Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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der Hinterschupfe auf die Hanselbank und schrieben einander kleine Briefe.

      Dann wieder erzählte Rudolf seinem Freunde im Vertrauen, daß er nicht bloß Lesen und Schreiben lerne, sondern auch eine andere Wissenschaft – das Kochen.

      »Dich hat Gott zum Hausmutterl erschaffen,« sagte Gabriel lustig, »wenn ich Heidebauer werde, ich nehm dich!«

       * * *

      Und was hatten die zehn Jahre im Heidehause getan?

      Dem Peter hatten sie eine erkleckliche Anzahl grauer Haare gebracht, und Klara hatten sie, gottlob! doch nicht mit sich genommen. Der Tod war wohl mehrere Male ums Haus herumgeschlichen; einmal um Mitternacht hatte er just vor dem Fenster die Sense gewetzt, und der Uhu hatte geschrien auf den Tannen. Da lag Klara im Bett, blaß und still, und der Peter stand daneben und hielt ihr, sich selbst den Atem versagend, ein Stück Spiegelglas vor den Mund.

      Und das Spiegelglas wurde ein wenig trüb – eine stille Botschaft, daß die Tage der Trübsal dem armen Weibe noch nicht vorüber.

      »Gottlob!« wie der Peter stets sagte, »wenn sie auch mühselig ist, wenn sie auch herumhumpeln muß mit der Krücke, weil ich sie nur noch hab'! Was tät' ich denn, wenn mein Weib nicht wär'! Die Zung' ist ihr freilich schwer seit dem Schlagfall, aber wir verstehen sie schon.«

      Klara hatte in diesen zehn Jahren die Ihren wohl tausendmal starr angeblickt und gestammelt:

      »Mich deucht, 's ist nicht mehr so licht auf der Welt wie eh'dem; ich seh' wohl alles noch, aber die Sonn' will nimmer so hell scheinen, und mir ist's, als wollt's allweg dämm'riger werden.«

      War denn die Gesundheit nicht mehr zu erlangen?

      Wo in der Umgegend ein Arzt zu erfragen gewesen war, da hatte ihn der Peter aufgesucht. Gut wird's wohl recht langsam werden, hatten alle gesagt – so hoch waren sie studiert. Der Peter verkaufte ein Fahrnis um das andere und bezahlte die Medizin.

      Da war einmal die alte Kleesam-Kathi gekommen, und die hatte von einem Wunderdoktor erzählt, der weit draußen hinter dem Gebirge lebte. Der Peter band sich einen Laib Brot auf den Rücken und ging tagelang.

      Es war zur frühen Sommerszeit; die Natur prangte in reicher Kraftfülle, jedes Pflänzlein am Wege atmete junges Leben – und Peter suchte die Gesundheit für seine Gattin. Allweg trug er den breiten Hut in der Hand und betete; mit den fremden Menschen konnte er ja nicht reden, der liebe Gott allein verstand ihn. Der liebe, Gott, zu dem er gebetet in den Tagen seines Glückes, und der stets seine Zuversicht war zur Zeit der Drangsale.

      »Gelt, du mein himmlischer Vater!« rief er oft, »'s ist nicht dein Ernst, daß ich so in das Elend soll kommen; du willst mich nur probieren, ob ich nicht verzage. Bin ja mit allem zufrieden, nur einen Gefallen tu mir, wenn's dir nicht gar zu hart ist, meine Klara laß mir noch ein Eichtel!«

      Als er endlich zum Wunderdoktor kam und ihm sein Anliegen klagte, nahm dieser eine Prise zwischen die zwei Finger und, noch bevor er schnupfte, sagte er:

      »Wird nichts nutzen, Bauer, ihr vertut umsonst Euer Geld. Geht nur gleich heim, daß Ihr Euer Weib noch beim Leben trefft. Wenn Ihr schnupft, so warte ich mit einer Prise auf.«

      Aber der Heidepeter schnupfte nicht, er ging wieder gegen sein Gebirgsland und ging Tag und Nacht.

      Und als er zu seinem Hause kam, schimmerte ein Öllicht durch das Fenster, und in der Vorlaube lag eine Leiche.

