Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 60

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Wesen, wer weiß, ob es schwimmen kann? Mir fährt es durch den Kopf: Wie, wenn sich das Mädchen aus Schamgefühl im Wasser vergräbt?

      Nach einer Weile der Angst und Not habe ich das atemlose Kind aus den Wellen hervorgezogen. – Mit der wenigen Erfahrung, die uns zu Gebote steht, haben wir sein Leben wieder erweckt, sein siebzehnjähriges Leben. Und siehe, das wildscheue Wesen! Kaum erwacht und von unseren Händen bekleidet, hat ihm die Angst Kraft geliehen, ist es aufgesprungen und hingeflohen am Waldhange.

      Der Herr hält sich den Kopf mit beiden Händen. »Andreas!« ruft er, »mein Übel kehrt wieder; ich habe Erscheinungen, eine Fee habe ich gesehen!«

      »Das ist keine Fee«, gebe ich ihm zur Antwort, »das ist die Tochter jenes Holzers, der dem gnädigen Herrn die Kräuter geschickt hat.«

      Die Waldlilie ist es gewesen.

      Einige Tage später

      Heute ist der Herr mit dem Schimmel des Grassteigers davongefahren.

      Aus der Besteigung des Zahns ist nichts geworden. Als uns am See die Waldlilie entschwunden gewesen, hat Hermann gesagt: »Mein Schicksal ist gekommen; ich steige nicht auf den Berg. Führen Sie mich in Ihr Winkelsteg, Andreas.«

      Und in Winkelsteg ist er drei Tage verblieben, hat unsere Einrichtungen betrachtet und zum Teile belobt, hat viel von unserem Wasser getrunken. Die Leute haben es nicht glauben wollen, daß das der Waldherr sei; ein Weiblein hat gemeint, der Waldherr müsse einen goldenen Rock tragen, und dieser Mann hat einen aus braunem Tuche. Sein Gesicht ist wie mit Asche bestreut, aber unter der Asche merke ich Funken. Vor wenigen Tagen habe ich gesagt, er sei lebenssatt; heute meine ich schier, er sei lebenshungrig. Es ist recht seltsam. Gestern hat er den Berthold zu sich gerufen, daß er ihm das Heilkraut bezahle.

      Der alte Rotbart ist längst im Ruhestand, so ist der Berthold Förster in den Winkelwäldern geworden und wohnt nun mit den Seinen im Winkelhüterhause. In wenigen Tagen wird die kirchliche Trauung des Försters mit dem Weibe Aga still vollzogen werden. So hat es der Herr angeordnet. Zu tausendmal freut es mich: Hermann hat eine kerngesunde Seele; ein Kranker kann so rasch und sicher nicht handeln. Aber ein absonderlicher Mensch ist er doch. Ehe er davonfährt, kommt er zu mir in das Schulhaus, zieht mich zu sich auf eine Bank nieder und sagt: »Schulmeister! Sie hat ihr Magdtum höher gehalten als ihr Leben; hätte ich denn geglaubt, daß es ein solches Weib gibt auf Erden? Sie, Erdmann, haben voreinst die Welt von unten herauf kennengelernt. Ich habe die Welt von oben hinab durchschaut. Wir sind ihrer beide satt. Mir ist nichts Außerordentliches widerfahren, Erdmann, ich habe nur gelebt – bis an die Grenzen des Wahnsinns. Ich gehöre auch herein in diesen Wald – Andreas – ich gehöre auch herein! Aber ich muß wieder zu meinem alten Vater. Gott bewahre, daß ich sie mit mir nehme! Glückselig, daß sie die Welt nicht kennt! Ihnen vertrau' ich sie, Schulmeister. Hat sie das Bedürfnis, einiges zu lernen, so lehren Sie sie; hat sie das Bedürfnis nicht, so ehren und bewachen Sie sie wie eine wilde Lilie im Wald. – Und bewahren Sie das Geheimnis, Schulmeister. Wenn ich genesen kann, so werde ich wiederum kommen.«

      Und nachdem er mit seinen mächtigen Worten die großen Änderungen vollzogen hat, ist er mit dem Knecht und dem Schimmel des Grassteigers gegen Holdenschlag gefahren.

       Andere hat das Leben, wie es unser junger Herr geführt, zugrunde gerichtet; ihn hat es zum Sonderling gemacht. Sein tief angelegtes Wesen ist zwar erschüttert, aber nicht gestürzt worden.

