Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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bei diesen letzten Worten aufgesprungen und hinausgetaumelt vor die Hütte. Als ob auch ihm ein scharfes Messer den Kopf abgehauen hätte wie dem Raben, so kopflos war er.

      Wie blaute oben das Himmelsauge, wie strahlte und leuchtete der junge Morgen in den hohen Schroffen, wie tausendstimmig zirpte es in allen lebendigen Zweigen des Hochwaldes, und eine Meise im Föhrengehege sang in einem fort: »Dir zu Ehr'! Dir zu Ehr'!«

      Aber die Einschicht-Res in der Hütte rief laut:

      »Es ist keiner, und das ist die Wahrheit. Amen.«

      Jetzt, Heidepeter, bist du in der Einöde! Jetzt ist alles von dir, dein Haus, deine Ehre, deine Kinder, dein Weib, dein Selbstvertrauen – dein Gott! Jetzt ist alles von dir, Heidepeter, jetzt bist du in der Einöde!

       * * *

      In der Einöde.

      Das ist jene dornengekrönte Geschichte, die ein Mann aufgeschrieben hat in trüben, einsamen Stunden. Die Poesie wendete ihr Antlitz von ihm ab, ließ ihn allein mit der Erde; zerrissen starrte er in den dunkeln Webstuhl, an welchem die Menschen sitzen und so unsinnig weben.

      Ein Morgen im Walde

       Inhaltsverzeichnis

      Die Seele des Waldes, wer leugnet sie, wer hat sie noch nie empfunden?

      Die Sonne neigt sich, es naht der Abend. Der Vögel Sang verstummt beizeiten; diese Wesen halten nur Morgengottesdienst und arbeiten bloß am Vormittage, dann ziehen sie sich zurück in ihre Familie. Nur der Specht ist fleißig länger hinaus; er hackt an seinen Stämmen und Rinden bis spät am Abend – wie's schon bei allen Holzhauern geht. Der Uhu fängt gar erst am Abend an und singt seine klagenden Lieder.

      Wohl den ganzen Tag hindurch herrscht Dämmerung im Walde, und im Halbdunkel wiegen an dem verwitterten Geäste sanft die grauen Moosfahnen. Hie und da auf dem mit Wurzeln und dürren Nadeln bedeckten Boden liegt ein sonniges Scheibchen, oder an den glatten Stämmen hängt da und dort ein goldiges Täfelchen, oder es windet sich ein Silberfaden durch das Geäste. Gegen Abend finden sich diese Dinge an einer anderen Stelle und sind rötlicher; allmählich werden sie matt, und endlich lösen sie sich auf, und es ist gar nichts Farbiges mehr da, es ist kein Ast und kein Stamm deutlich mehr zu sehen, es ist eine Mauer von Dunkelheit; die Sonne ist untergegangen. Da jauchzt der Baumkauz, und er redet laut mit sich selbst, und er schüttelt vor Lachen seinen großen Kopf. Er lacht sich schier heiser; wen er wohl auslacht, der alberne Kauz? Ein Totenvogel soll er sein – und sein Lachen?

      So war es in den unwirtlichen Waldungen der Schroffen, als Regina angstvoll durch dieselben dahineilte. Sie suchte die Mutter, sie hörte den Totenvogel.

      »Sind Geschichten,« sagte sie dann, sich selbst ermutigend, »die Eule hat auch der Herrgott erschaffen, und sie lebt so gern wie jedes andere Tier, und sie wünscht keinem Menschen was Böses. Wenn ich den Vogel nur verstehen könnte, vielleicht hat er meine Mutter gesehen und erzählt es mir jetzt, daß sie unter einem dichten Baume ruht, oder daß sie drüben ist bei den Holzhauern. Und er lacht, weil ich da wie närrisch umhersuche.«

      Es knisterte in dem dürren Gefälle, der Boden dröhnte, und eine Gestalt huschte hin zwischen den Stämmen. – Dem Mädchen zitterten alle Glieder vor Angst, gleich aber sagte es halblaut:

