Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Ich weiß es gewiß, hab's vom Bader selbst.«

      Der Junge lief davon.

      Gabriel begann laut zu weinen, aber der alte Mann drückte ihn an seine Brust und sagte mit zitternder Stimme:

      »Du gutes Kind, das war ein Lügenwort. Aber ich bitte dich, sag's nicht daheim. Sei ruhig, mein Knabe! Den Wirtsbuben wird Gott strafen, du sei gesegnet. Bleib' gut, mein Gabriel, bleib' mir nur du gut!«

      Der Greis küßte den Knaben auf die Stirne.

      Nach zehn Jahren

       Inhaltsverzeichnis

      Was ändert sich in einer kleinen, ringsum abgeschlossenen Gemeinde in zehn Jahren? Ein Dutzend Sargdeckel werden zugeklappt, der Taufsteindeckel wird einige Male aufgemacht, ein paar Invaliden kommen heim, ein paar Rekruten jauchzen in die Welt hinaus. Eine oder die andere Hütte brennt ab, da und dort wird eine neue gebaut. Alles übrige holpert in gewohnter Weise fort, wie in der Vergangenheit, wie in der Zukunft, wie immerdar.

      Alljährlich wachsen die Erdäpfel, alljährlich grünt das Haferfeld, doch nicht alljährlich reift es vor dem Schnee.

      Aber Not und Entbehrung, Zwist und Tücke blühen und reifen jahraus, jahrein, und das Wirtshaus steht offen jahraus, jahrein.

      Und alles ist älter geworden um zehn Jahre, es wäre denn in dieser Frist geworden oder vergangen.

      Die Zapfenwirtin aber ist dieselbe geblieben. Sie ist stets wohlauf und die erste und letzte im Hause; sie ist höflich mit den Gästen – heißt das, mit den anwesenden –, sie spricht gern von den Abwesenden und weiß täglich funkelnagelneue Geschichten, die sie gehört hat, die, wenn sie wahr, ganz außerordentlich sind, die sie aber nicht weitersagen will, die sie aus purer Freundschaft und im Vertrauen auf Verschwiegenheit nur dem mitteilt – nun, der eben in der Schankstube sitzt.

      Die Zapfenwirtin ist den Gästen gegenüber die Gemütlichkeit selbst, bis es zur Zechrechnung kommt, bei welcher aus reiner Ehrfurcht vor den Gästen die Gemütlichkeit aufhört. Man sagt, sie könne kein Wort schreiben, aber die Ziffern macht sie wie eine; nur daß sie mitunter von all den Wirtschaftsgedanken und außerordentlichen Neuigkeiten zerstreut ist und anstatt des Sechsers einen Neuner macht – du lieber Gott, wenn eins die Gedanken überall haben soll, so ein Dingelchen ist leicht verkehrt und sieht lieber auf dem Fuß als auf dem Kopf.

      Ihr Mann ist bei weitem nicht so umsichtig. Wenn er auch zuzeiten bei den Gästen sitzt und die längste Weile seine Pfeife stopft, so weiß er nichts Rechtes zu erzählen, er scheint eben immer an das Pfeifenstopfen zu denken. Zwar sagt er nicht: »Ist ein schöner Tag heut'!« – sondern er gibt das viel getragener und ruft aus: »Nein, das muß man sagen, eine wunderherrliche Zeit jetzt, und die Sonne scheint alleweil so warm.« Er tut auch nicht die etwas einförmige Frage: »Wie geht's denn allweg, Vetter?« – sondern er lächelt: »Nu, wie schlägt's an? – Wie macht sich's Geschäft? – Ja, der liebe Gesund, das ist das Beste.« – Aber es kommt kein rechtes Leben in das Gespräch, und die meisten Gäste gehen nach dem ersten Glase davon. Wenn die Wirtin in der Stube ist, brummt sie bei sich:

      »Nein, aber der Langweilig' mit der Beichtzettelnase vertreibt mir heut' die Gäst' wieder allsamt.« – Und laut sagt sie: »Du, Alter, 's kommt mir vor, als hätt' dich draußen wer gerufen.«

      Und der Alte weiß wohl, von wannen die Stimme kommt; er geht hinaus und mit verschränkten Armen ein wenig im Hofe umher. Aber das grelle Taglicht tut seinen rotunterlaufenen Augen nicht wohl, und da steigt er denn dann und wann in den dunkeln Hauskeller oder er schleicht gar hinüber zur Kapelle und tastet die Stufen hinab in die Gruft. Und da ragen sie der Reihe nach, die runden, bauchigen Särge; in einigen gärt es noch, in anderen ist es stille – Grabesruhe. – Sind aber nur scheintot, die Aufgebahrten hier, in jedem schlummert noch der Geist, der Erlösung und Auferstehung harrend. Der Zapfenwirt verweilt gern in dieser Gruft, und er wagt nicht selten ein verwegen Spielchen mit den Geistern.

