Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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ist, saß der Haberturm-Rudolf am Rande des Troges.

      »Ich hab' dich noch einmal sehen müssen, Gabriel!« sagte er, »weißt, bei diesem Wasser nehmen wir Abschied. Das ist der Gabriel-Brunnen.«

      »Deine Freundschaft nehme ich mit, Rudolf. Denke zuzeiten an mich; ich gehe von der Einöde nun erst recht in die Einöde hinaus. Ich kenne keinen Weg und Steg da draußen in der ganzen Welt. Ich versuche mein Glück, und solange ich die Sonne und die Sterne der Einöde sehe, kehre ich nicht um. Rudolf, gib mir deine Hand. Eine Bitt' hab' ich noch an dich. Schau, wenn ich an meine Eltern, an meine Schwester denke, die ich nun hab' verlassen müssen, so möcht' ich weinen soviel Tränen wie dieser Brunnen Wassertropfen hat. Nimm dich ein wenig ihrer an, und mach' mir von ihnen zu wissen, sobald ich dir meinen neuen Wohnort bekanntgegeben habe. Und grüße mir sie noch einmal!« Er bückte sich und pflückte ein Maßlieb am Rain: »Das gib der Regina. Und jetzt, Rudolf, reich' mir nochmals deine Hand. Behüt' dich Gott, Rudolf, behüt' dich Gott!«

      So schieden die jungen Freunde.

      Rudolf schritt zurück in die traurige Welt der Einöde, Gabriel wanderte mutig hinaus in die unbekannte Einöde der Welt.

      Zieht mit den Wölklein

       Nicht dort der Vögel

       Lustiges Völklein

       Singend durchs Land?

       Wo sie entsprossen,

       Weilt nicht die Quelle,

       Hüpft zu Genossen

       Über die Wand!

      Hast du zum Wandern,

       Freund, nicht die Füße

       Einen zum andern?

       Sende sie fort;

       Fort von der Stelle,

       Bis sie erreichen die

       Flüchtige Seele

       Auf sonnigem Hort.

      So sang Gabriel und schlug mit dem Stocke dazu den Takt. Und fort zog er, hinaus durch die Schluchten und Täler. Zu beiden Seiten hatte er hohe Berge. Und als diese zurückblieben, mit ihren Wäldern und Wildnissen, gab ihnen Gabriel keinen Abschiedsgruß.

      In Rattenstein machte er dem Arzt einen Besuch und bat ihn, wenn er irgendeinmal in die Einöde käme, sich nach seiner kranken Mutter umzusehen.

      Eine Stunde weiter, bei Karnstein, betrat er das breite Tal, in welchem viele Arbeiter am Bau einer Eisenbahn beschäftigt waren.

      Als er für die erste Nacht in einem Gehöfte übernachtete und vor dem Schlafengehen in dem Hausflur warme Milch und Brot genoß, setzte sich der Bauer zu ihm und sagte:

      »Nichts für ungut, wohin geht die Reis'?«

      »In die Fremde hinaus«, antwortete Gabriel.

      Der Bauer tat mit der Hand einen wegwerfenden Wink:

      »Da hab' ich schon genug. Halt' nichts auf das Länderpassieren; mit einem geflickten Rock geht man fort, mit einem zerrissenen kommt man heim. Arbeiten wollen die jungen Herren nicht, nur alleweil die Welt breittreten. Gleich mit dem Schnallendrucken seid ihr zur Hand und meint, unser Herrgott hätt' die Häuser nur für die Stromer an die Straße gerückt; – von glühendem Eisen sollt' jede Türschnalle sein, tät' euch's wünschen. – Nu, nu, Er mag seine Milch schon ausschaufeln, red' ja nicht von Ihm allein. Brocken mag er auch noch – g'segn Ihm's Gott! Aber das habt ihr schon so, viel lieber Hunger leiden, als einmal einen Haustiel angreifen. Allweg bequem, das ist eure Such'; wenn's euch auf der Straß' zuviel Staub hat, so lauft ihr über die Felder und stampft das liebe Gotteskörndl in den Grund. Und wenn ihr zum Haus kommt, gleich nistet ihr euch ein, man weiß gar nicht wie; die Flügel gehen euch noch ab, sonst wäret ihr prächtige Spatzen auf unseren Scheunen. – So, wenn Er 'gessen hat, so führt Ihn der Bub in den Stall hinaus, hab' ein frisches Heu; aber tu Er sich einen Strohbausch unter Haupten legen, sonst kennt Er sich morgen nicht aus vor lauter wüstem Kopf. Lass' Er mir aber seine Tabakspfeif' in der Stuben! – Ihr seid ein leichtsinniges Volk und fragt einen Kletzen danach, wenn ihr einem Haus und Hof niederbrennt. – Was schaut Er denn so? Red' ja nicht von Ihm, Er hat ja gar keinen solchen Trenstiegel, seh' ich. Fall' Er nicht über die Leiter. Schütz' Ihn Gott der Herr!«

