Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 63

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Was das übrige anbelangt, hat er den Kopf geschüttelt. Beim Kommen hat er mich artig gegrüßt, beim Fortgehen hat er mich nicht gesehen.

      Oft sitze ich eine lange Weil' da oben im Schachen unter den alten Bäumen. Dieser Schachen ist noch übriggeblieben von den großen Wäldern, über deren Gründe sich die Gemeinde breitet, als ein in die Kette der Menschheit eingereihtes Glied.

      Ich mag unter dem Schachen sitzen, solange ich will, kein Mensch ruft mich.

      Wenn die Toten nur nicht gar so fest schliefen!

      Ich bin ein alter Späher. Meine Augen sind krank und müd' und gucken doch zuweilen was aus.

      Durch den Bretterzaun habe ich es gesehen, wie der Reiter-Peter das Schirmtannermädchen an der Hand gefaßt und nicht mehr lassen hat wollen. Durch tausend Gebärden hat er ihr was erzählt, das Blut ist ihm in die Wangen gestiegen, aber das Mädchen hat fortweg gesagt: »Nein, Peter, nein.«

      Da hat der Junge jählings die Geige bei der Hand und spielt der Rosa ein Stück vor, das ich ihn nicht gelehrt hab'. Wundersam ist es gewesen, wie ich es meiner Tag nimmer hätt' gemeint, daß der Peter spielen könnt'.

      Ja, und so lange hat er's getrieben, bis ihm die Rosa ist an den Hals gefallen: »Hör auf, mir tut's zu weh! Peter, ich hab' dich ja gern.«

      's ist ein Gescher' mit den jungen Leuten. Hat so ein Bursch keine Stimm' zum Schwätzen, so hebt er seine Liebschaften gar mit der Geige an.

      Zur Winterszeit 1857

      So ein Tagebuch ist doch ein treuer Freund. Was man ihm auch anvertrauen mag, es vergißt nichts und plaudert nichts aus. Wenn ich diese Schriften durchsehe, so kann ich es gar nicht glauben, daß ich das alles miterlebt und geschrieben habe. Es sind wunderliche Geschichten.

      Ich bin doch einmal wer gewesen! Aus einem alten Mann bin ich ein junger geworden; aus einem jungen wieder ein alter, halbblinder, dem bei dem Meßliede schon die Noten tanzen auf dem Blatt.

      Die Leut' haben mich beiseite geschoben.

      Mein Gott, anderen geht es auch nicht besser. Ich verlang' ja nichts; ich hab' mein Teil getan und bin's zufrieden.

      1864

      Und seit fünfzig Jahren bin ich nicht mehr aus diesen Wäldern gekommen.

      Und die Waldleute entstehen, leben und vergehen dahier und steigen in ihrem ganzen Lebenslauf nicht ein einzigesmal auf den Berg, wo man die Herrlichkeit kann sehen und am hellen Wintertag das Meer.

      Das Meer ! Wie wird es da leicht und weit im Herzen! Dort zieht ein Kahn, steht ein Jüngling darin, der winkt –

      Heinrich? Was ist das? –

      Der Narr! Versitzt seine Lebenszeit im Winkel und hätt' ein Schiffer werden sollen!

      Heiliger Abend 1864

      Die Laufbahn ist kurz. Vom Winkelhüterhause bis hinab zu der Kirchhofsmauer rutschen sie auf ihren Brettchen und Schlittchen dahin über den gefrorenen Schnee. Und wie sie dabei lärmen und die Sache beeifern! – Ich warte auf den Reiter-Peter, er kommt mit seiner Geige, daß wir zusammen das neue Krippenlied versuchen. Einstweilen gucke ich den lustigen Kindern zu und schreibe.

      Pelzhauben haben sie auf, die Kleinen, und eine ganze Weile haben sie zu trippeln und zu schnaufen, bis sie mit ihrem Fahrzeug oben ankommen – und unten sind sie in zehn Augenblicken. Lange Müh' und kurze Freud'!

      Der Peter kommt mit der Weihnachtsprobe. »Schlaf süß, schlaf in heiliger Ruh'!« Das Lied soll morgen –

      Das letzte Blatt

       Inhaltsverzeichnis

      – morgen –

      Mit diesem Worte enden die Schriften.

