Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Verdienste um die Winkelwäldler, und er bitte mich nun, ihm im Gebirge ein Führer zu sein und mich an dem bestimmten Tage in der Ortschaft Grabenegg einzufinden.

      Grabenegg, eine gute Tagereise von hier entfernt, ist keine Ortschaft; es sind nur einige Steinschlagerhütten, die an der Zillerstraße stehen und von einem dort auslaufenden Berggraben den Namen haben.

      Ich habe mich denn an dem bestimmten Tag in Grabenegg eingefunden, habe dort den Waldherrn erwartet, der in einem gemieteten Wagen auch richtig angekommen. Dann bin ich mit ihm weiter gegen das Hochgebirge gefahren.

      Der Herr hat mich völlig erschreckt; ich habe ihn schier nicht mehr erkannt, aber er hat mich auf den ersten Blick als den Andreas begrüßt. Sein Gruß ist höflich gewesen, und der arme Mann ist lebenssatt.

      Bis zum ersten Felsentore führt der Fahrweg. Hier hat der Herr das Fuhrwerk zurückgeschickt, und wir sind auf rauhen Steigen, wie sie das Hochwild getreten, in die Wildnis hineingegangen, auf deren Höhen die Eisfelder liegen. Der Herr ist vorangeschritten, fast finster und trotzig, zuweilen mit der Begier des Jägers, der dem Hirsch auf der Fährte ist. Ich habe nicht gewußt, wohin und was der Mann will; er auch nicht. Ich habe gewaltige Angst gehabt, daß wir für die Nacht kein Obdach finden könnten, habe dem Herrn dieses Bedenken mitgeteilt, er hat darüber eine Lache geschlagen und ist weitergestürmt.

      Da ist mir jählings der Gedanke beigefallen: Andreas, du wanderst mit einem Irren! – Wäre der graue Zahn vor mir niedergestürzt, so sehr hätte mein Herz nicht erschrecken können wie vor diesem Gedanken.

      Ich habe gefleht und gewarnt, ich habe ihn nicht zu halten vermocht; nur an Hängen ist er stehengeblieben, hat einen Blick in den Abgrund getan, um sofort wieder weiterzueilen. Alle Glieder haben ihm gezittert, große Tropfen sind ihm auf der Stirne gestanden, als er in der Abenddämmerung an einer Felsenquelle zusammengebrochen ist.

      Ich habe in derselben Stunde meinem lieben Gott alles, alles versprochen, wenn er uns ein Obdach finden ließe. Er hat mich erhört. Unweit der Quelle habe ich in der Kluft zweier Wände eine Klause entdeckt, wie solche gerne von Gemsjägern aufgerichtet und zum Schutze benützt werden.

      Und unter diesem Dache, mitten in den Schauern der Wildnis, ist ein Feuer angemacht und dem Freiherrn aus Moos und Strauchwerk eine Ruhestätte bereitet worden.

      Wir verzehren, was wir bei uns haben, und trinken Wasser. Als das Mahl vorüber ist, lehnt sich der Herr aufatmend an die Mooswand und haucht: »Das ist gut! Das ist gut!«

      Und nach einer Weile richtet er sein Auge auf mich und sagt: »Freund, ich danke Ihnen, daß Sie bei mir sind. Ich bin krank. Aber hier werde ich genesen. Das ist ja das Wasser, von dem der angeschossene Hirsch trinkt? Ich hab' es toll getrieben, toll! Ist kein Spielzeug, der Mensch. Schließlich bin ich zum Glücke den Ärzten entkommen. Ich mag in keinem Metallsarg liegen, er riecht nach Prunk, nach erkünstelten Tränen, pfui!«

      Zu meinem Troste ist er bald eingeschlummert. Ich habe die ganze Nacht gewacht und auf Mittel gesonnen, den armen, kranken Mann unter Menschen zu bringen. Wir sind weit ab; wollen wir nach Winkelsteg, so müssen wir über das Gebirge.

      Am andern Morgen, als ich bereits ein neues Feuer angemacht habe und als schon die Sonnenstrahlen durch die Fugen blicken, erwacht der Mann, übersieht anfangs wie staunend seine Lage und sagt: »Guten Morgen, Andreas!«

      Hierauf hebt er sogleich an, sich reisefertig zu machen.

