Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Читать онлайн книгу Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning страница 20
Tertinius seufzte. Er stand auf, ging ans Fenster, sah eine Weile hinaus. Dann drehte er sich wieder um, trat hinter seinen Schreibtisch und maß sie mit einem kalten Blick.
»Ich mag es nicht, wenn man nicht mit mir redet. Du solltest dir klar sein, dass dein Leben und das deiner Freundin in meiner Hand liegen. Ich könnte euch ohne Weiteres zu Dardanus zurückschicken, wenn ich will. Oder wäre dir Marcellus lieber? Oder Bassus?«
Aelia starrte ihn an. Widerwillig schüttelte sie den Kopf.
»Gut.« Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. »Was kannst du noch außer Faustkampf?«
Aelia verstand nicht, worauf er hinauswollte. Wäre es besser, wenn sie ihm alles verriete? Oder würde ihr das nur schaden?
»Sarus hat uns auch den Stockkampf beigebracht.«
»Den Stockkampf? Was ist das denn für eine Art zu kämpfen?«
»Er hat sie von einem Hunnen gelernt. Man kann auch einen starken Ast nehmen – zur Not.«
»Und damit den Gegner aufspießen?«
»Ein Stock kann eine gute Waffe sein, wenn man kein Schwert hat.«
»Nun ja, mag sein. In den hunnischen Steppen vielleicht.« Tertinius lächelte spöttisch. »Aber du kannst auch das Messer werfen, richtig?«
Aelia nickte und sah auf ihre schmutzigen Schuhe herunter. Als sie wieder zum Präfekten aufsah, bemerkte sie den erstaunten Ausdruck auf seinem Gesicht. Er ließ sich in seinen Sessel sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sieh mal einer an! In der Abgeschiedenheit von Dardanus’ Villa werden Soldatinnen ausgebildet. Man sollte ein Auge auf das Haus haben.«
Er nahm den Stilus von seinem Schreibtisch und drehte ihn nachdenklich in der Hand.
»Diese Barbarin – wie hieß sie noch gleich?«
»Eghild.«
»Ja, richtig. Was weißt du von ihr?«
Es gab Aelia einen schmerzlichen Stich, an Eghild denken zu müssen. Warum fragte er nach ihr? Was ging sie ihn jetzt noch an, wo sie tot war? Aelia antwortete nicht, und Tertinius’ Miene verschloss sich, sein Blick wurde kalt wie der Raum, in dem sie saßen.
»Ich dachte, wir arbeiten zusammen«, sagte er. »Hast du nicht begriffen, dass ich dich wieder zu Dardanus zurückschicken werde, wenn du mir nicht sagst, was du weißt?«
»Wer sagt mir, dass du mich nicht wieder zu ihm schickst, wenn ich alles verraten habe? Was willst du überhaupt von mir, Präfekt?«
»Langsam, eins nach dem anderen. Du erzählst mir, was du weißt, denn du hast gar keine andere Wahl. Also, wer war Eghild?«
»Ich weiß es nicht.«
»Verdammt!« Der Präfekt warf den Stilus zurück auf den Tisch. »Du wirst mir jetzt sagen, was du weißt oder ich lasse dich und deine blinde Freundin im Kerker, bis du redest!«
Er sah aus, als würde er nicht zögern, seine Drohung wahrzumachen. Aelia knetete ihre Hände, während die Angst ihr den Nacken herunterlief. »Herr«, sagte sie versöhnlicher, »ich weiß wirklich nichts über sie. Wir waren keine Freundinnen.«
»Aber ihr habt euch bei Dardanus eine Kammer geteilt!«
»Woher weißt du das?«
Tertiniusʼ Hände schlugen auf die Sessellehnen. »Beim Allmächtigen! Ich stelle hier die Fragen! Also zum letzten Mal: Sag mir alles, was du über sie weißt.«
Mit Mühe zwang sich Aelia, an Eghild zurückzudenken. Sie dachte an das bleiche Wesen, das abends vor der Luke ihrer Kammer gestanden hatte, und auf einmal durchzuckte sie Reue. Hätte sie Eghild doch nur mehr beachtet! Was hätte sie nicht alles herausfinden können, wenn sie nicht so abweisend gewesen wäre!
