Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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eine Ehre oder eine Beschämung, daß er, der junge Zapfenwirt, jetzt so vor allen Einödbewohnern das Vaterunser sagen sollte.

      »Sei gescheit, Davidl!« flüsterte die Schänkin in Todesangst, und plötzlich begann der Bursche:

      »Va druns erd bis nim gal werd nam gums reich wilg sche niml al sauf erscht; gims heit ste brod gims un schul alsa mir va gen schul gern sir nit vers an les al nibl amen.«

      Genau so wird das heilige Gebet in manchen Gegenden hergeplappert – nicht hochdeutsch, nicht Mundart, bloß ein mechanisches Zungenspiel; das kommt von dem Mißbrauche der unzähligen Wiederholungen im »Rosenkranz«.

      Und genau so hatte es Davidl gesprochen, so daß der Provisor den Kopf schüttelte und den Haberturm fragte: »Habt Ihr ein Wort verstanden?«

      »Verstanden dasselb' just nicht,« antwortete dieser, »aber das Vaterunser ist's gewesen, dasselb' weiß ich.«

      »Dort hinten sitzt eine liebliche Jungfrau,« rief der geistliche Herr, der heute einmal sehr gemütlich sein wollte, und deutete auf Regina, »diese wird uns gewiß das Vaterunser schöner sprechen!«

      Davidl zog ein merkwürdiges Gesicht.

      Regina stand sittsam auf und sagte ruhig und deutlich mit mildem, innigem Tone das Gebet des Herrn.

      Die Versammlung hatte den Atem angehalten und den Worten gelauscht, als seien sie eine Himmelsbotschaft und zum ersten Male gesprochen worden in der Einöde.

      »Heidepeters Tochter?« sagte der Provisor.

      »Heidepeters Regina!« murmelte es in der Menge. Der Heidepeter duckte sich ein wenig hinter seinen Machbar, und er legte die Hand ans Kinn und tat wieder jene krampfhaften Atemzüge, von denen kein Mensch wußte, war es Lachen oder Weinen.

      »Dein Dirndl ist rechtschaffen brav!« lispelte ihm der Nachbar zu.

      »Ich könnte nun die Christenlehre eigentlich schließen,« sagte der Provisor, »denn Heidepeters Regina hat das Gebet nicht allein gesprochen, sie hat es durch die richtige, schöne Betonung auch erklärt.« Hierauf sprach er, wie das Vaterunser ein gar wunderbares Gebet ist, welches sich nicht durch Worte auseinandersetzen und verständlich machen läßt, sondern nur durch den Hauch des Gemüts, und er redete noch manches über einzelne Sätze dieses Gebetes.

      »Ferner,« fuhr er fort, »eine Handlung, die wir des Tages fast ebensooft begehen als das Abbeten des Vaterunsers, ist das heilige Kreuzzeichen. Das ist das Siegel aller unserer Andachtsübungen und guten Werke, und auch wir wollen heute das unserige damit beschließen. Der Rotschopf dürfte ungehalten sein, wenn wir ihm nicht das Recht ließen, uns das heilige Kreuzzeichen schön und deutlich zu machen. Nun, Rotschopf?«

      »Das Kreuz sollst machen, Davidl!« lispelte die Wirtin wieder.

      Der Bursche war ganz verwirrt; erbittert zerrte er an seinem feinen Beinkleid, das nicht einmal imstande war, ihn, den jungen Zapfenwirt, gegen solch unerhörte Zumutungen zu schützen. Endlich hob er die Hand und fuhr sich im Zickzack über das Gesicht.

      »Nun, so zeig' den Einödern einmal das Kreuzzeichen!« rief der Provisor.

      Davidl riß den Mund auf, und dieser verlängerte sich weit in die Wangen hinein, und die gelben Augenbrauen zuckten, und die kleinen Augensterne verkrochen sich in die Höhlen.

      Endlich machte er mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit wieder das Zickzack über das verzerrte Gesicht.

      Der Anblick brachte die ganze Versammlung zu einem lauten Auflachen. Der Provisor aber sagte: »Junge, komm' am Sonntag hinaus nach Rattenstein; des Baders dreijährig Bübel wird dich das Vaterunser und das Kreuzzeichen lehren. Schäme dich!«

      Das war zuviel.