      Die zweite Nachtherberge suchte Gabriel in einer Hütte, welche an einem Berghang klebte. Sie wurde ihm gewährt, und ein alter Mann setzte sich gleich zu ihm auf die Ofenbank, fragte ihn nach Neuigkeiten und bedeutete, daß er gar rechtschaffen wißgierig sei, was sich in der Welt draußen so hin und wieder zuträgt, und er halte sich deswegen gern lebendige Zeitungen mit zwei Füßen und einem Wanderstabe. Just auf alles dürfe man keinen Eid schwören, was solche Zeitungen bringen, aber die gedruckten seien auch nicht all' Tag ein Evangelium.

      Und der Alle hatte für seine zweifüßigen Zeitungen in der Dachstube ein bequemes Lager mit leidlich reiner Wäsche; wenn Gabriel auch sonst nichts zu erzählen wußte als vom Heidehause in der Einöde, von Haberturms Rudolf und von der Zapfenwirtin, die ein Redetalent habe wie keine zweite mehr auf der ganzen Welt, so wurde er dennoch gut gehalten und gepflegt.

      Am dritten Tage kam Gabriel in ein flaches Moorland, und als es Abend wurde, fand er keine Menschenwohnung und mußte hungernd und durstend in einer verfallenen Lehmhütte übernachten.

      Am vierten Tage wanderte Gabriel auf einer fruchtbaren Ebene; die Leute heimsen eben die Spätherbsternte ein. In der Richtung, in welcher noch einen Tag früher das Gebirge gelegen, mit den bläulichen Höhen der Einöde, mit den Kanten der Wildschroffen, deren Anblick den Wanderer lange begleitet hatte – lag heute auf der Ebene der Horizont mit fernen weißen Wölklein. Weit, weit war die Heimat zurückgeblieben.

      Die Gegend war sehr lebendig. Große Dörfer und Herrenhäuser hin und hin, und reiche Gärten. Die Straße hatte zahlreiche Abzweigungen, und auf allen fuhren Lastwagen und Herrschaftskutschen, trabten Reiter hin, eilten Menschen an Schiebkarren. An demselben Tage sah Gabriel die erste fertige Eisenbahn und den elektrischen Draht.

      Und an demselben Tage erreichte er die Hauptstadt.

      – Hast du gemeint, Gabriel, gleich, wie du mit Sack und Pack durch das Stadttor gingest, kämen sie dir entgegen und sagten: Ei schau, des Heidepeters Sohn aus der Einöde! Mit Freude nehmen wir dich auf; sei uns gegrüßt!

      – Nun, und ist dir keiner entgegengekommen und hat keiner so gerufen?

      Keiner von den vielen Tausenden, die hier zwischen den hohen Prachtbauten zu Fuß und zu Pferd und zu Wagen an ihm vorübereilten.

      Gabriel stellte sich anfangs an eine Mauernische und meinte, das Gedränge würde vorüberziehen. Als es aber nicht vorüberzog – als er immer wogte, als er immer brauste, der ewig schäumende, gischtende, hochbewegte Menschenstrom, da stürzte sich Gabriel denn auch hinein wie ein Tröpflein aus der Gebirgsquelle, und ließ sich mitreißen in das Meer...

      Da stand er auf einem großen Platz, den ein weiter Ring von Häusern und Palästen umschloß, und das war ein Hineilen über das Pflaster, ein Rasseln und Schnurren, ein Treiben an den Ständen und Buden, und das war ein feines, glattes Wesen an den Geräten, an den Kleidern, an den Gesichtern, und ein Glitzern und Funkeln an den Fenstern und Auslagen. Männer in blauen Kitteln zündeten die Laternen an, und es schien doch noch die Sonne auf die Türme und Giebel.

      –

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