Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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denn da heut' einen Spaß gemacht? – Ist das Schloß versiegelt gewesen. Ich setz' ab, guck das Ding besser an – ja, Heidepeter, da seh' ich's wohl! – Mit dem Gemeindesiegel ist mir das Schulhaus verschlossen. – Na, denk' ich mir, das ist jetzt schön! Werf' meine Trag ab und lauf' in den Pfarrhof, wo jetzt auch das Gemeindeamt ist. Nach dem Provisor schrei' ich. Nicht daheim, ruft die Wirtschafterin, unten auf dem Steinhaufen sollt ich's suchen, wenn ich was verloren hätt' – und schlägt mir die Türe vor der Nase zu. – Da ist mir schon das Blut zum Herzen gefahren.«

      Dem alten Manne preßte es schier die Kehle zusammen, die Worte waren halb erstickt.

      »Aber steh'n bleib' ich nicht vor der Pfarrhoftür und anklopf' ich auch nicht. Zum Steinhaufen lauf' ich hinab, und da find' ich Euch meine Sonntagswäsch', meinen schwarzen Rock und meine Geige. Und zwischen den Saiten steckt so ein schmales Blättel Papier. Nu, da ist's, mögt es lesen, Heidepeter.«

      »Rechtschaffen gern,« entgegnete der Heidepeter gedehnt, »aber 's ist halt so eine Sach', die Schul' ist so viel weit weg – ich kenn' keinen Buchstaben.«

      »Je nu, dann wär' das Lesen freilich eine Kunst,« sagte der Schulmeister, »indes, allzeit ist's auch nicht gut, wenn man lesen kann. Das Briefl tut mir altem Mann folgendes kund:

      »Es schmerzt uns, im Namen des hochw. Konsistoriums und der hiesigen Gemeinde Euch Nachstehendes mitteilen zu müssen. Nachdem Ihr, Michel Bieder, Schullehrer in dasiger Pfarre, in dem Unterrichte der Jugend zu wiederholten Malen gegen die Verordnungen gehandelt, Euch trutzig widersetzet und Euch letzther sogar unterfangen habet, in beispielloser Eigenmächtigkeit eine kirchliche Funktion zugunsten eines Selbstmörders zu verrichten, sei Euch kund und zu wissen getan, daß wir Euch Eures Amtes entheben.

      Das Pfarramt zu Rattenstein.«

      Der Alte schwieg.

      Peter putzte in großer Verlegenheit die Kerze und sagte dann:

      »Ja, das hätt' der Herr Schulmeister halt wissen sollen, daß man nicht jedem mir nichts, dir nichts ins Grab nachläuten darf.«

      »Und so lieg' ich da auf dem Steinhaufen, und nichts fehlt mir mehr zum Bettelmann als der Sack und der Stecken. Die Sterne sind schon am Himmel gestanden, vom Walde her hat ein Uhu gelacht – hat mich ausgelacht. Was fang' ich jetzt an? Verstoßen, ich armer, alter Mann, der vierzig Jahre in der Pfarre Schullehrer war, der eine Gemeinde begraben und eine getauft hat. Ich lieg' jetzt auf dem Steinhaufen in der kalten Nacht, und mein Haar ist feucht vom Tau. Von der Kirchenuhr herab hör' ich das Ticken; wie ein Vogel die nackten Körner von der herbstlichen Saat, so pickt sie mir von meinem armen Lebensrest eine Sekunde um die andere weg. Nur zu, nur zu, Pendel, 's ist schon spät. Da fällt's mir ein: Wer läutet denn heut' die Abendglocke? – Bin aufgesprungen und hinauf über den Hügel zur Kirche, wo man durch den Turm geht. Die Glocken hab' ich alle beim Strick gefaßt und geläutet, all' auf einmal. Und das war der Abschied von meiner lieben Kirche und von der Gemeinde. Die Toten in den Gräbern hätt' ich aufwecken mögen und ihnen das Unrecht klagen; – sie haben fortgeschlafen in der Ruh', ich hab' meine Bettelschaft eingeläutet. Dann hab' ich mir im Gesträuche an der Kirchhofsmauer meinen Stock geschnitten und bin fort und fort – ich kann noch rechtschaffen laufen. Kaum drei Stunden bin ich gewandert, bis da herauf in die Einöd.«

      Der Alte stützte seinen Kopf und hielt die flache Hand vor die Augen.

      »Närrisch!« sagte die Bäuerin, die schon eine Weile mit der Suppenschüssel an dem Tisch gestanden war, »und jetzt will der Herr Schulmeister in die Wildschroffen hinauf?«

      »Komm' ich denn da in die Wildschroffen?« entgegnete der Schulmeister, »o Gott, was tät' ich denn in diesem Gestein?«

      Er verdeckte wieder sein Gesicht.

