Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung. Julius Fischer

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Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung - Julius Fischer

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sollte so ein Mensch zu mir gehören? Was verbindet uns, mal abgesehen von der Tatsache, dass wir gemeinsam in einem Abteil sitzen?

      Sicherlich keine übermäßige Leidenschaft für Rohkost.

      Ob der zu mir gehört?!

      Ich gehe doch auch nicht beim Arzt zu wildfremden Leuten hin und frage sie, ob sie zusammen da sind, weil sie beide niesen.

      Also, ich spreche sowieso keine wildfremden Leute an, schon gar keine, die niesen. Ich hasse niesen. Und Menschen.

      Verdammter Schaffner.

      Ich schüttele den Kopf, unfähig, auch nur ein Wort herauszupressen.

      Der Schaffner tippt den Schlafenden an.

      »Fahrkarten bitte.«

      Auch das ein unnützer Einwurf. Was würde ein Schaffner sonst von einem wollen? Hass.

      Der »Träumende« wälzt sich auf seinem Sitz hin und her. Ich kann erkennen, dass er nur so tut, als würde er schlafen. Ich sehe deutlich, dass er die Augen einen Spalt weit geöffnet hat.

      Wahrscheinlich hat er keine Fahrkarte. Klar.

      Nicht, dass ich das schlimm fände. Aber die Vorstellung, dass sich darüber eine Diskussion entspinnt, lässt mich innerlich schreien.

      »Das ist eine Kinderfahrkarte.«

      »Ja, aber ich fahre doch ermäßigt. Ich bin doch Student. Und habe ganz schwere Allergie.«

      »Das ist aber eine Kinderfahrkarte.«

      »Tschuldigung, ich hatte nicht genügend Geld und mein Vater ist letzte Woche gestorben und jetzt fahre ich zu seiner Beerdigung, er hat ja niemanden außer mir.«

      »Das ist trotzdem eine Kinderfahrkarte für die Parkeisenbahn in Dresden.«

      »Ach, die gilt hier nicht?«

      Unangenehm. Der Schaffner stößt den Möhrenmann immer wieder sanft mit dem Fahrkartenlesegerät an. Und dieser wälzt sich theatralisch von einer Seite auf die andere. Als würden beide das schon seit Jahren machen.

      Das finde ich am schlimmsten. Wenn man Leuten offensichtlich anmerkt, dass sie lügen. Und sie zu stolz oder zu verzweifelt sind, das zuzugeben.

      »Nein! Ich habe den Unfall nicht verursacht. Das war der andere.«

      »Hier sind nur Sie, Ihr Auto und eine Straßenlaterne.«

      »Die hat mich provoziert.«

      Manchmal rutscht man aber ins Lügen auch so rein. Durch die Umstände. Das ist super unangenehm.

      Ich war zu einer Preisverleihung geladen, musste kurzfristig einen Anzug kaufen und hatte dafür nur eine Stunde Zeit. Also bin ich in einen Herrenausstatter rein, die Verkäuferin war super genervt, was mich total einschüchterte. Aber zum Glück war mein Girl mit.

      »Wir haben nicht so viel Zeit, der Anzug ist für morgen«, sagte sie nach ein paar Minuten und ging, um Accessoires zu besorgen.

      Und so stand ich nun in diversen Anzügen vor dem Spiegel, hinter mir die strenge Verkäuferin.

      »Das Sakko passt perfekt«, sagte ich irgendwann, worauf die Frau mit strengem Blick erwiderte: »Aber die Chose!«

      Sie sprach mit leicht osteuropäischem Akzent.

      »Ja, ich weiß. Ich habe komische Beine. Als würde ich auf zwei umgedrehten Pyramiden stehen. Kann ich nicht einfach eine andere Hose tragen? Die da drüben hat doch gepasst.«

      Sie schnaubte.

      »Wo denkense hin? Sie wollen doch ordentlich aussehen bei Ihrer Hochzeit.«

      Ich stutzte.

      Hatte meine Freundin behauptet, wir wären verlobt, damit die Verkäuferin sich ein bisschen beeilte? Crazy Move. Ich kann so was ja nicht. Ich kann auf dem Flohmarkt auch nicht feilschen. Aber ich sagte in diesem Moment einfach nichts dazu.

      Da sich kein besserer Anzug fand, wurde die Hausschneiderin hinzugerufen.

      »Kchönen Sie diese Chose weiten?«, fragte die Verkäuferin.

      Die Schneiderin besah sich die Hose und nickte.

      »Wann sollsn fertig sein? Montag?«

      Die Verkäuferin seufzte und sagte: »Neinnein, es ist Notfall, der junge Cherr heiratet morgen.«

      Mir wurde es doch ein bisschen unangenehm. Meine kleine Lüge, die streng genommen keine war, vor allem nicht meine, sondern nur ein Verschweigen der Wahrheit im richtigen Moment, schwoll immer weiter an.

      »Wir können das auch so lassen, wirklich, kein Problem, dann atme ich eben weniger«, sagte ich und lächelte. Aber die Verkäuferin, sie hieß übrigens Frau Petrowitsch, flötete: »Neinnein, das wird schon gehen.«

      Die Schneiderin watschelte davon.

      »So, wenn ich Sie nun bitten dürfte zur Kasse?«, sagte Frau Petrowitsch und zeigte auf einen eleganten Tresen.

      »Die Chose kchönnen Sie cheute Abend abcholen. Ich brauche nur Telefonnummer, um Bescheid zu sagen.«

      Ich bezahlte mit Karte und gab ihr meine Nummer.

      »Sagen Sie!«, hob die Verkäuferin an. »Wo cheiraten sie denn?«

      Ich atmete tief ein. Dann erwiderte ich das Erste, was mir einfiel.

      »In Frankfurt.«

      »An der Oder? Wirklich? Da ich hab Verwandte.«

      »Nein, in Frankfurt am Main, da kommt meine Freund…, äh Verlobte her.«

      Und schon wieder gelogen. Warum?

      Frau Petrowitsch winkte nun einem Mann, der auf der anderen Seite der Etage dekorativ entlangstolzierte.

      »Das ist mein Chef, den wird das auch interessieren. Der kommt aus Frankfurt. Chef, Chef, der junge Mann hier cheiratet morgen. In Frankfurt! Und sechense, er kauft erst jetzt seinen Anzug.« Er kam zu uns, grinsend wie ein Immobilienmakler.

      »Na Sie habbe ja de Ruh weg. Bei Ihre Frau sieht des sischer anners aus«, sagte der Chef und legte mir eine Hand auf die Schulter.

      Der Chef sah mich an, während er unter der Theke nach etwas suchte.

      »Erzählese doch ma en bissi, wo werd denn geheiradet?«

      Und wieder musste ich mir etwas ausdenken.

      »Na ja, das wird eine kleine Feier, ganz bescheiden, also wir sind im Standesamt …«

      »Nord odä Midde?«

      »Ja, Mitte. Oder, puh da bin ich überfragt. Nee, doch Mitte.«

      »Dann

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