      »Ich will auf den hohen Berg steigen, den sie den grauen Zahn heißen«, sagte er, »ich will diese Welt einmal von oben ansehen. Begleiten Sie mich und machen Sie, daß wir noch einen oder zwei Männer mitbekommen. Haben Sie keine Sorge meinetwegen. Gestern ist ein böser Tag gewesen. Wie gehetzt bin ich durch die wüsten Gegenden gezogen, ohne Ziel. Mir selber hätte ich entrinnen mögen, wie ich denen da draußen entronnen bin. Der ganze Jammer meines Elends war über mich gekommen. Aber diese Luft heilt mich – oh, diese reine heilige Luft!«

      Als wir aus der Klause treten, müssen wir die flachen Hände über die Augen halten. Es ist ein mächtiges Leuchten. Die Äste des Tanns allein verschleiern noch das Licht, in den Schatten des Geflechtbodens zittern Tautropfen. Viele davon trinken schon von den glühenden Quellen der durch das Geäste rieselnden Sonne. Auf den Wipfeln jauchzen die Vogelscharen. Eichhörnchen hüpfen herum und lugen nach Morgenbrot und Gespielen.

      Da lächelt Hermann.

      Wir schreiten weiter. Wie lichtes Nebelgrau schimmert es uns zwischen den Stämmen entgegen. Ein fast lauer Lufthauch zieht. Da lichtet sich jählings der Wald, und jeder Baum am Rande streckt seine Arme aus – weist, lautlos vor Ehrfurcht, ein wunderbares Bild.

      Ein stiller See liegt da, weit hingedehnt, blau, grün, schwarz – wer kennt die Farbe? An den Ufern der Morgenseite erhebt sich über graues Gestein der dunkle Bergwald, mild umschleiert von den Lichtfäden der Sonne. An dem gegenüberliegenden Strande baut sich eine ungeheure Felswand, hinter der sich Höhen und Höhen, Hänge und Hänge schichten, bis hinan zu den höchsten Riffen und Zinnen und Zacken am Saume des blauen Himmels. Mannigfaltig und herrlich über alle Beschreibung zieht sich das Hochgebirge hin in einem Halbrund. Hier unten noch Lehnen, Rasen und samtgrüne Filze der Wacholdersträucher. Dann die milchweißen Fäden der niederstürzenden Wasserfälle, deren Tosen, von keinem Ohr vernommen, in den Räumen der Lüfte verhallt. Dann die Geröllfelder, die Schuttriesen, jedes Steinchen klar gezeichnet in der reinen Luft; dann Klüfte mit Schatten, mit Schrunden, mit Schnee; dann verwitterte Felsgestalten, wild und hochragend, dämonenhaft in ihrer Ungeheuerlichkeit und ewigen Ruhe.

      Ein Steinadler schwingt sich im Blau; jetzt wie ein schwarzer Punkt, jetzt wie ein silbernes Blättchen umkreist er eine Felsenspitze. Und in den hintersten Höhen aufgerichtet, sanft lehnend, lichte Gletscher und rötlich leuchtende Tafeln der Wände, in welchen der Griffel der Zeit stetig meißelt, um einzugraben in den Bau der Alpen die ewige Geschichte und die ehernen Gesetze der Natur ...

      Ich sehe es noch, sehe alles noch vor meinen Augen – es ist der See im Gesenke mit dem Bergstocke des grauen Zahn.

      Ich habe Ähnliches schon geschaut, und dennoch hat mich die Herrlichkeit fast erschreckt. Der Freiherr aber steht da wie ein Stein. Seine Augen haben sich verloren in dem unendlichen Bilde; seine Lippen saugen bebend die Seeluft ein.

      Danach sind wir hinabgestiegen zu den Ufern des Sees. Hier plätschert das Wasser an den stumpfkantigen Steinen.

      »Der See kann auch wild sein«, hat hier der Herr bemerkt, »sehen Sie, wie weit den Hang hinan die Steine glattgeschwemmt sind?«

      Aus diesen Worten habe ich ersehen, daß Hermann ein verständiges Auge für die Natur besitzt. – Freilich, freilich kann dieser See ein wüster Geselle werden, so mild und lieblich er heute ruht. – – – Und jetzt kommt jählings das Wundersame. Dort unten, wo das Gebüsche der Wilderlen in den See taucht – dort guckt ein Menschenhaupt aus dem Wasser hervor! Es hebt sich das Haupt, und von den braunen, langen Locken und von dem blühenden Antlitz rieseln die Tropfen der Flut. Hals und Nacken sind ein wenig sonnengebräunt, aber die sanft gebauten, wiegenden Achseln schimmern durch das Wasser wie schneeweißer Marmor. Ein junges, schönes Weib, eine Wasserjungfrau! Weiß Gott, ein Dichter könnt' einer werden! So was Schönes! – Und es hat sich noch mehr zugetragen.

      Der Waldherr ist kurzsichtiger als ich und hat sich dem Bilde genähert; in demselben Augenblick ist die Gestalt untergesunken, und nur die Erlen haben gefächelt über dem Wasser, und sonst haben wir nichts mehr gesehen.

      Hermann starrt mich an. Ich starre in den See. Der wirft im Lufthauche leicht wuppende Reifen, ist hier spiegelglatt, dort zitternd. Und das Haupt taucht nicht mehr hervor.

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