Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Verdauen. Wäret lieber Maulwürfe worden. Wenn man euch die fetten Fleischtöpf' ins Nest brächt', gleich tätet ihr noch schreien nach dem Mostkrug, und wenn man euch den auch noch hinstellte, so tätet ihr doch wohl nicht schimpfen über die harte Arbeit und das Hungerleiden – heißt das, derweil nicht ihr die Mäuler voll hättet. Schon gut so. – Wenn aber jäh einer käm und sagen tät: Leut', rafft's Sensen und Hacken und Mistgabeln auf – die Frohnherr'n erschlagen, daß einmal ein Fried' ist auf der Welt! – ei, wie schon langsam ihr da zurückkriechen möchtet in eure Strohlöcher! Ein rechtes Schmalzschnecken-Gesindel übereinander!«

      Der Hahnenkamp hatte einen kurzen, dicken Hals, der indes noch zusehens anschwoll, wenn der Mann in Wut kam. Da hoben sich auch seine borstigen Haare unter der rotgestreiften Baumwollhaube, und die mächtige Haubenquaste auf der Achsel begann beträchtlich zu tänzeln.

       * * *

      Gegen die Abend- und Mitternachtseite der Einöde ragt ein wüster, zerrissener Gebirgszug auf. Die Leute nennen ihn wegen seiner steilen Wände und unerklimmbaren Kanten die Schroffen. Schon von weitem sieht man über den dämmernden Wäldern der Einöde die weißen Kalkwände leuchten. Um die Mittagsstunden aber werden sie stets ein dunkler, zackiger Wall, der seine Schatten allmählich hinlegt über die Einöde, und endlich weiter und weiter hinaus in die unteren Wälder und in das Tal; und zur Abendstunde liegen auf den Fluren die Kanten und Hörner der Schroffen breit und lang hingezeichnet.

      Die ganze, fast furchtbare Herrlichkeit dieses Gebirges entfaltet sich aber erst in den Wild- und Hinterschroffen. Da ragen Hörner und Riffe auf, die zur Sommerszeit bis in die Mitternacht hinein schimmern in matter Glut, und da sind Tiefen und Schluchten, in welche kein Sonnenblick je gefallen, solange die Welt sieht. Hier wächst kein grünes Blatt mehr, und die Alpenrose wuchert weiter unten auf den Almen. Hier hört man keinen Vogelsang und keinen Kuhreigen, und die Gemse klettert an tieferen Hängen. Hoch über alles Leben haben sich die wilden Felsen aufgebaut; still und tot ruhen die kleinen, beeisten Seen, kahl sind ihre Ufer, nur das Murmeltier und die Spinne hausen hie und da noch in den Klüften des Gesteins. In den Tiefen rauschen die stürzenden Wildbäche, um die Grate und Hörner ächzt und braust und pfeift die Windsbraut. Jahr um Jahr schichten sich in den Einsenkungen der Felshäupter größere Eismassen auf, Jahr um Jahr fahren an den Mulden und Schrunden Schnee- und Steinlawinen nieder, und ohne Ende meißeln Luft und Wasser mit ehernen Armen an diesem Gebilde; ewig bauen sie an den Alpen, und ewig reißen sie sie ein.

      So ragen die Wildschroffen und starren nieder auf die Almweiden und Wälder. An ihrer halben Höhe führt ein Pfad aus der Einöde über engen Paß in die jenseitigen Gegenden, wo wieder Menschen wohnen. Jeder Wanderer, der über die Alpe zieht, blickt hinauf zu den Felsgebilden, aber noch selten ist einer emporgeklettert an den Schutthalden und Geröllfeldern bis zu einer der höheren Blockmauern, von denen aus man erst recht in das Innere der ungeheuren Felsenburg schauen kann.

      An der Einödseite ist ein tiefer Taleinschnitt in die Schroffen, der das Schroffeneck heißt, und in welchem, von Urwaldbäumen und Felswänden umragt, eine Menschenwohnung stand. Sie war die einzige weit und breit. Wohl zählte sie zur Gemeinde Einöde, aber sie hatte nichts mit ihr gemein als – die Einöde.

      Im Schroffeneck stand die Hütte der Einschicht-Res. Sie klebte wie ein Schneckenhaus unter einem zerklüfteten Felshang, der stellenweise mit Wacholder- und Haselnußgesträuchen bewachsen war. Unten schäumte der Wildbach in milchweißen Gischten, weit hinan das braune Gestein bespritzend, ewig brausend und tosend, kein Uferblümlein des Sommers schonend, keine Eisscholle des Winters über sich duldend – das freie Kind der Alpen.