      Diese Spielchen und die schattige Kühle tun dem Zapfenwirt immer wohl, aber wenn er endlich wieder heraufklettert aus den Kellerräumen, so kann er das grelle Licht schier nicht ertragen, es schwindelt ihm so, er taumelt – muß ins Bett gehen. Und wenn der Zapfenwirt in seinen Federn ruht, da ist für ihn eine schöne, friedliche Zeit.

      Die Zapfenwirtin geht, wie sie sagen, wohl schon auf ihren letzten Füßen, aber ihr Ehegespons geht eben auch nicht mehr auf den ersten. Indes hegt er zuzeiten ihretwegen noch manch gelinden Zweifel. Nicht ohne innere Unruhe stand der Zapfenwirt oft da und sah sein Söhnlein, den Davidl, an. Drei Eimer aus seiner »Gruft« hätte er gegeben, wenn Davidl gleich ihm eine »Beichtzettelnase« trüge. Aber der Gesichtsvorsprung des Jungen hatte ganz andere Formen, nicht die schmale, dünne Gesichtskante, die man in der Gegend Beichtzettelnase nennt, sondern eine fremde, stumpfwulstige Nase hatte der Davidl. – Weiß Gott, die Weiber! und erst die Schänkinnen!

      Davidl ist ein erwachsener Bursche geworden, hat aber noch immer die zerzausten Fuchshaare. Sein Mund ist nicht zu schmal und nicht zu enge und läßt die strohgelben Zähne sehen, die in verschiedenen Richtungen aus den Backen stehen. Die Wangen sind bereits ein wenig eingefallen und zeitweise von gelblichgrüner Farbe; um die Oberlippe liegt dunkler Bartanflug. Um die Augen hat er bläuliche Ringe bekommen, weswegen ihn boshafte Leute den Brillen-Davidl nennen. Die Zapfenwirtin aber heißt ihn den »jungen Herrn«, wie recht und billig, maßen er bestimmt ist, über kurz oder lang das Zapfenwirtshaus zu übernehmen. Vorderhand führt freilich noch die Wirtin das Regiment, und 's gibt Zeiten, in welchen sie mit ihrem Sohne in Zank gerät, ihn einen Taugenichts, einen Lumpen nennt. Davidl widerspricht ihr nicht hierin, sondern heißt sie kurzweg eine Schnattergans oder eine alte Vettel. Trotzdem zieht er regelmäßig den kürzeren, und die Zapfenwirtin schlägt in trauten Stunden Besenstiele ab auf seinem Rücken. Die Folge davon ist, daß der Davidl auf eine der alten Fichten klettert und dort in der dichten Krone bei einem Geierneste zu verharren beschließt, bis er verhungert und verdorrt wie die Zapfen herabkollert auf das Dach seines Vaterhauses.

      So weit indes läßt's die Mutterliebe nicht kommen; gar bald ruft sie bangend hinaus das Wort: »Davidl!«, und sie eilt unter die Fichten, und trotz des Zapfenhagels, den ihr holder Sohn auf sie herabrüttelt, schreit sie: »Laß mir die Unbild vergeben und vergessen sein, mein Kind, und komm' herab; ich hab' dir einen fetten Eiertomerl gekocht, und zum Hinabschwemmen ist auch etwas hergerichtet. Geh, steig nieder, mein Davidl, aber gib mir Gotts wegen Obacht, daß du dich nicht verstauchst!«

      Wenn auch nicht unmittelbar nach solcher Bitte, so siegt doch nach einiger Zeit die Liebe zum Eiertomerl gegen den Todesentschluß, und Davidl klettert vom Baume.

      Einmal ging der Hahnenkamp vorüber, als der Bursche nach einem ihm widerfahrenen Unrecht sich eben wieder in die hohe Baumkrone verkrochen hatte.

      »Eure Bäume tragen saubere Früchte!« sagte der Bauer zur Zapfenwirtin.

      »Die deinen tragen gar keine, Steffel!« entgegnete die Schänkin giftig, auf Hahnenkamps Kinderlosigkeit zielend.

      »Gottes Fürsicht. So ein Früchtel hätt' ich schon neunundneunzigmal ins Rübenfeld hineingehaut. Wär' der Bub' da mein Sohn, und er tät' sich so ducken da oben beim Geiernest, ich wüßt', was ich ihm sagen tät': Hol' dich der Geier, du Erzlump! Und kommst du mir noch einmal auf Gottes Erdboden nieder, so hau' ich drei Heustangen über dich ab!«

      »Hau' du die Heustangen über deine Leut' ab!« schrie die Wirtin mit funkelnden Augen, »deine Knechte ludern sauber genug beim Heurechen; wenn die Sonn' scheint, liegen sie unterm Baumschatten;

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