Du hast mich nie gewollt - Liebesroman. Thomas Tippner

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Du hast mich nie gewollt - Liebesroman - Thomas Tippner Du hast mich nie gewollt

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Platz gemacht.

      Einer vorausgeahnten Gewissheit?

      Das fragte er sich noch heute, gut fünfzehn Jahre später. Damals aber war es ihm nicht bewusst gewesen, dass Denise ihn durchschaut und deshalb mit seiner Reaktion gerechnet hatte.

      Sebastian seufzte, als er einen weiteren Satz las, der seine bis eben in der Vergangenheit weilenden Gedanken wieder zurück in die Gegenwart holte. Hatte sein Blick eben noch alles verschwommen wahrgenommen, so wurden die feinsäuberlich auf das Papier geschriebenen Buchstaben nun wieder zu ganzen Wörtern, die ihm einen weiteren unerwartet heftigen Stich versetzten.

      Finde ich schade, aber es ist nicht zu ändern, oder?

      Oder?

      Was sollte das schon wieder?

      Wollte sie denn wirklich, dass er auf die Frage antwortete? Dass er ihr sagte, dass er sich damals falsch verhalten hatte?

      Nein, das konnte und wollte er nicht. Der Gedanke daran, einem Kind auf die Frage zu antworten, war ihm zuwider und unheimlich zu gleich gewesen. Zuwider deshalb, weil er sich nicht damit auseinandersetzen wollte, was seine Antwort für eine Gegenreaktion auslösen könnte.

      Unheimlich war ihm zumute, weil er sich nicht vorstellen konnte, wie es war, in das Gesicht einer fast Fünfzehnjährigen zu schauen, die ihn gefragt hatte, warum er sie nicht haben wollte.

      Was für eine verrückte Vorstellung.

      Einem Kunden zu sagen, dass er seine Einlagen verloren hatte, um ihm dann im nächsten Atemzug eine Rechnung für die geleisteten Dienste vorzulegen, das kümmerte ihn nicht weiter. Nein, das gehörte dazu. Genauso wie die Empörung des Kunden. Sie war ein Ausdruck menschlicher Naivität. Ein Eingeständnis an die Gier.

      Einer Jugendlichen aber, die nach seiner gegebenen Antwort auf ihn losging; nein, das war unmöglich. Das konnte er nicht ertragen.

      Die Situation war nicht zu überschauen.

      Deshalb wollte er den Brief beiseitelegen, den Fernseher anschalten und seine Gedanken unter Tausenden und Abertausenden von flimmernden Bildern begraben, hoffend, dass der Anfall von Selbstzweifeln an ihm vorüberzog. Als er den Entschluss gefasst hatte, nicht weiter zu lesen, beschlich ihn ein merkwürdiges, ihm Angst machendes Gefühl.

      War das ein schlechtes Gewissen?

      Nein, sagte er sich selbst, das kenne ich nicht.

      Freis! Schon vergessen? Sebastian Freis!

      Warum sollte er einem Menschen gegenüber, den er nicht kannte, ein schlechtes Gewissen haben?

      Das ging gar nicht.

      Das Mädchen, das ihm den Brief hatte zukommen lassen, war für ihn eine Fremde. Sie hatten nichts gemeinsam. Abgesehen von der Zeugung.

      Was ihn zur nächsten Frage brachte –, hatte er Denise wirklich geschwängert?

      Allein die Frage, die er sich jetzt stellte, ließ ihm bewusst werden, in was für einem Dilemma er steckte.

      Niemand konnte sagen, ob die Briefeschreiberin seine Tochter war.

      Was, überlegte er, wenn sie sich nur bei mir gemeldet hatte, um von mir Geld zu bekommen? Was, wenn sie nichts anderes will, als dass ich ihr jeden Monat einen hübschen Batzen überweise, damit sie aus dem Loch, in dem sie wohnt, ohne Weiteres ausziehen kann?