      Die Einschicht-Res war noch ein rüstiges Weib, aber so verwildert wie der Urwald. Sie grub und sammelte in den Wüsteneien Wurzeln, Kräuter, Harz, Waldrauchkörner, wilden Honig und was so zu finden ist in der wuchernden Wildnis.

      Sie jagte auch nach Raubtieren, wie sie krochen, liefen und flogen; aus den Fellen verfertigte sie sich die Kleidung, aus Ästen und Binsen flocht sie die Hausgeräte.

      Und so lebte sie.

      Ihre Eltern und Ureltern hatten auch so gelebt in dieser Felsenschlucht. Sie waren vermodert im Waldgrunde. Den Großvater hatten die Jäger erschlagen, die Großmutter war erfroren, der Vater war an einem Natternbiß gestorben, die Mutter hatten böse Menschen zugrunde gerichtet. Einen braven Mann hatte die Einschicht-Res gehabt, den erschlug ein Baum beim Reuten. Ein Kind hatte sie geboren nach dem Tode des Mannes, und dennoch war sie allein, mutterseelenallein auf der alten Heimstätte ihrer Vorfahren.

      Die Res erhob sich jetzt von ihrem Mooslager, schlug die braunen, reichen Haarsträhne zurück und forschte nach dem nahenden Tag. Dann hüllte sie eine Pelzdecke um sich, befestigte die am Halse und band einen Binsengürtel um die Lenden. Und nachdem sie ihren Anzug vollendet hatte, machte sie die Hüttentür auf, kniete, gegen das wüste Gestein gewendet, nieder auf die Schwelle und legte die Hände auf die Brust.

      Während sie betete wurde es hinter dem Herd in einem Holzkäfig lebendig, und ein schwarzer Vogel begann in demselben zu flattern und zu kreischen.

      Welch ein Gebet hat das Weib im Herzen? Ihre Hände über der Brust hatten sich geballt, ihre Unterlippe war krampfhaft zwischen die kräftigen Zahne geklemmt, ihr dunkles Auge hinter den langen Wimpern lauerte, und wenn es aufflammte, war es wie ein wilder Blitz um Mitternacht.

      Endlich stand sie auf, ging in die Hütte zurück und langte aus einem Korb mit Wildobst einen Holzapfel hervor.

      Sie biß in denselben, schleuderte ihn aber wieder von sich und rief lachend:

      »Ha, du mit deiner roten Wange bist doch ein saurer. Nicht einmal so einem Apfel darf man trauen, 's steckt in allem die Falschheit. Ei ja draußen, wo der Weizen und der Wein aufkommt, wachsen wohl auch süße, aber für unsereinen in der Wildnis herinnen darf nichts gedeihen. Der Herrgott gönnt einem armen Menschen einmal nichts Gutes.«

      Dann wendete sie sich zum Käfig.

      »Das Rabenvieh schreit auch schon. Hei, möchtest gar wieder auf den Tannenwipfeln oben hausen? Hab' dich in den Winkel getan, weil's heißt, daß du ein Geschöpf Gottes bist. Der da oben hat mir alles Böse angetan mein Lebtag und hält mich gefangen in der Einschicht; jetzt mach' ich dir's auch so. Ich zahl's ab. Da, da, friß den Holzapfel, verbeiß' dich daran!«

      Sie hielt die Frucht durch die Astspangen; der Rabe pickte den Apfel zornig zu Boden und haute nach ihrem Finger.

      Da stand plötzlich ein Mann in der Hütte, ein grauer, aber noch rüstiger Jägersmann.

      »Was schafft Ihr mit diesem Raben, Frau Res?«

      »Die Federn risse ich ihm aus, wenn es Eure Haare wären.«

      »Ihr seid kindisch, Res, und werdet bereits häßlich noch dazu. 's ist kein Vergnügen mehr in diesem Nest. Gehabt Euch wohl!«

      Der Mann verließ die Hütte und schritt lustigen Waldhorntönen zu.

      Die Einschicht-Res blickte halb verwirrt umher. Sie sah wieder nichts als die tote Einsamkeit um sich.

      – Res, du armes Weib, dieser Mann war der einzige gewesen, der nach dem Tode deines Gatten in deine Hütte gekommen, der auch in der Welt draußen deiner gedacht und dir zuzeiten hübsche Dinge mitgebracht herein in die Einöde; der dir dein Haus neu eindecken ließ, der nicht selten mit dir sein Jägermahl teilte, und der dir sagte, du seiest ein schönes Weib.

      Das waren die Blumen über der Grube gewesen ...

      Lange stand die Einschicht-Res da und blickte wirr umher; dann

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