Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Kirche, die wir gebaut haben mit Mühe und Sorgen.

      Es ist still genug in unserer Kirche; Vater Paul hält den Gottesdienst in den Krankenstuben und auf dem Friedhofe. Die Leute kommen nur mehr in den Särgen zur Pfarrkirche heraus. Die Seuche ist zur »Sterb« geworden. Die Schule ist schon seit Monaten geschlossen.

      Es geht die Sage, der Pfarrer wäre schuld an der Seuche, da er das Branntweintrinken abgesagt. Der Branntwein sei das allersicherste Mittel gegen Ansteckungen.

      Der Hannes lauert. Erst jetzt lehnt sich sein Stolz auf gegen den Pfarrer, dessen Schalkheit und Milde er vor wenigen Wochen unterlegen ist.

      Es ist ein immerwährender Kampf gegen das Geschick und gegen die Bosheit. Wer ausharrt im Ringen und in seiner inneren Überzeugung, der erlangt das Ziel. Das ist ein schönes Wort, aber ich habe es noch nicht recht erproben können.

      Am 22. März 1832

      Heute ist unser Pfarrer gestorben.

      Zwei Tage später

      So hat sich noch keiner selbst erlöst, wie dieser Mann – dieser seltsame Mann, der an einem Fürstenhof regiert, in Indien gepredigt und in der Höhle des Felsentales gebüßt hat.

      Alle Irrpfade des Priestertums hat er durchwandeln müssen, bis er das Wahre gefunden: den Armen im Geiste ein Helfer und Freund zu sein.

      Er hat sich in den Häusern der Kranken seinen Tod geholt. Die Verlobung des Lazarus Schwarzhütter mit der Juliana Grassteiger hat er gesegnet. Ein kleines Unwohlsein hat ihn von der Feierlichkeit weg auf seine Stube gerufen. Er hat sie nicht mehr verlassen. Und ein guter, getreuer Hirt, hat er uns in seiner letzten Stunde noch das Bedeutsamste gelehrt, das Sterben. Wie ein lächelndes Kind ist er entschlummert. Wir, die wir es gesehen, fürchten keiner mehr das Sterben; und wir haben uns gelobt, nach seinem Vorbilde streng unsere Pflichten zu erfüllen.

       Und ich kann's nicht glauben. Ohne Ruh und Rast schau' ich zum Fenster hinaus, ob er nicht des Weges kommt in seinem braunen Rock. Er hat sich schon ein wenig stützen müssen; ist wohl doch gebeugt gewesen unter seinen weißen Haaren.

      Ohne Ruh und Rast geh' ich am Pfarrhofe vorüber; es ist kein Klopfen mehr an den Fensterscheiben, es lächelt kein freundliches Gesicht mehr heraus.

      Da stehe ich still und meine, ich müsse laut seinen Namen rufen.

      Und ich kann es nicht glauben, daß er dahin ist.

      Bei dem Leichenbegängnisse ist der Holdenschlager Pfarrer dagewesen. Er hat sich baß gewundert über die allgemeine Trauer, die in den Winkelwäldern herrscht.

      Selbst der Branntweiner Hannes ist zum Grabe gekommen und hat eine Scholle hinabgeworfen. Nur der alte Rüpel ist nicht zu sehen gewesen; der hat wohl im Urwaldfrieden das Grablied gesungen. Zu Winkelsteg haben die Glocken gesprochen.

      Und als letztlich auch die Glocken stumm geworden, da sind die Leute still davongezogen in ihre armen, zerstreuten Wohnungen.

      Nur ich allein stehe noch da und starre hinab auf den falbenen Tannensarg. Vor achtzehn Jahren habe ich den Mann das erstemal gesehen. Er ist am Grabe gestanden, das sie in der Wolfsschlucht dem »Glasscherbenfresser« gegraben. Seit zwölf Jahren ist er Pfarrer zu Winkelsteg gewesen. Die Leute wissen es nicht und messen es nicht, wieviel sie ihm verdanken. Heute blicke ich nieder auf seinen Schrein; ja, das ist der Schlußpunkt zu der Antwort des Einspanig.

      Wie ich darüber noch sinne, kommt die alte Haushälterin des Winkelhüterhauses, meine ehemalige Wirtin, herbeigewackelt. Sie guckt auch in die Grube, fährt sich mit der Hand über das Gesicht, tappt nach meinem Arm und sagt: »Gott geb' ihm den ewigen Frieden! Das ist ein braver Mann gewesen. Aber ein Fabelhans auch! Wie ein Vogel ist sein Sinn herumgeflogen in der weiten Welt, und auf keinem Fleck, hat er gesagt, war' die Welt mit Brettern verschlagen. Und jetzt – gucket einmal recht hinab, Schulmeister! Da unten ist sie – Gott geb' ihm den ewigen Frieden –, da unten ist sie mit Brettern verschlagen.«

      Das Wort ist gesagt, und hastig humpelt sie auf ihren Krücken davon.