Sie schluckte mit Mühe den dicken Kloß herunter, der in ihrem Hals steckte. »Sie … kannte geheime Beschwörungssprüche. Sie stand oft am Fenster und murmelte Gebete zu einer … Göttin.« Aelia musste daran denken, wie sie jeden Abend Eghilds Gebete belauscht hatte. Sie hatte jedes Wort verstanden.
Tertinius machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hat Eghild dir erzählt, wo sie den Schwertkampf gelernt hat?«
Aelia starrte auf eine Schriftrolle, die neben mehreren Wachstafeln ausgebreitet auf seinem Schreibtisch lag. Linien waren darauf eingezeichnet wie auf einem Spinnennetz, nur nicht so regelmäßig.
»Wir haben nie darüber gesprochen. Es ist mir nur aufgefallen, dass sie den Stock anfangs wie ein Schwert geführt hat.«
»Nun, wir kennen die Franken lange genug. Keine Frau führt bei ihnen eine Waffe. Hat sie dir nie erzählt, wie sie zu Dardanus kam? Woher sie kam? Etwas über ihren Stamm?«
»In Dardanus’ Haus sprach man nicht über seine Vergangenheit.«
Der Präfekt musterte Aelia lange. Vom Hof her erklangen die Schritte vieler Soldaten und die Befehle der Offiziere. Dann zog er einen Lederbeutel aus seinen Gewandfalten und stülpte ihn um. Ein goldener Ring mit einem schwarzen Stein fiel auf die Eichenholzplatte.
»Bassus war so nett, mir diesen Ring zu überlassen, den er bei dir gefunden hat. Wo hast du ihn her?«
Aelia betrachtete Eghilds Ring. Sie dachte daran, wie sie ihn entdeckt hatte. Sie schloss die Augen, schob den Gedanken fort. »Ich habe ihn geerbt«, murmelte sie. »Von meinem Großvater.«
Tertinius’ Miene wurde starr. Seine Augen funkelten wütend. »Du lügst. Ich habe gehört, wie Eghild dich nach dem Ring fragte. Du hast sie angelogen.«
»Du sprichst Fränkisch, Herr?«
Tertinius seufzte. »Gib zu, dass du ihn gestohlen hast!«
Aelia wich seinem Blick aus und sah auf die Schriftrolle. Zwischen den Linien waren Worte eingezeichnet. »Ja, es ist Eghilds Ring. Ich habe ihn ihr gestohlen.«
»Warum?«
Aelia antwortete nicht. Tertinius trommelte mit den Fingern auf seine Sessellehnen, während er sie nachdenklich musterte. »Du bist ein seltsames Mädchen, Aelia. Du bist kaltblütig genug, Eghild zu bestehlen, aber du beschützt Verina und lässt dich verhaften, wo du ohne Weiteres hättest fliehen können. Du hast Eghild nicht gemocht, nicht wahr?«
Aelia nickte.
»Was wolltest du mit dem Ring?«
»Warum ist das jetzt noch wichtig? Eghild ist tot und der Ring ist hier.«
Der Präfekt beugte sich in seinem Sessel vor. Seine Augen blickten kalt aus seinem geröteten Gesicht, über dem seine Haare wie Schnee hingen. Ein Wintermensch, dachte Aelia, frostig und kalt.
»Hast du immer noch nicht begriffen, dass ich hier die Fragen stelle?«, zischte er. »Ich könnte dich wegen Diebstahls und deine Freundin wegen Bettelei im Kerker verrotten lassen, und niemand würde es je erfahren. Also sag mir, was ich wissen will, verdammt noch mal!«
Aelia