      »Komm', Davidl,« zeterte die Wirtin, »hab' gemeint, der Herr Provisor wollt' uns heut' eine Christenlehr' halten, jetzt ist eine Schimpfschul' daraus geworden, und du sollst sein Spottmandl sein. Dazu bist du nicht da, das sag' ich! Komm', Davidl!«

      Der Bursche machte eine unbeschreibliche Gebärde gegen den Priester und lief davon.

      Der Provisor blickte ihm nach und suchte dann wieder seine gemütliche Miene zu gewinnen.

      »Lebensart gibt's in der Einöde nicht zum Überfluß,« sagte er, »aber man muß euch manches zugute halten. Indes sind wir mit dem Kreuzzeichen noch nicht fertig; wenn ihr, wie ihr gern sagt, ein großes Kreuz tragt im Leben, so wird man wohl auch das Kreuzzeichen bei euch finden. Der Bursche neben der Regina! Bist du nicht der Heidepetersohn? Der Gabriel Stammer? Schön! Zeig' uns das Zeichen des Kreuzes! – Brav! – Ich höre, du bist ein weiser, vielbelesener Mann, der sogar dichten kann; erkläre uns einmal das heilige Kreuzzeichen!«

      Gabriel hatte sich von dem Rasen erhoben; aller Augen waren auf ihn gerichtet.

      »Ich habe über das Kreuzzeichen nur das gelesen, was in dem Katechismus davon steht,« begann der Bursche, »aber ich habe darüber auch sonst nachgedacht. Es erinnert mich an die heilige Dreifaltigkeit, an die Schöpfung, Erlösung und Heiligung. Und das dreifache Zeichen erinnert mich auch an Glaube, Hoffnung und Liebe; an Glaube und Hoffnung denke ich, wenn ich die Kreuze über das Angesicht mache, und bei dem Zeichen auf der Brust, am Herzen, denke ich an die Liebe.«

      Gabriel schwieg. Die Leute nickten einander mit den Köpfen zu, und der Heidepeter duckte sich wieder ein wenig hinter seinen Nachbar nieder und strich sich den Bart.

      »Recht schön!« versetzte der Priester kalt, »aber der Liebe gibt es verschiedene Arten, du meinst doch wohl die Liebe zu Gott?«

      Gabriel zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann entgegnete er mit einer gewissen Lebendigkeit:

      »Auch die Liebe zu den Menschen. In den Menschen können wir Gott lieben, denn wir haben kein getreueres Ebenbild Gottes als die Menschen. Darum ist es überflüssig, daß wir mit unseren Händen uns leblose Bilder machen von ihm; Gott ist allgegenwärtig, ist in allen seinen Geschöpfen, sagt der Glaube. Durch die Liebe und Verehrung der toten Zeichen aber vergessen wir nur zu leicht auf die Liebe zu den lebendigen Geschöpfen Gottes auf der Welt. – So denke ich mir, und so hab' ich's ausgesprochen, weil mich Euer Hochwürden darum gefragt haben.«

      »All mein Lebtag hinein, jetzt kann der predigen«, sagten die Leute zueinander.

      Der Provisor war von seinem Platz aufgestanden, winkte mit der Hand, daß Gabriel vortreten möge und sagte dann halblaut, aber so, daß es die Umstehenden noch hören konnten:

      »So ist's denn doch wahr, daß mit diesem Bieder Unheil in die Einöde gekommen! – Ich ahnte es schon lange, aber in der Hoffnung, daß du zur Vernunft kommen würdest, schwieg ich.« Und zu den Leuten: »Wie ich hörte, soll er eine Anzahl Bücher besitzen; ist das so, dann trage ich euch auf, dem Jungen die Bücher wegzunehmen und sie an mich abzuliefern. Einödbewohner, ihr wollt doch keinen Irrgläubigen in eurer Mitte?«

      Da ging ein Murren durch die Versammlung gegen Gabriel.

      »Nun gut,« fuhr der Geistliche fort, »ihr habt die Worte des Burschen gehört; sie sind Worte der neuen Lehre, die anstatt Liebe zu Gott, Liebe zur Welt predigt!«

      »Ich möchte noch ein Wort reden!« sagte Gabriel, aber da schrie die Menge aufgebracht:

      »Still sei, du Heide! Davonjagen wird man dich. Solche Leut'

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