      Zwei lange Regentage hatte ich gelesen. Aus dem vorigen Jahrhundert hatte ich mich durch ein merkwürdiges Leben herangelesen bis zu dem letztvergangenen Weihnachtsfeste.

      – morgen –

      Der Kopf war mir heiß und schwer, ich blickte nach der Tür. Der Mann muß ja hereintreten und weiterschreiben, was am nächsten Morgen gekommen, wie es weiter gewesen war. Denn das ist kein Abschluß und kein Abschied, das ist ein hoffender Blick in die Zukunft, ein Morgenstern.

      Fast wie eine Überzeugung empfand ich's: der Schulmeister lebt. In der Fremde wird er wandern und irren, der arme Mann mit der großen Sehnsucht, die keinen Namen hat. Es ist die Sehnsucht, die wir alle empfinden, ob seichter, ob tiefer, die Sehnsucht nach dem Ganzen, Allgemeinsamen, nach dem Wahren, aber Unfaßbaren, in dem unsere drängende, strebende, bangende Seele Ruhe und Erlösung zu finden hofft.

      Mir war, als müßte ich auf und davon und den alten, guten, kindlichen Mann suchen allerwege. – Was war das für ein großes Streben und Ringen gewesen! Ein vergebliches Aufraffen nach den Zielen der Gesellschaft; ein krampfhaft unterdrücktes Auflodern jugendlicher Leidenschaft, ein verzweifeltes Hineinstürzen in die Wirren des Lebens, ein begeisterter Flug durch die Welt, ein furchtbares Erwachen aus Täuschung, ein Fliehen in die Öden der Wildnis, ein stilles, stetes Wirken in Ergebung und Aufopferung, ein großes Gelingen, eine tiefe Befriedigung. Da naht das Alter, ein junges Volk und neue Verhältnisse bieten keine Gelegenheit zu Taten mehr; ein betrübtes Zurückziehen in sich selbst, Verlassenheit und Einsamkeit, Zweifeln, Grübeln und Träumen und ein stilles Ergeben und Versickern. In Alter, Unbehilflichkeit und Einfalt ist er ein Kind geworden; ein in Träumen lächelndes, glückliches Kind. Aber die Sehnsucht und das Ahnen des Jünglings ist ihm geblieben. Und ein großer Lohn ist ihm geworden, ein Entgelt, das uns mit seinen Schicksalen versöhnt; ein Entgelt, wie es die Welt nimmer gibt und geben kann, wie es nur aus treuer Erfüllung des Lebens entsteht: der Frieden der Seele.

      Die Wachtel der Uhr schlug achtmal. Ich verschloß die Blätter sorgsam in die Lade und ging hinab gegen das Wirtshaus. Es dunkelte schon; eine frostige Trübe lag allerseits, und eine scharfe Luft strich durch den feinrieselnden Regen.

      Der Lazarus stand vor der Haustür, wendete sein Gesicht nach allen Himmelsgegenden und sagte: »'s wird anders werden.« Er sagte es zu sich selbst. Er hatte gewiß keine Ahnung, daß der junge, fremde Mensch, der ihm nun nahte, seine ganze Geschichte wisse.

      Der Wirt war an demselben Abend recht redselig, aber ich war schweigsam und begab mich bald wieder in mein Schulhaus zur Ruhe.

      Wie sah ich nun alles ganz anders an als vor zwei Tagen. Fast daheim war ich in diesem Alpendörfchen, in welchem ich gleichsam mit dem Schulmeister jung gewesen und alt geworden.

      Und der Mann, der die Gemeinde gegründet und großgezogen mit seinem Lebensmark, sollte fremd sein und vergessen?

      Nein, er ist überall zu spüren. Unsichtbar steigt er in Winkelsteg herum Tag und Nacht, zu jeder Stund'! – hatte nicht so der Kohlenbrenner gesagt?

      Der nächste Morgen war so hell, daß er mir durch das geschlossene Augenlid drang. Als ich es öffnete, sah ich einen lichten, klaren Wintertag. Ich sprang auf.

      Es hatte geschneit; die weiße Hülle lag über dem ganzen Tale, auf allen Dächern und Bäumen. Der Himmel war rein.

      Bald

Скачать книгу