Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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entgegnet der Klaus spottend, »du, da beißt sie sich ja die Zähn aus!« – Die Hirten erheben über diesen ihren Einfall ein Lachen.

      »Da oben habt ihr's ja, das Gold, da oben!« Der Alte deutet zitternd gegen die glühenden Wände.

      »Ja, du Rüpel, das ist wahr!« sagt der Veit ernsthaft, »das ist richtig Gold; geh nur hinauf und schabe es herab.«

      Der Greis blickt befremdet drein.

      »Da kriegst du einen ganzen Korb voll Gold zusammen, und etwan mehr noch!« sagt der Klaus, »da kannst du dir ein goldenes Schloß bauen und einen goldenen Tisch kaufen und einen goldenen Wein und eine goldene Harfe und eine goldene Frau!«

      »Eine goldene Harfe!« murmelt der Rüpel und seine Augen leuchten auf. Dann fährt er sich mit der Hand über die Stirne. – Er hat das vom goldenen Morgen zuerst selber gesagt, gleichnisweise. – Und jetzt sollte es wirklich so sein?

      »Und das Zeug da gibst du des Grassteigers Esel in die Krippe!« ruft der Veit.

      Bei diesem Spott auf seine Harfe soll es wie der Schatten einer Wolke über das Alten Antlitz gezogen sein.

      »Du, Veit!« droht er, »mein Harfenspiel, das legt dir nichts vor dein Ziel. Das laß du in Ruh!«

      Das Wort reizt den Burschen. »So spielt man auf dieser Harfe!« ruft der Veit und fährt mit der Hand über die Saiten, daß es rauscht und alle Halme springen. Dann sind sie davongelaufen.

      Der Alte sitzt noch eine Weile und bewegt sich nicht. Er starrt auf die zerrissene Harfe, er wischt mit beiden Händen die Augen, er will sich aus dem Traume helfen; er kann es nicht glauben, daß es wahrhaftig sei. Sein Alles und Einziges haben sie ihm zerstört – sein Saitenspiel. Erst als oben in den Felsen schon der helle Sonnenschein liegt, erhebt er sich. Den Astreifen mit dem Strohgewirre hat er sich umgehängt, zu den beleuchteten Wänden hat er emporgestarrt, und mit schweren Schritten ist er davongewankt, hinan gegen die Schroffen, über die der Wasserfall niederrieselt, im Sonnenleuchten zu sehen wie flüssiges Gold ...

      An dem Abende desselben Tages ist es, daß die beiden Hirten wieder lustig um den Herd ihrer Hütte wirten, wie sie es gewohnt. Sie kochen Mehlnocken, welche sie »Fuchsen« nennen, da sie fuchsbraun geröstet sind. Die Herde ist von ihren Weiden geholt und in Sicherheit des Stalles gebracht.

      Lustig sind die Jodelbuben allerwege, aber zum Feierabend am lustigsten. Ist der alte Harfner in der Hütte, so necken sie diesen; ist er nicht da, so necken sie sich selbander. Der Harfner ist heute noch nicht da, so hüpft der Klaus wie ein Affe dem Veit auf die Achseln, reitet auf dessen Nacken und ruft: »Esel, wer reitet?«

      »Einer über dem andern.«

      So treiben sie es. Dann verzehren sie ihre Mehlfuchsen und mit dem Pfannenruß streichen sie sich Schnurrbärte an. Nach einem Schnurrbart geht ihr Sinn, und ein Mägdlein möchten sie küssen, weil das – nach dem Sprichwort – den Bartwuchs fördert. – Der alte Rüpel könnt' aus seinem Bart Silbersaiten spinnen für die Harfe.

      Heute ist der Alte noch nicht da; hat ihn etwan doch der Spaß am Morgen verdrossen? – Die Burschen mögen davon nicht reden. Eine gelinde Reue verspüren sie, und ein Stück Mehlfuchs tun sie in eine Holzschüssel und tragen die Holzschüssel auf den Heuboden und stellen sie auf die Lagerstätte des Alten. Dabei faßt sie schon der Schalk; sie verrammeln das Lager mit Rechen und Heustangen. – Und nun wird der Alte kommen und sich die Nase anrennen und rechtschaffen brummen und zuletzt auf den Mehlfuchs stoßen. Und der Mehlfuchs wird ihn für alles versöhnen.

      Die Burschen haben in derselbigen Nacht prächtig geschlafen. Und als sie erwachen, sind in den Wandfugen schon die goldenen Saiten des Morgens gezogen.

