Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Читать онлайн книгу Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning страница 18
Es war eine nüchterne Feststellung, und sie klang umso merkwürdiger aus Verinas Mund, weil Verina nicht der Mensch für nüchterne Feststellungen war. »Gott möge sich ihrer Seele erbarmen«, seufzte sie und bekreuzigte sich wieder. Eine Weile schwiegen beide und starrten auf den glitzernden Schnee.
»Meine Gegnerin war zu stark«, fuhr Verina leise fort. »Das Publikum stand auf ihrer Seite. Sie hat mich so niedergeschlagen, dass ich das Bewusstsein verlor. Wahrscheinlich haben sie mich dann begnadigt, denn als ich wieder aufwachte, war ich schon bei Bassus.«
Sie lachte bitter auf.
»Das muss aufhören!«, sagte Aelia leise. »Wir müssen zum Bischof gehen und ihm sagen, dass sie heimlich Kämpfe auf Leben und Tod veranstalten. Er ist ein christlicher Mensch, er wird uns anhören.«
Sie war zwar nicht davon überzeugt, dass der Bischof ihnen glauben würde, aber bei ihm müssten sie am wenigsten befürchten, dass er sie zu Dardanus zurückschicken würde.
Im Dunkeln konnte sie sehen, wie Verina den Kopf hob. »Du hast recht. Der Bischof wird uns bestimmt helfen.«
Von irgendwoher hörten sie ein Geräusch. Aelia fuhr auf, lauschte in die kalte Winternacht hinein, hörte aber nichts. Vielleicht war es ein Tier gewesen, ein Nachtvogel oder eine Katze.
»Wir müssen weiter.« Sie spähte in die Dunkelheit. Als sie niemanden sah, half sie Verina hoch und führte die Freundin weiter durch das verfallene Viertel. Da Verina Schwierigkeiten hatte, auf dem unebenen Gelände zu gehen, führte Aelia sie durch eine kleine Seitenstraße bis zur Via Fori. Still lag die Straße in der Dunkelheit, während Spuren von Rädern und Schuhen im Schnee vom geschäftigen Treiben zeugten, das tagsüber hier herrschte.
»Hast du Geld?«, fragte Verina zaghaft.
»Nein.« Aelia fiel wieder ein, dass Bassus ihr Eghilds Ring gestohlen hatte. Dieser Hurensohn! Erde über ihn! Möge er an einer langen qualvollen Krankheit zugrunde gehen! Ihre Wut hielt sie so gefangen, dass sie die Schritte erst hörte, als Verina sich umwandte.
Zwei Soldaten folgten ihnen. Aelia fasste Verinas Hand fester und beschleunigte ihre Schritte. Sie waren nahe der Via Fori, dort, wo das verfallene Viertel endete und das belebte Herz der Stadt begann. Ein Stück weiter entfernt lag ein Haus mit einem schützenden Säulengang, aber sie konnten es nicht mehr bis dorthin schaffen, ohne von den Soldaten bemerkt zu werden.
Verinas Hand verkrampfte sich in ihrer. »Wer ist das?«
»Soldaten.«
Verina fuhr zusammen.
»Nur ruhig weitergehen, dann tun sie uns nichts«, presste Aelia zwischen ihren Zähnen hervor. Aber ihre Hoffnung war vergeblich. Die Soldaten kamen rasch näher, während der Schnee unter ihren Stiefeln knirschte. Sie trugen Kettenhemden unter ihren Mänteln, lange Beinlinge, Stiefel.
»Stehen bleiben!«, befahl einer von ihnen, ein junger, kräftiger Mann mit kurz geschorenen Haaren. Neugierig flog sein Blick über sie hinweg und blieb an Verinas Augenbinde hängen. »Wo wollt ihr hin?«
Aelia versuchte, ihre Angst niederzukämpfen. Sie konnte mit Verina unmöglich fliehen, zusammen wären sie viel zu langsam. Allein würde sie gegen zwei bewaffnete Männer nicht ankommen. Sie musste mit ihnen reden.
»Zum Bischof.«
»Zum Bischof? Mitten in der Nacht? Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«
»Doch, ist es. Wir haben Hunger und uns ist kalt. In der Kirche bekommen wir Obdach, hat man uns gesagt.«
Die beiden Soldaten wechselten Blicke. »Nehmt eure Kapuzen ab!«, befahl der Kurzgeschorene.