      »Es ist ein rechtes Kreuz und kein Herrgott drauf, sagt die alte Einschicht-Res, und 's ist richtig«, sprach das Weib. »Tu der Herr Schulmeister jetzt in Gottes Namen die Suppe essen, daß Er was Warmes kriegt. Der lieb' Herrgott wird's schon recht machen, dasselb' ist keine Sach'. – Peter, komm' ein Eichtel mit mir in die Küch'. Du mußt mir das Rauchtürl zumachen, ich kann's völlig nicht derlangen.«

      Aber es war nicht des Rauchtürls wegen.

      Als die beiden Eheleute in der Küche waren, sagte das Weib:

      »Du wirst es einsehen, Peter, daß wir den Schulmeister nicht so fortgehen lassen können. Ich bin zu ihm in die Schul' gangen, und ich kann ein Gebetbüchel brauchen; 's tät mir mein Lebtag kein Bissen Brot mehr schmecken, wenn ich mir sagen müßt: Dein alter Lehrer geht betteln. Was meinst, wenn wir ihm das obere Stübel herrichten täten? Im Winter könnt' er uns die Spän' klieben, und im Sommer, wenn wir auf der Weid' sind, tät er uns auf die Kinder schauen, und lernen könnten sie auch wohl was bei ihm. Schau, 's wär' halt doch gut, wenn sie was lesen könnten, und der Bub' hätt' so eine Freud dazu; und in der Schrift auch, ich will nicht nachgeben, bis er seinen Namen schreiben kann.«

      »Dasselb' ist kein Muß, Klara,« entgegnete der Peter, »wer ist denn in der Einöd, der seinen Namen schreiben kann? Kein Mensch. Die Arbeitsleute haben auch zu grobe Händ' für so was; wenn's d'rauf ankommt, so macht man's Kreuz.«

      Die Bäuerin darauf:

      »Da wundert's mich nachher gar nicht, daß wir soviel Kreuz haben in der Einöd. Aber mir steht's nicht an, und ich mein', mit dem Schulmeister könnten wir uns eine Stufe in den Himmel bauen.«

      »Du denkst ans eine, und ans andere nicht. Du weißt es recht gut, daß wir nur fünf Metzen Korn bauen, und daß wir im Winter kein' Milch und kein Schmalz haben; du weißt, daß wir kein Fleisch im Kasten haben, daß wir kein ordentliches Bettgewand aufzutreiben wissen, und daß es in jeder Eck' bei uns armselig zugeht. Und jetzt willst du noch den Schulmeister aufnehmen; das wär' doch gar kein' Red', Bäuerin.«

      Und sie:

      »Nun, wenn dir schon um den Bissen Brot leid ist und um das Zinkerl Schmalz, das der Schulmeister ißt, so spar' ich mir's halt von meinem eigenen Mund ab, und ich lieg' in Gottes Namen auf dem bloßen Stroh, und ich mach' mir ein Ehr' daraus, wenn ich den alten Lehrer unter meinem Dach haben kann.«

      Und er:

      »Halt ja, und wenn wir fertig sind, nähst für ihn einen Bettelsack, und für mich auch einen, und für dich auch einen, und die Kinder binden wir einander auf den Buckel.«

      »Weil du kein Vertrauen auf den Herrgott hast!« – versetzte die Bäuerin etwas aufgebracht. »Meine Mutter hat allweg gesagt: Jede Guttat auf Erden marbeln die Engel im Himmel in den goldenen Thron Gottes ein. Aber mich deucht schier, du willst dort deinen Namen gar nicht drin haben.«

      »Wer nichts hat, der kann nichts geben,« sagte der Peter gelassen, »was hilft's dem Bettelmann, wenn ich ihm die leere Hand hinhalte?«

      »Nu, so faßt er an und hat eine Stütze.«

      »Geh, geh, auf die eigenen Kinder muß man zuerst schauen und nicht auf die fremden Leut'. Und letztlich täten wir uns gar mit dem Pfarrer verfeinden, was wäre das?!«

      »Du bist ein alter Steinschädel!« sagte das Weib und stieß einen Topf auf die Herdplatte, daß er schrillte, »wer mit dir was ausreden will, der muß eine besondere Gnad' Gottes haben. Wie froh würdest nicht sein zu einer Zeit, wenn dein Schutzengel zum Herrgott sagen tät: Da bring' ich den Heidepeter, der hat auf die armen Leut' was gehalten, und den mühseligen Schulmeister von Rattenstein hat er auch in sein Haus genommen und hat ihn warm gehalten in seinen alten Tagen; und der Heidepeter ist doch auch

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