      An demselben Tage, als des Morgens Hermann von hier abgereist ist, sind drei Steckbriefe angekommen. – Der junge, gnädige Herr von Schrankenheim, seit längerer Zeit schon an Schwermut leidend, sei in Verlust geraten. Aller Wahrscheinlichkeit nach sei er in das Gebirge gezogen, denn er habe sich mit Kleidern versehen, wie sie Bergreisende tragen. – Und nun sind die Kleider, ist mein ganzer lieber Zögling Hermann beschrieben gewesen, so genau wie ein entsprungener Sträfling.

      Gut, er wird ja zurückkehren. Er hat seine Waldbesitzungen bereist, was weiter?

      Sollt' er denn just in der Weise der Reichen reisen? Sollte ein Schrankenheim denn niemals aus seinen Schranken treten dürfen?

      Das ist einmal ein Herr für Winkelsteg, Gott sei Dank!

      Und mir ist Heil widerfahren, ist ja doch der Berthold und seine Familie gerettet. Ich habe die Leute so schwer auf meinem Gewissen getragen.

      Die unklaren Worte unseres Waldherrn, die er mir bei seinem Abschiede gesagt, sind zum Teil klar geworden. Die Waldlilie besucht das Schulhaus, und wir üben uns im Lesen und Schreiben und allem, was daranhängt, soweit ich selber Bescheid weiß. Sie ist gar fleißig und gelehrig, kann selbständig denken und wird von Tag zu Tag noch schöner.

      Fürs erste ist sie in ihren Namen hineingewachsen und hat etwas von einer Lilie an sich; so schlank und weiß und mild, und doch verspürt man auf ihren runden Wangen den Kuß der Sonne. Fürs zweite ist ihr von den Rehen jener Winternacht was geblieben, die anmutige Behendigkeit und das Auge ...

      Du, Andreas! Siehst du jeden deiner Schüler so genau an?

      Ja, sie gefällt aber allen.

      Sie gefällt den Armen, denen sie beizustehen weiß. Manchen Traurigen hat sie schon getröstet durch ihre warmherzigen Worte; manchen Verzagten hat sie erheitert durch ihren liebholden Gesang. Und es ist zu herzig: alle Kinder von Winkelsteg kennen die Waldlilie und hängen ihr an. Tät' nur der Pfarrer noch leben, der hat an solchen Leuten seine Freude gehabt.

      Und ritterlich ist das Mädchen; trutz wilder Tiere und böser Leute steigt sie im Gebirge umher, um Früchte und Pflanzen zu sammeln. Es steht ja geschrieben auf ihrer Stirne: »Machtlos ist vor dir alles Böse!«

      Letztlich bringt sie mir eine blaue Enziane mit hochroten Streifen, wie solche nur drüben im Gesenke wachsen.

      »Bist du wieder am See gewesen, Lilie?« frage ich. Da wird sie rot wie die Enzianstreifen und läuft davon.

      Etwan hat sie es gar nicht gewußt, daß ich einer jener Männer bin, von denen sie in ihrem Wildbade überrascht worden, vor denen sie sich in ihrer Not in die Tiefe des Sees geflüchtet, und von denen sie der eine ans trockene Land gezogen?

      Der Vorfall muß ihr wie ein Traumbild sein, er möge nie mehr erwähnt werden.

      Aber von dem Waldherrn, der ihre Familie aus Not und Armut gezogen, spricht sie mit Freude und Begeisterung.

      Zur Auswärtszeit 1835

      Es hat sich erfüllt. Die Anzeichen sind in der Luft gelegen seit jenem Tage im Vorsommer, an welchem Hermann, wie neu erwacht zum gesunden Manne, in Winkelsteg wieder angekommen ist und als sein erstes mich nach der Waldlilie gefragt hat.

      Er findet keinen Gefallen mehr an den lauten, schwelgenden Kreisen, von so vielen die »Welt« genannt, aber nichts weniger als die Welt bedeutend. Den Wendepunkt hat er überstanden. Er ist eingetreten in das gereifte Leben, in welchem man nach der Schönheit der Schöpfung und nach dem inneren Werte des Menschen fragt. – Die Waldlilie ist eine wundersam schöne Jungfrau geworden, und meine Mühe um die Ausbildung ihrer Seelenanlagen ist herrlich belohnt.

      So hat es sich erfüllt. Der Schrankenheimer hat seine Schranken durchbrochen. Vor zwei Tagen, am Feste der Himmelfahrt des Herrn, ist in unserer Kirche der Waldherr mit der Waldlilie getraut worden.

      Hermann hat drüben am See im Gesenke ein Sommerhaus bauen lassen wollen, um mit seiner Gattin alljährlich einige Frühherbstwochen daselbst zu wohnen. Aber die Waldlilie hat ihn gebeten, das zu unterlassen. Sie liebe jene Gegend, aber sie

Скачать книгу