Im Licht des Vollmondes betrachtete Aelia die Soldaten genauer. Das Erkennen durchfuhr sie wie ein Schlag: Es waren jene Soldaten, die am Abend ihres Kampfes in den Thermen Wache gehalten hatten. Sie würden sie an ihren haarlosen Köpfen sofort erkennen.
Aelia hob ihren Arm und hieb dem Soldaten heftig ihre Faust ins Gesicht. Er taumelte und prallte gegen den anderen. Dann zog sie Verina mit sich fort. Gemeinsam rannten sie die Via Fori hinunter zum Forum. Aber sie waren nicht schnell genug. Schon bald hörten sie Schritte hinter sich im Schnee. Die Männer zogen ihre Schwerter. Aelia stellte sich vor Verina und ballte ihre Fäuste. Der Kurzgeschorene starrte sie wütend an. »Ergib dich, Kämpferin des Dardanus!«
Aelia zögerte. Ihre Kapuze war während der Flucht heruntergerutscht, und sie spürte einen kühlen Luftzug auf der Haut. Sie starrte auf das Schwert hinunter, das vor ihrer Brust aufblitzte. Vielleicht wäre es besser, jetzt einen schnellen Tod zu sterben. Alles wäre besser, als wieder zu Dardanus zurückzumüssen. Da fühlte sie Verinas Hand auf ihrer Schulter. »Aelia, bitte!«
Sie atmete tief die kalte Nachtluft ein. Langsam hob sie ihre Hand zum Zeichen, dass sie sich ergab.
Kapitel 6
Die Soldaten führten Aelia und Verina die Via Valentinian hinauf zum Palastviertel. Der Kurzgeschorene ging mit energischen Schritten vorneweg, der andere stieß sie grob vor sich her, wobei sein gezogenes Schwert ihnen oft gefährlich nahe kam.
Aelia fragte sich, wo sie sie wohl hinbringen würden – zurück zu Dardanus oder womöglich zu Marcellus. Liebe Götter, lasst es nicht Dardanus sein, flehte Aelia im Stillen. Marcellus könnte sie vielleicht noch davon überzeugen, Verina zu verschonen, wenn sie für ihn kämpfte.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Kaum hatte sie Glück gehabt und die Freundin wiedergefunden, wurde dieses Glück wieder zerstört. Warum waren sie nicht vorsichtiger gewesen, als sie die Stadt durchquerten! Aelia fühlte eine warme Träne auf ihrem kalten Gesicht. Sie starrte auf ihre Stiefel, die feucht waren vom Schnee, fühlte den rauen Stoff von Verinas Mantel in ihrer Hand. Fest hielt sie den Arm der blinden Freundin umklammert.
Die Soldaten bogen in eine Seitenstraße und schritten an einem gewaltigen Gebäude entlang, das sich die ganze Straße hinzog und in dessen Mitte ein großes Torhaus lag. Aelias Herz stolperte vor Angst. Der Palast der Stadtwache! Er war das Schlimmste, das ihr passieren konnte, schlimmer noch, als zu Dardanus oder Marcellus zurückzumüssen. Hier waren die Verliese, in die man die Straßenkinder brachte, wie Dardanus ihnen erzählt hatte.
Die Soldaten nickten den Wachmännern zu, die das Tor für sie öffneten, und schoben die Mädchen hindurch. Ein weiter Platz, dessen Schneedecke von vielen Spuren aufgewühlt war, öffnete sich vor ihnen. Er war begrenzt von Säulengängen und an der gegenüberliegenden Seite von dem eigentlichen Palast, über dem sich eine Kuppel wölbte. In der Mitte des Platzes erhob sich eine Statue des Kaisers.
Die Soldaten führten die Mädchen durch einen der Säulengänge, von dem zahlreiche Türen abgingen. Aelia sah auf den roten Mantel des Kurzgeschorenen und musste an ihren Vater denken. Ob auch er einst durch diesen Gang geschritten war? Rasch schob sie die Erinnerung fort.
Der Kurzgeschorene öffnete eine Tür, nahm eine Fackel, die in einer Halterung brannte, und stieg eine Treppe hinab. Aelia zögerte. Kühl wehte die Luft aus dem Keller zu ihr herauf. Der Kerker! Wenn sie hier hineingingen, kämen sie nie wieder heraus.
»Warum werden wir eingesperrt?«, rief sie. »Wir haben nichts getan!« Der Soldat hinter ihr versetzte ihr einen Stoß.
»Runter mit dir!«, schnarrte er. Aelia konnte nur noch Verina fassen und