      »Ist ein Reh gewesen, und mir geschieht nichts, und ich weiß gewiß, daß ich morgen, wenn die Sonne aufgeht, frisch und gesund bin«, Wenn ich nur nicht so dumm wär' und nicht allweg an Gespenster denken müßte, ich bring' mir die Gedanken nicht aus dem Kopf, und es ist doch nichts, es ist zur Nachtzeit im Walde kein Tüpfelchen mehr und keines weniger als am Tag; nur daß die Finsternis ist. Daß rote Flämmlein leuchten um Mitternacht, wenn der Mond aufgeht, ist wahr, weil es glänzende Käfer sind: der alte Schulmeister hat's ja oft gesagt. Daß es einen Seelenschimmel gibt, der einem im Walde auf der Achsel sitzt und die kalte Totenschnauz' vorn herab hält, dasselb' ist eine helle Lug'. Der liebe Gott mag keine solchen Dinge bei seinen Menschen auf der Welt. – Wenn ich mich nur nicht versündige, daß ich's da gleich wissen will, was Gott mag oder nicht, und daß er mich nur nicht etwa straft dafür gleich auf der Stell'!«

      Die Angst wurde immer größer, Regina fürchtete sich zuletzt gar vor ihren eigenen Gedanken, und sie betete. Sie eilte weiter, stolperte über Wurzeln, stieß an Baumstämme, verrannte sich endlich so in das hohe Heidekraut, in das Gefälle und Gestein, daß sie gar nicht mehr weiter konnte.

      »Das ist ein unsinnig Rennen,« sagte sie endlich, »was will ich denn? Wo will ich denn hin mitten in der Nacht? Jetzt komm' ich schon bald in die Wildschroffen hinein und auf den gottessträflichen Schroffenstuhl, und ich bin vier Stunden weit von den Häusern und Menschen weg. Die anderen suchen ja auch, die haben meine Mutter lang' schon, und ich steig' da in der Wildnis herum. Zuletzt tret' ich gar noch auf eine Irrwurzen, und ich find' nicht mehr zurück und stürz' wo ab an den Wänden. Jetzt will ich gescheit sein und will da in einem Dickicht niedersitzen und warten, bis der Tag kommt, nachher wird mir mein Schutzengel schon eingeben, was ich weiter tun soll.« – Sie verkroch sich in eine dichtverwachsene Baumgruppe, kauerte sich zwischen verschlungene Wurzeln und sagte:

      »So, das ist heut' mein Bett, man muß alles probieren auf der Welt.«

      Es war eine laue, stille Nacht; es war, als hörte man von den fernen Schroffeneckschluchten herauf leise, leise das Rauschen des Wildbaches.

      Regina betete ihren Abendsegen:

      Im Gottesnam' schlafen,

       Sechs Engel werden mir wachen,

       Zwei zu Häupten, zwei zu Füßen,

       Zwei zur Seiten.

       Mein Namenspatron wird mich leiten.

       Und unser' liebe Frau wird über mich

       Ihren Schutzmantel ausbreiten.

      Zehn Schritte von ihrer Lagerstätte stand Zapfenwirts Davidl.

      Dem Davidl ging's sonderbar. Die Gemsbartgedanken hatte er schon lange nicht mehr gehegt; er hatte in dieser gottverlassenen Wildnis bereits ungeheuerliche Dinge gesehen. Zuerst unten in dem nackten entrindeten Gefälle ein bleiches Totengerippe, dann ein flackerndes Licht, das auf ihn zukommen wollte, und das die unerlöste Seele eines vor der Taufe gestorbenen Kindes war. Dann war ein Uhu aufgeflattert und hatte geschrien: »Geh mit! Geh mit!«, und zuletzt war ihm gar der Seelenschimmel auf den Schultern gesessen. Dem Burschen standen die Haare zu Berg; er wollte um Hilfe rufen, aber es versagte ihm die Stimme, er murmelte Beschwörungsformeln.

      Das Wild war längst vergessen; er wollte nun das Gewehr wegwerfen, daß er damit nicht etwa die Gespenster reize, hielt es aber doch krampfhaft umspannt. Daß außer ihm ein Mensch in der Nähe, war sein einziger Trost; er schlich dem Mädchen immer nach und war ängstlich, daß er nicht dessen Spur verliere. Es kam ihm der Gedanke, sich Regina zu zeigen, ihr seinen Schuh anzubieten und mit ihr wieder abwärts zu wandeln gegen die Häuser. Er hatte aber nicht den Mut dazu, er war stets in gleicher Entfernung von ihr gebannt, die Angst und Furcht ließ ihn nicht zurückbleiben, und eine innere Scheu ließ ihn ihr nicht näher kommen. So litt er große Bedrängnis.

      Als Regina im Gebüsche zur Ruhe gekommen war, blieb Davidl an einem Baumstamme stehen, setzte sich endlich nieder und blickte immer und immer ängstlich umher, ob nicht irgendwo ein blutiges Licht flackere oder das Totengerippe wandle.

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