      Wofür würde sie das Geld wohl benutzen? Dafür, um Drogen und Alkohol zu kaufen. Erst neulich habe ich davon gelesen, wie zügellos die jungen Leute von heute sind. Dass sie sich auf Partys besaufen und sich so abschießen, dass sie in der Notaufnahme eines Krankenhauses aufwachen. Ja, so wird es sein. Nichts anderes. Sie will nur mein hart verdientes Geld, damit sie mit ihren hässlichen und viel zu grell geschminkten Freundinnen eine richtig geile Party feiern kann.

      Während ihm der Gedanke durch den Kopf schoss, begann er sich wohler zu fühlen.

      So nickte er sich selbst zu, während er den Brief noch einmal anhob, die Wörter zu weiteren Sätzen zusammensetzte und nur darauf wartete, dass die Verfasserin ihm die Kontonummer nannte, auf der er die Alimente zahlen sollte, die ihr seit fünfzehn Jahren zustanden ...

      Hast du dich schon einmal auf eine Wiese gelegt und dir überlegt, was man alles versäumt, wenn man nicht mehr träumt?

      „Was liest du denn da überhaupt für eine Scheiße?“, fragte Lukas ihn, während sie zusammen am Billeufer saßen, einen Starbucks-Kaffee in der Hand und die Sonnenbrillen bis zur Nasenspitze heruntergeschoben, um die an ihnen vorbeigehenden Frauen mit anzüglichen Blicken zu verfolgen.

      Obwohl sie freundlich und höflich taten, hatten ihre Blicke nur eines zu bedeuten: Noten verteilen.

      Lukas und Sebastian waren darin wahre Meister geworden.

      Sie hatten sich, ohne Worte, darauf verständigt, was ein Rümpfen der Nase bedeutete, ein Hochziehen der Augenbrauen oder ein vor Ekel verzogener Mund. Nickten sie sich zu oder spitzten sie die Lippen, hatte eine Frau es geschafft, in ihrem Raster eine gute Note zu erlangen.

      Sebastian, der das Spiel nicht aufmerksam verfolgte, hatte nur den einen Satz im Kopf.

      Hast du dich schon einmal auf eine Wiese gelegt und dir überlegt, was man alles versäumt, wenn man nicht mehr träumt?

      Wollte Sarah ihn provozieren?

      Der Brief, den er bisher gelesen hatte, klang wie eine von einem Staatsanwalt verfasste Anklageschrift. Jedes Wort, das er zu lesen bekam, war wie ein von einer Sehne abgeschossener Pfeil, der unweigerlich sein Ziel treffen sollte.

      Am liebsten hätte er den Brief zerknü…

      Nein, das hätte er nicht. Warum auch immer. So schwer es ihm auch fiel, er musste ihn Zeile für Zeile durchgehen und sich fragen, was Sarah damit bezwecke. Was sie ihm sagen wollte.

      Sarah …

      Bisher hatte Sebastian sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, was ein bestimmter Name bedeuten, geschweige denn aussagen sollte. Bisher hatte er sich Namen gemerkt, um die vor ihm stehenden Menschen nicht zu verwechseln. Jetzt aber, da er den Brief wieder und wieder las, hatte ihr Name einen anderen Klang angenommen. Es war wie ein in ihm waberndes Schwingen gewesen. Einer unvergleichbaren, unverwechselbaren, ihm aber völlig unbekannten Melodie gleich.

      Auch jetzt noch, während er auf dem wackeligen weißen Klappstuhl saß, seinen Blick über das träge dahin fließende Wasser der Bille schweifen ließ und die Enten dabei beobachtete, wie sie nach Algen tauchten, fiel ihm auf, wie ausgesprochen gut ihm der Name gefiel.

      Er hatte einen angenehmen, ausgesprochen wohlklingenden Sound, den er mit einem Mädchen in Verbindung brachte, das sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließ.

      Der Name klang ähnlich wie seiner.

      Erst gestern hatte er sich dabei erwischt, wie seine Gedanken ihretwegen abschweiften. Wie er angefangen hatte, sich vorzustellen, wie sie aussehen konnte. Was sie tat und was für Freunde sie hatte. Wie ihr Name klang, wenn er von einer ins Wasser springenden Freundin gerufen wurde. Sebastian schauderte, als ihm bewusst wurde, auf was er sich einließ.

      So

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