      Der alte Schulmeister, seit seiner Verbannung gebeugt, lange schon mühselig, war eines Morgens in seiner Oberstube nicht mehr aufgestanden. Regina hatte ihm die Suppe gebracht und gelispelt:

      »Herr Schulmeister! Herr Schulmeister! – Was Warmes hab' ich da!«

      Und da er sich nicht rührte und sie ihn näher ansah, ließ sie die Schale fallen, stürzte davon, kollerte beinahe die Stiegen hinab, eilte wortlos an der Mutter, die auf einem Holzblocke saß, vorüber und hinaus in den Stall, wo Gabriel Streu legte.

      »Gabriel!« stieß das Mädchen fast atemlos heraus, »tu jetzt die Gabel weg und erschrick nicht. Der Schulmeister ist gestorben.«

      Gabriel lehnte die Gabel an die Wand und setzte sich auf den Futterkarren. Er sagte kein Wort, er starrte auf die grünen Reiser am Boden, es zitterten ihm alle Glieder. Endlich berieten sich die Geschwister, wie sie das Unglück der Mutter mitteilen sollten, daß sie nicht zu sehr erschrecke. Da rief Mutter Klara schon den Namen: Regina, und was denn das sei, daß heute der Schulmeister solange schlafe?

      Gabriel lief zum Haberturm, auf daß Leute kämen, um die Leiche aufzubahren, denn seit der Bursche erwachsen war und sich auch Regina im Haushalt schon gut verwenden ließ, war im Heidehause kein Dienstbote mehr.

      So wurde der Greis in der Vorlaube aufgebahrt, und am Abend kamen Leute aus der Nachbarschaft und hielten unter Beten und Singen die Leichenwache.

      Da war der Regina eingefallen:

      »Gabriel,« sagte sie, »wenn in dieser Nacht der Vater heimkäme und machte die Tür auf und sähe so jäh die Leiche!«

      Darauf ging Gabriel hinaus hinter die Tannen, wo der Weg über die Weide hereinzieht, und stand dort die halbe Nacht hindurch, um den heimkehrenden Vater auf den Todesfall vorzubereiten. Plötzlich aber rief Regina: »Geh nur her, Gaberl, der Vater ist schon da!«

      Und da saß der Vater in der Küche neben seinem Weibe und sagte mit schwankender Stimme:

      »Wie geht's dir denn, Klara, bist besser?« Dann nahm er sie bei der Hand: »'s hat mich wohl ein wenig gestoßen, wie ich das Kerzenlicht hab' gesehen, draußen, und das weiße Tuch!«

      In der Stube sangen sie geistliche Lieder. Der Peter suchte auch sein krankes Weib zu bewegen, daß sie singe, wie sie früher gern gesungen habe, und wie das so schön gewesen.

      »Mann, aber sei nicht so einfältig,« entgegnete Klara etwas lallend, »wie könnt' denn ich singen? Täten mich ja all auslachen, mir ist schon der Stimmstock umgefallen.«

      Dabei zog sie ihr Kopftuch zusammen und brummte leise mit, als die anderen sangen. Das Singen war einst ihr Liebstes gewesen auf der Welt, und sie war zu allen Hochzeiten und Leichenwachen geladen worden, weil sie schöne alte Lieder wußte und eine liebliche Stimme hatte.

      Sie kannte auch das Lied, das jetzt in langsamen, traurigen Tönen erscholl; die Leute hatten es ja von ihr. Aber heute lud sie niemand zum Singen ein.

      Die anderen oblagen gesellig den geistlichen Verrichtungen, aßen Weißbrot, tranken Milch, womit sie von Regina bedient wurden, und vergaßen das Ehepaar, das in der dunkeln Küche zusammen saß.

      Wenn auch einer ausgestreckt liegt auf dem Brette und allen Menschen das Maß gibt zu ihrem Sarge, so kann das den Übermut der Lebendigen nicht immer ersticken. Regina mußte sich von den Burschen manch mutwilliges Wort gefallen lassen, dem sie nicht ausweichen konnte, solange sie heute als Gastwirtin bedienen mußte; sobald sie nur abkam, flüchtete sie sich in die Küche und legte ihren Arm sanft um den gebeugten Nacken ihrer Mutter und fragte wiederholt den Vater, was der Arzt in der Fremde denn gesagt habe.

      Regina war ein dreizehnjähriges Mädchen, hold und fromm, das niemand kannte als Vater und Mutter und Bruder, das nur den alten Lehrer noch geliebt hatte, der ihm ja so viel Gutes in die Seele gelegt.

      Wie

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