      Und sie hat halt doch endlich recht, die Alte. So unbegrenzt der menschliche Geist auch fliegen mag in den Weiten, sein letztes Ziel wird umschlossen von den Brettern des Sarges. – Glücklicher Schläfer, dir ist ein unendlicher Raum jetzt die Truhe. Noch nicht lang', und dir war zu eng die unendliche Welt. –

      Großer Dichter, vergib, daß ich dein Wiegenlied zur Grabschrift wandle.

      Ostern 1832

      Die Seuche ist erloschen. Man sieht viele blasse, abgehärmte Gesichter umherwandeln.

      In den Mulden der Waldberge und in den Spalten der Felsen schießen Wildwasser zur Tiefe. Der Wasserfall über die Breitsteinerwand ist meines Erlebens noch nie so groß und schön gewesen wie jetzt. Aber es ist gar kein Fallen, es ist ein lindes Niederschweben von der Höhe, aus der Ferne gesehen. Doch wer die Wassermassen in der Nähe betrachtet! Das ist ein gar gewaltiges Losreißen und wuchtiges Niederstürzen, daß der Erdboden klingt. Warum erhebt sich unsere Seele zu einem Wohlbehagen, wenn man die Wirkung einer großen Kraft sieht? – Im Miesenbachgraben und in den Karlehnen donnern die Schneelahnen. Hoch über den Firnen blaut der Himmel.

      Da wir in der Kirche keine Auferstehungsfeier haben, so drängt es die Leute, das Osterfest in anderer Weise zu begehen.

      Der Karsamstag ist vorbei; das Turmkreuz der Kirche schimmert im Abendrot viel glühender als sonst. Es wird heute aber nicht Nacht; ein neues Leben steht auf. Die Leute gehen im Festkleide aus ihren Wohnungen hervor. Ein neuer Tag bricht an am Abend, und Festfeuer leuchten auf den Höhen. – Wer von diesen Menschen weiß es denn, daß auch die alten Deutschen zu solcher Jahreszeit der Göttin des Frühlings Freudenfeuer angezündet?

      Wem nur dieser Einfall ist beigekommen? Da oben auf dem Bühel steht ein alter, einzelner Fichtenstamm; den haben sie vom Fuß bis zum Wipfel mit dürrem Gezweige, Moos und Stroh umflochten.

      Wenige Schritte seitwärts haben sich die Leute um ein kleines Feuer versammelt und singen Lieder. Weiber mit verdeckten Handkörben sind auch dabei, und Kinder spielen mit gefärbten Eiern.

      Es ist schon spät in der Nacht; der Lazarus will mit der Lunte gehen, daß er die Osterkerze in Brand stecke, da huscht durch den finsteren Wald der alte Rüpel herbei, reißt seine Binsenhaube vom Haupte und sagt: »Gelobt sei Jesu Christ, der am Kreuz gestorben ist!«

      Wir sind alle hell verwundert, daß der Alte wieder einmal unter die Leute geht, und ich will ihn sogleich einladen, daß er sich zu mir und dem Grassteiger setze, wo wir einen Mostkrug stehen haben.

      »Dank für die Ehr'!« sagt der Rüpel und zieht seine Strohharfe unter dem Rock hervor, und, in die Flamme hineinstarrend, hebt er an zu reden:

      »Komm just von Jerusalem her. Alle drei Kreuze auf dem Berg Kalvari stehen leer. Christi Leib haben sie gelegt in ein neues Grab, die Seel' ist gefahren zur Höllen hinab. Die Altväter täten warten schon hart. Dem Abraham hat das Feuer versengt den langen Bart; der Moses ist schon tausend Jahr im Rauchfang gesessen und hat auf seine zehn Gebote vergessen. Der Adam, der vorwitzig' Mann, und die Eva haben gehabt kein Röcklein nit an – die tät' das Feuer wohl saggrisch beißen. Das Paradies ist ihnen schon lang' verheißen, und durch die Leidensnot und den bittern Tod tät's ihnen jetzt Christus erlauben. – So hat mir's der recht' Schächer erzählt, dem linken tät' ich's nit glauben.«

      »Nu, Rüpel«, sagen die Leut', »wenn du sonst nichts mehr

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