Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Читать онлайн книгу Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning страница 19
»Warum nicht? Lasst mich bei ihr, sie ist blind! Sie braucht mich!«
Aber der Soldat schüttelte nur wortlos den Kopf und schloss die Tür. Hilflos sah Aelia, wie Verina das Gitter umfasste. Hinter ihr kauerten ein paar andere Gestalten.
»Nein!«, schrie Aelia. »Neiiin!« Laut hallten ihre Worte von den Wänden und klangen in ihren Ohren mit vielfachem Echo wider.
Verina streckte die Hand nach ihr aus. Ehe Aelia sie fassen konnte, schob der Soldat sie vorwärts, doch sie verpasste ihm einen Stoß und riss sich los. Der Soldat taumelte. Sie nahm Verinas Hand und drückte sie fest. »Wir kommen hier raus, verlass dich auf mich!«
Aus den Augenwinkeln sah sie den Kurzgeschorenen auf sich zukommen, dann spürte sie einen harten Schlag auf ihrem Kopf. Alles um sie herum versank in tiefe Nacht.
*
Als sie wieder erwachte, war es schon Tag. Licht fiel durch eine schmale Luke ihres Gefängnisses herein und blendete sie. Sie öffnete die Augen, blinzelte, aber das Licht tat so weh, dass sie sie schnell wieder schloss. Ihr Kopf schmerzte. Ihre Finger fuhren über die kratzige Wolldecke, auf die man sie gelegt hatte. Eine weitere Decke lag auf ihr, immerhin, aber dennoch waren ihre Glieder kalt und steif gefroren. Sie wälzte sich aus dem Licht, öffnete die Augen und sah sich um: ein steinernes Gefängnis umschloss sie. Die Gittertür, die den Ausgang versperrte, hatte Kratzspuren auf dem blanken Fußboden hinterlassen.
Aelia war allein.
Der steinerne Boden strömte eine solche Kälte aus, dass mehrere Decken nicht gereicht hätten, sie zu wärmen. Es war, als dehnte sich unter ihr das Totenreich. Aelia erhob sich. Sie war in einem Kerker ähnlich jenem, in den man Verina gesperrt hatte, aber offenbar in einem anderen Teil des Gefängnisses. Der Gang wölbte sich leer und dunkel vor ihr. Gegenüber schimmerten weitere Gitterstäbe, aber dahinter regte sich nichts.
»Ist da wer?«, rief sie in die Dunkelheit hinein. »Antwortet!«
Nichts geschah. Niemand antwortete ihr. Aelia starrte in den Gang, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Da entdeckte sie am Ende des Ganges eine geschlossene Tür.
Also war sie allein. Allein in einem Kerker zwischen vielen anderen leeren Kerkern. Das war es also, was ihr die Flucht eingebracht hatte. Ihr Sieg über Eghild, das Wiedersehen mit Verina – es hatte nichts bewirkt und würde sie wahrscheinlich nur wieder zu Dardanus zurückführen. Oder – schlimmer noch – sie hier enden lassen.
Sie ließ sich auf ihr Lager zurücksinken und hielt sich ihren schmerzenden Kopf. Sie ergriff den Wasserbecher, den man ihr hingestellt hatte, und leerte ihn in einem Zug. Mehr noch als um sich selbst sorgte sie sich um Verina. Was würde mit ihr geschehen? Zu Dardanus konnte sie nicht mehr zurück, denn als Blinde wäre sie für ihn nicht mehr zu gebrauchen. Würde man sie wieder zu Bassus schicken? Oder sie einfach hier verkümmern lassen?
Aelia musste an Dardanus’ Worte über die Kerker im Palast der Stadtwache denken und an die anderen Gefangenen bei Verina. Sie hatten nicht wie Kinder ausgesehen. Vielleicht hielt man die Kinder woanders gefangen oder man verkaufte sie sofort, nachdem man sie aufgegriffen hatte. Vielleicht hatte Dardanus aber auch gelogen. Nein, dachte Aelia, als die Stunden dahinkrochen und sich der Hunger allmählich in ihr breit machte, wir sind verloren, wir beide, Verina und ich. Wir wissen als Einzige von den verbotenen Kämpfen auf Leben und Tod, die immer noch in Treveris stattfinden, und könnten etwas verraten. Sie werden uns nicht mehr freilassen.
