Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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wohl!« sagte die Wirtin, »heut' ist es fein auf der Höh', wenn den Herrn der Schnee nicht irrt. Wer Geduld hat, sag' ich fort, der erwartet alles auf der Welt, gar ein schön' Wetter in Winkelsteg. Mitnehmen muß der Herr halt wen.« Dann zu ihrem Manne: »Du, 'leicht will sich der Reiter-Peter einen feinen Führerlohn verdienen?«

      »Der Reiter-Peter«, sage ich, »der ist mir schon recht; das Schwätzen unterwegs ist mir ohnehin zuwider.«

      »Ei, der Herr weiß es schon, daß der Peter nicht schwätzt; ja, der ist fein still, hat er die Geigen nicht bei sich.«

      Der Peter war jener stumme junge Mann, der mir vor zwei Tagen nach der Messe an der Kirchtür begegnete. So stieg ich denn mit dem Patenkind des Schulmeisters, mit allem Nötigen wohl versorgt, das Gebirge hinan.

      Der Schnee war weich und leuchtete in der Morgensonne und hub an zu schmelzen. Bald standen die niedergedrückten Pflanzen und Blumen wieder auf, und die Vögel sangen und hüpften in dem Geäste und schüttelten die Flocken von den Bäumen. Frisch und neulebendig grünte es zwischen dem rosig angehauchten Weiß, und in einer großen Klarheit lagen die Waldberge. Es war in einer wundersamen Weise der Sommer vermählt mit dem Winter.

      Wir gingen an dem Schachen des Friedhofes vorüber; der Peter zog seinen Hut vom Kopfe und trug ihn so lange in der Hand, bis wir vorbei waren. Die alten Bäume flochten hoch über den wenigen Gräbern die Äste und Kronen so ineinander, daß es war wie in einem gotischen Dome. Wohl legte sich über den Wipfeln noch der Schneeschleier hin, im Schatten auf den Gräbern aber prangte frisches Gras und Moosgeflechte, und darüber ragten und lehnten an den Stämmen oder lagen verwahrlost hingestreckt die grauen, bild- und inschriftlosen Holzkreuze.

      Ich wollte mir die Ruhestätte des Pfarrers Paulus und des Reim-Rüpels zeigen lassen. Der Peter sah mich fragend an; davon wußte der junge Mann nichts.

      Später kamen wir auf einen Bergsattel.

      »Wir sind auf der Lauterhöhe?« fragte ich meinen stillen Gefährten. Er nickte bejahend mit dem Kopfe. Ich dachte an den zerstörten Ameishaufen, an das Rind, das den Alpenstrauß fraß, an die Schirmtannen da hinten, an den Schirmtanner, und plötzlich fragte ich den Peter: »Die Schirmtanner-Rosel, die kennst du?«

      Er wurde rot wie eine Alpenrose.

      Von diesem Bergsattel aus hatte sich gegen Mitternacht hin eine ganz neue Gegend auf getan; Täler und Waldberge zogen sich in tiefer Klarheit hin; links erhoben sich Felswände, die weit über die Wälder weg einen schrundig durchbrochenen Wall bildeten. In dieser Richtung hin dachte ich mir die Gegenden der Lautergräben, Karwässer, der Wolfsgrube und des Felsentales.

      Der Weg führte talab; wir aber bogen links ein und stiegen durch Fichtenwald, Zirmgesträuche immer höher empor bis zu den Almblößen, die sich hinanziehen gegen die ragenden Felsmassen.

      Die Schneehülle war hier zwar etwas dichter und spröder, hinderte aber nicht sonderlich im Wandern. Ein paar Hütten standen da, aus deren Dachfugen Rauch hervordrang und in deren Ställen die Rinder schellten. Diese mußten heute Heu fressen, aber nach dem Schnee sollen gute, warme Tage kommen. In welchem Fenster dieser Hütten wohl der Meisterknecht Paul gesteckt sein mochte?

      Wir schritten weiter; bald merkte ich, daß mein Begleiter selbst den Weg nicht kenne. Der Schnee war hier schon fast geschmolzen in der Sonne. Wir gingen den Felsen zu, stiegen an den Mulden empor, wie ich mich erinnerte, daß der Schulmeister gegangen war, und endlich kamen wir auf den Grat.

      Das Bild war unvergleichlich. Der Schulmeister hat es geschildert.

