu finden ist. Ich bin ganz fremd da und kenne keinen Menschen. Ich bin weit von der Einöde her und will mich umsehen in der Welt und was Neues probieren.«

      »Den Professor Frei weiß ich nicht, aber –« Der Mann mußte immer Karten abnehmen und konnte deshalb nicht weiterreden. Als niemand mehr kam und der größte Menschenhaufen sich verlaufen hatte, wendete er sich gegen Gabriel, und mit einer fremdartigen Stimme, welche die Worte nur so herausstieß, sagte er:

      »Die Welt wollen Sie ansehen, junger Mann, und was probieren wollen Sie? Heißa, dazu gibt's die herrlichsten Wege. Parbleu, junger Mann, kommen Sie mit uns! Unser sind wir einige fünfzehn – junge, tolle Bursche, Kerle wie der Blitz, hallohei! Mit Sang und Klang gehn unsere Straßen über Laub und Meer, und in allen großen Städten sind wir zu Haus!«

      Der Mann strich sich den schwarzen Knebelbart, ein Lächeln zuckte über sein braunes Gesicht, seine dunklen Augen funkelten, und lebhaft schüttelte er seine langen, zurückgekämmten Haare.

      Gabriel stand da und wußte nicht, was er sagen sollte.

      »Künstlerleben!« – fuhr der Schwarze fort, »verstehen Sie's wohl? Eine ganze Welt zu eigen haben und ein Universum noch dazu, potz Himmel und Morgenstern, das soll uns der Kaiser von China nachmachen! Maulwürfe sind sie alle, die da graben und sich verkriechen hinter den Ofen, hinter den bestaubten Kodexen, hinter den Zifferbuden. Der Künstler ist der Mensch! Kunst und Universum! So kommen Sie mit uns!«

      »Das wär' schon recht, 's ließe sich überlegen,« meinte Gabriel, »reisen hätt' ich schon lange mögen. Wenn ich nachher wieder zurückkomm' zu meinen Eltern und der Müh' wert was profitiert hab'?«

      »Ha, profitiert haben!« rief der andere und versetzte dem Burschen einen derben Handschlag auf die Achsel. »Ein Mordskerl wie Sie, frisch wie 'ne Gemse, kuraschiert wie ein junger Löwe, Ihnen kann's auf Ehre gar nicht fehlen! Sie haben auf unseren Reisen Gelegenheit, sich die umfassendsten Welt- und Menschenkenntnisse zu erwerben, sich in allen Zweigen auszubilden, alle erdenklichen Genüsse zu kosten, auszuschlürfen, mit einem Worte, manneswürdig zu siegen. Und um einen Malefizjungen, wie Sie einer sind, parbleu, zerfleischen sich ja alle Weiber!«

      Gabriel blickte zu Boden und errötete ein wenig.

      »Spaß apart!« sagte der Schwarze und faßte den Burschen bei der Hand. »Ich bin Eigentümer des Panoramas und brauche gegenwärtig einen jungen Mann von Ihrem Schlage. Sie sind bei mir gehalten wie mein Sohn, sie wohnen in meinen Etablissements und speisen an meinem Tisch. Ich versorge Sie mit Kleidern und allem, was Sie bedürfen, und die Arbeit, der Sie zu obliegen haben, ist ein reiner Pappenstiel. Täglich die Bilderrollen aufziehen, die Guckgläser reinigen, die Transparentlichter besorgen und ein paar Plakate anschlagen. Sie erhalten entsprechende Gage, und in ein paar Jährchen sind Sie ein versilberter Mann. Zudem versteht es sich von selbst, daß Sie mir nicht verpflichtet sind, daß es Ihnen jederzeit freisteht, die Verbindung zu lösen. Also topp!«

      Gabriel blickte auf den Stand und schupfte mit dem Stocke ein Steinchen hin und her. Endlich warf er seinen Kopf empor und sagte:

      »Ich werde früher den Professor Frei fragen.«

      »Wie Sie wollen,« versetzte der Panoramabesitzer, »Professor Frei wird Ihnen dasselbe sagen, und zudem garantiere ich Ihnen nicht, ob ich Ihnen bis morgen die Stelle reservieren kann. Wenn ich will, hab' ich in ein paar Stunden drei solche Bursche, und wenn ich zehn brauche, bin ich auch nicht verlegen. Nu, Sie gefallen mir just, und ohne daß ich erst frage, wer Sie sind, wie Sie heißen, biete ich Ihnen die möglichsten Vorteile an, mit denen Sie gewiß zufrieden sein werden. Also junger Freund, topp!«

      Zu verlieren, meinte Gabriel, hätte er nichts. Die Welt kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln, sei er ausgezogen, und so wolle er denn einschlagen.

      Auf der Gant

       Inhaltsverzeichnis

      Und wie ging's in der Einöde, als er fort war?

      Oft, wenn stiller Feierabend, verließ Regina das Haus und ging hinab gegen die Kapelle, die verlassen und halb verfallen dastand, zwischen Erlengebüschen und hohen Föhren.

      An einem rostigen Türnagel hing ein Weihwassergefäß. In dieses tauchte das Mädchen stets die Finger ein, besprengte sich das Gesicht und sagte halblaut:

      »Jetzt gehe ich in das heilige Haus Gottes ein, die weltlichen Gedanken sollen weit von mir sein – hier bin ich vor Gott in der Ewigkeit!«

      Dann kniete sie nieder auf ein Querbrett und sah zum uralten, in Einfalt gezierten Frauenbild auf. Sie betete:

      »Himmelskönigin Maria, dein Bild verehr' ich, und zu dir ruf' ich, weil mir so bang ist im Herzen. Mein Vater ist arm und kann sich nicht helfen, weil ihn das Unglück verfolgt, weil ihn die Leut' verfolgen, und jetzt wollen sie uns gar das Haus wegnehmen und uns hinausstoßen aus dem eigenen Dach! Meine Mutter will mir erblinden, und sie weint auch so um den Gabriel. Jungfrau Maria, und das ist auch mein größtes Anliegen, meine Bitt', beschütz' mir doch meinen Bruder in der Fremde. Ganz unbekannte Leut' haben ihn fortgerufen, und ich weiß nicht, was sie mit ihm tun. O heilige, reine Gottesmutter! Jeden Samstag einen Kranz von Rosen und Marin, den flecht' ich deinem Gnadenbilde hier, wenn du meinem Bruder beistehst allzeit, weil ja ich nicht bei ihm sein kann, und weil er gewiß niemanden haben wird, der ihn pflegt und auf ihn Obacht hat. Und jetzt bet' ich auch noch für mich, daß du mich fromm und geduldig sein lassest: die Leut' bringen

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