Doch dann, als sie schon nicht mehr damit rechnete, öffnete sich die Holztür im Gang und die beiden Soldaten, die sie festgenommen hatten, kamen zu ihr. Der Kurzhaarige öffnete mit finsterem Gesicht die Gittertür, zog einen Strick hervor und fesselte ihre Handgelenke, während sie der andere mit gezogenem Schwert bewachte.
Für so gefährlich hielten sie sie also, dass sie sie fesselten! Eigentlich hätte Aelia stolz sein können, aber sie war es nicht. Sie war nur erleichtert, als die beiden Soldaten sie aus dem Kerker führten. Sie brachten sie zum Palast am Ende des Hofes, über dem sich die Kuppel wölbte, und schritten die breiten Stufen zum Eingang hinauf. Die drei durchquerten eine mit Marmor ausgelegte Halle, dann einen langen Gang, auf dem die genagelten Stiefelsohlen der Männer hallten. Schließlich blieben sie vor einer mächtigen Tür stehen, bis der Soldat, der davor wachte, sie einließ.
»Das Mädchen, Vortrefflicher«, meldete der Kurzgeschorene und wartete auf weitere Befehle.
Der Präfekt stand am Fenster seines Arbeitszimmers. Das Licht eines trüben Wintertages fiel herein, wärmte aber kein bisschen. Trotz der Kälte, die in dem Zimmer herrschte, brannte das einzige Kohlebecken im Zimmer nicht, und der Präfekt trug keinen Umhang, sondern nur eine Tunika, die an den Säumen mit einer Bordüre besetzt war.
Er musterte Aelia kurz. Sofort erkannte sie ihn wieder: Es war Tertinius, der weißhaarige Offizier, der ihren Kampf in den Thermen verfolgt hatte.
»Danke, Lucanus«, sagte er und nickte dem Kurzgeschorenen zu, woraufhin alle Soldaten das Zimmer verließen. »Er ist mein bester Centurio. Du hast ihm einen mächtigen Schlag verpasst.«
Er wies Aelia den Platz auf dem Korbsessel gegenüber seinem Schreibtisch zu, während er selbst stehen blieb. Aelia setzte sich langsam auf den Sessel. Merkwürdigerweise war sie kaum erstaunt darüber, dass Tertinius der Präfekt war.
»Ich hasse das Gesindel, das sich im verfallenen Bezirk herumtreibt«, fuhr er fort. »Diebe, Bettler, Mörder – einer schlimmer als der andere. Bassus ist der Schlimmste von allen; er lügt, sobald er den Mund aufmacht. Aber dieses Mal hat er mir einen guten Dienst erwiesen.«
Er wies auf ein zusammengerolltes seidenes Bündel auf seinem Schreibtisch. Aelia warf einen Blick darauf und erkannte das Gewand, das sie bei ihrem Kampf getragen hatte. Sie merkte, wie die Kühle des Zimmers unter ihren Umhang kroch und sie zittern ließ.
»Bassus glaubte, du seiest eine entflohene Badesklavin, und verlangte eine hohe Summe für dich. Aber ich zog es vor, die Sache auf meine Art zu regeln.«
Aelia sagte nichts. Sie starrte auf das Seidengewand, und die Erinnerungen an jenen Abend krochen wieder in ihr hoch. Die Gäste am Beckenrand, der Duft nach Parfum und brennenden Fackeln, die Kühle im Becken, die bleiche Eghild.
Tertinius trat an seinen Schreibtisch. »In den Thermen hätte ich keine Kupfermünze für dich gegeben, obwohl ich deinen Sieg erhofft habe.«
Aelia schwieg und wich seinem Blick aus. Sie glaubte ihm kein Wort.
Er setzte sich auf den Schreibtisch und ließ sie nicht aus den Augen.
»Du wusstest nicht, dass es ein Kampf auf Leben und Tod war, nicht wahr? Man hat dich nicht darauf vorbereitet.«
Als Aelia nichts sagte, fuhr er fort: »Die Leute hier sind versessen auf Kämpfe, vor allem auf die Mädchenkämpfe. In Wahrheit aber suchen sie nur Ablenkung. Sie sind verzweifelt und wütend. Seit den Barbarenüberfällen ist nichts mehr wie früher.«
Aelia schwieg. Sie hätte ihm am liebsten erwidert, dass er selbst Zuschauer gewesen war und der Kampf nur mit der Duldung durch ihn, dem Präfekten der Stadt, hatte stattfinden können, ja, dass er vielleicht sogar selbst