      Wir gingen dem Grat entlang, ruhten dann ein wenig, um uns mit Brot und Fleisch zu laben und die Steigeisen an die Füße zu schnallen. Hierauf gingen wir langsam über das Gletscherfeld gegen den Kegel.

      Die Luft war außerordentlich rein und ruhig; ich empfand in mir eine Frische und ein Wohlbehagen zum Aufjauchzen. Je näher wir der Spitze kamen, je flinker förderten wir unsere Schritte; auch der Peter war lustig geworden.

      Nun waren wir oben, standen auf der Spitze des Zahnes. Mir war zumute, als wäre ich schon früher mehrmals auf dieser Höhe gewesen. Um uns lag in einer unendlichen Ruhe – wie der Schulmeister sagt – die Krone der Alpen.

      Selbst dort hinter den weiten Wäldern, im sonnendurchwobenen Mittag, ragten die Kanten und Spitzen eines fernsten Gebirgszuges noch deutlich, und darüber hinaus, schnurgerade hingezogen, lag ein schimmerndes Band – das Meer!

      Mir war zumute, als müßte ich fortrasen hinab von Fels zu Fels und hin über Berg und Tal, den Schulmeister zu suchen, ihm zuzurufen: »Kommet und sehet!«

      In lauter Begeisterung und in stiller Versunkenheit habe ich wohl lange hinausgestarrt. Dann stiegen wir einige Schritte niederwärts unter den Steinvorsprung, wohl denselben, an welchem der Mann vor fünfzig Jahren gesessen war und geträumt hatte.

      Hier war noch ein wenig Schnee. Wir setzten uns auf trockene Klötze und hielten Mahlzeit. Der Peter spielte mit seinem Stock im Schnee; er zeichnete Buchstaben hin; ich meinte, er wolle mir etwa seine Gedanken und Empfindungen aufschreiben. Aber er zerstörte die Zeichen wieder, und es war nur loses Spiel. Meine Auge schweifte hinaus, flog von einem Berg zum andern, bis zu den fernsten, italischen Höhen. Es glitt hin, es trank vom Meere. Über den Wassern sah ich das Lichtwogen der mittägigen Sonne...

      Plötzlich gellte neben mir ein Schrei. Der Bursche war emporgesprungen und wies mit beiden Händen auf den hügeligen Schneeboden hin.

      Ich forschte nach der Ursache, da waren noch des Jungen Buchstabenreste, da war aufgewühlter Flaum, da war –

      Es war grauenhaft zu sehen. Von der Schneehülle halb bloßgelegt, starrte ein Menschenhaupt hervor.

      Nur wenige Augenblicke war der Bursche schreckerstarrt, tatlos dagestanden; dann eilte er, die Erscheinung von der Schneehülle vollends zu befreien. Mit Fieberhast arbeitete er, und als ein ganzer Menschenkörper dalag, da verbarg er sein Gesicht, sank mir in die Arme und wimmerte.

      Da lag ein mumienhafter Mann, gerollt in einen braunen Mantel, die Züge eingetrocknet, die Augen tief gehöhlt, die wenigen Locken des Hauptes wirr –

      »Kennst du ihn?« fragte ich den Burschen.

      Er neigte traurig den Kopf.

      »Ist es der Schulmeister?« rief ich aus.

      Der Peter neigte das Haupt. –

      Als wir endlich einige Fassung gewonnen hatten, huben wir an, den Toten näher zu betrachten. Er war sorgsam in den Mantel geschlagen, an die Schuhe waren Steigeisen geschnallt, daneben lag ein Bergstock. In dem halb offenen Ledertäschchen fanden sich einige verdorrte Brotkrumen und ein zusammengeknülltes feuchtes Papier. Nach diesem griff ich und zog es auseinander. Da standen Worte, Worte in schiefen, regellosen Zeilen, mit Bleistift unsicher hingedrückt.

      Die Worte sind leserlich und lauten:

      »Christtag. Ich habe bei Sonnenuntergang das Meer gesehen und das Augenlicht verloren.« – – –

      So hatte er sein Ziel geschaut. Als Erblindeter hatte er das Blatt beschrieben, das letzte Blatt zu seinen Schriften. Dann hatte er sich wohl hingelegt auf den Steinboden, hatte die eisige Winternacht erwartet und war in derselben gestorben.

      Wir bauten aus Steinen einen Wall um den Toten und wölbten ihn notdürftig ein. Dann stiegen wir nieder zu den Almen und den kürzeren

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