      Das Lager des Alten aber und das Mehlgericht ist noch unversehrt und verrammelt mit Rechen und Heustangen.

      Der Klaus geht zu der Herde; der Veit geht in das Freie. Und das ist heute wiederum eine Morgenfrühe! Frisch und klar und tauig die Almen und Wälder, der Himmel reingeküßt von der Morgenluft. Und hoch auf den Zinnen des nahen Felsgewändes leuchtet die Sonne. Ein Vöglein wirbelt übermütig auf dem Giebel der Hütte, und der Brunnen plätschert emsig in den Trog.

      Der Veit geht zum Brunnen. Die Älpler waschen sich des Morgens Hände und Gesicht so gerne am kalten Quell. Das schwemmt alle Schläfrigkeit hinweg und macht Auge und Herz heiter – heiter wie der junge Tag. Veit kraut mit den Fingern emsig sein wirres Haar zurecht und hält die beiden Hände unter die sprudelnde Rinne. Wohl tut die rieselnde Kühle, Veit! Aber da spinnt sich im Wässerlein heran ein blutroter Faden, und er schwimmt und schlingelt und ringelt sich in der hohlen Hand. Erschrocken zieht der Bursch die Arme zurück und starrt in die Rinne, auf der ein zweites, drittes Fädchen und Fäserchen heranschwimmt, und er starrt in den Trog, wo die Fädchen und Fasern sich winden und einigen und teilen und lösen.

      Veit eilt in den Stall: »Klaus, komm, es sind heut' so Dinger im Wasser!«

      Klaus kommt und sieht und sagt halblaut; »Das ist Blut!«

      »So ist da oben eine Gemse ins Bächl gestürzt«, versetzt Veit.

      »Aber, daß der Rüpel nicht da ist!« sagt der Klaus, und ein wenig später setzt er bei: »Der tät's leicht kennen, ob es Gemsenblut kann sein.«

      Der Veit ist blaß; »Klaus«, sagt er, »steig mit hinauf in die Schlucht!«

      Sie sind dem Wässerlein entlang gegangen; es rieselt wieder klar.

      Tiefer und tiefer steigt die Sonne nieder an den stillen Felsen; höher und höher und mit jedem Schritte hastiger steigen die beiden Burschen empor und zwängen sich durch enge Schluchten, wie sie das Wasser in wildem Wettertoben gerissen, oder in ruhigem Zeitlaufe gehöhlt hat. Die Burschen sagen kein Wort zueinander, sie winden sich durch Knieholz; sie klettern an den schroffen Wänden hin; sie hören ein Rauschen. Sie kommen der Stelle nahe, wo das Wasser wie ein Goldband über die sonnige Wand stürzt.

      »Da ist ein Strohhalm«, sagt der Klaus jählings. Es sind zwei aneinandergeknüpfte Halme. Und daneben liegt der Reifen aus Tannengeäste. An den Gestrüppen des Hanges hängt mancher Halm zerrissen und zerknittert und darunter in der Tiefe des Grundes –

      In der Tiefe ist der alte Mann gelegen.

      Der Kopf ist zerschmettert; in der linken Hand hält er starr gepreßt den Zweig eines Alpenrosenstrauches. Über die Rechte rieselt das Wasser.

      So haben sie ihn gefunden. Wer kann es sagen, wie der alte Mann verunglückt ist? Etwan hat er da oben nach dem Golde des Alpenglühens gefahndet, auf daß er sich eine neue, goldene Harfe erwerbe. Und da ist der mühselige Greis gestürzt. Noch im Fallen hat er sich halten wollen am Rosenstrauche, dessen Zweig mit einem glühenden Röslein ihm in der Hand geblieben. – Und das ist des Waldsängers Ende.

      An diesem Fronleichnamsfeste haben wir ihn in die Erde gelegt. Gar viel Leute sind nicht dabei gewesen. Aber die Waldvögel auf den Wipfeln des Schachens haben ihrem Sangesbruder ein helles Schlummerlied gesungen.

      So arm hat keiner geschienen in den Winkelwäldern wie dieser Mann, und so reich ist keiner gewesen. Das allwaltende, allumfassende und unfaßbare heilige Sängertum des Volkes hat in diesem Manne seine Verkörperung gefunden.

      Auf Vater Paulus' Grab steht ein Kreuz aus dem Holze einer uralten Tanne. Auf des Sängers Hügel pflanze ich einen jungen Baum.

      Juli 1832

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