Maria Rosenblatt. Corinna T. Sievers

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Maria Rosenblatt - Corinna T. Sievers

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mehr lief, machte das Verlangen ihr zu schaffen, war jeder Mann ein potenzieller Geschlechtspartner. Vielleicht sollte sie die Pille nehmen, Hannes behauptet, die wirke regulierend. Vielleicht bekämen dann andere Dinge Bedeutung, sie dachte an die Kinder.

      Der Aufzug hielt, sie trat ins Foyer, zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung, die Ermittlungen waren ein Stück vorangekommen, sie wussten jetzt, dass die abgebildeten Finger zu ein und demselben Mann gehörten. Die Gerichtsmediziner konnten sagen, in welcher Reihenfolge, in welchem Abstand die Bilder aufgenommen worden waren, es gab einen mutmaßlichen Ablauf des Geschehens.

      Der Ring am Finger des Täters erwies sich als Hoffnungsträger, ein seltenes Stück, aufwendig gearbeitet, doch den Goldschmied zu ermitteln brauchte Zeit. Im ungünstigsten Fall stammte er nicht aus der Schweiz.

      Die Fotos der kleinen Leiber waren an alle Spitäler versandt. Es gab noch keine Rückmeldungen, obwohl bestimmte Merkmale einzigartig sein dürften, Nabelbrüche, Leberflecken, Blutschwämme, Maria war zuversichtlich, den Fall lösen zu können.

      Sie überquerte den schwach beleuchteten Parkplatz, ihre Zehen schmerzten, flache Schuhe wären vernünftiger, doch das war ausgeschlossen, acht Zentimeter Absatz war das Mindeste. Sie stieg in ihr kaltes Auto, Hannes hatte ihr zu erklären versucht, wie man es fertigbringt, die Sitzheizung zu programmieren, aber Maria fehlte die Geduld, ihm zuzuhören, lieber fror sie.

      Die Scheiben beschlugen, Maria wischte mit der flachen Hand über das kalte Glas, rollte vom Parkplatz auf die einsame Straße.

      Fünfundzwanzig Minuten später fuhr sie auf die Einfahrt, sah, dass im Haus alles dunkel war, verschloss den Wagen, blickte hinauf in den Sternenhimmel, Licht, das vor Millionen von Jahren ausgesendet worden ist, verglühte Sonnen.

      Wie alles erlischt, das Universum ausgestattet mit einem einzigartigen Selbstzerstörungsmechanismus, ebenso ihr eigener Kosmos. Die Uhr läuft rückwärts von Geburt an.

      Hannes war schon im Bett, als sie kam, las in einem Fachbuch über Psychoanalyse, er bildet sich fort aus alter Gewohnheit, aber auch, um seine Einsicht in die menschliche Libido nicht zu verlieren (Marias Hypothese: Der Verlust des eigenen Begehrens ist Voraussetzung, um den menschlichen Sexus durch das Vergrößerungsglas zu betrachten). Er trug einen blau-grün gestreiften Schlafanzug, seine Lieblingsfarben, blickte über die Lesebrille zu Maria auf.

      Sie im seidenen Hemd, türkis, keinen Slip, setzte sich auf die Bettkante ihrer Hälfte, mit dem Rücken zu Hannes, die Beine geschlossen. So verharrte sie, eine Minute oder zwei, legte sich hin, Hannes blätterte um, wie ihr Tag gewesen sei?

      Endlos, dachte Maria und schwieg, zog die Decke hoch bis ans Kinn, eine Hand über ihrer Vulva, die andere über den Augen, bis Hannes das Buch beiseite legte und das Licht löschte.

      Am Morgen darauf hatte sie Kopfschmerzen, schon beim Erwachen ein Pochen hinter dem linken Auge, das unerträglich wurde, als sie sich erhob. Vorsichtig ging sie ins Bad, jeder Schritt ein klopfender Schmerz, sie öffnete die Schublade mit den Medikamenten: Imigran, Ibuprofen, Paracetamol, sogar ein Fläschchen Tramal, das sie an den schlimmsten Tagen nahm, Morphium machte außer schmerzfrei auch noch glücklich für drei, vier Stunden.

      Hannes verschrieb ihr, was sie benötigte, um mit ihren Migräneattacken fertigzuwerden, das Morphium aber solle sie möglichst selten nehmen, davon sei sie im Handumdrehen abhängig.

      Heute brauchte sie ein wenig Glücklichsein, sie schüttelte das Fläschchen, öffnete den Schraubverschluss, träufelte zwanzig Tropfen auf die Zunge, schluckte, entschied, es sich gutgehen zu lassen, noch einmal zehn. Sie legte sich auf den Badezimmerteppich, schloss die Augen und wartete. Nach zwanzig Minuten wurde der Schmerz dumpfer, die Gedanken leichter, Maria erhob sich, sah in den Spiegel, ordnete ihr Haar.

      Als Hannes das Bad betrat, putzte sie die Zähne, er stellte sich neben Maria, den Rasierer in der Hand, beinahe hatte das Geräusch etwas Tröstliches. Maria zog sich an, Rufe aus dem Kinderzimmer: »Mama?«, sie antwortete: »Schlaft weiter, meine Engel, heute habt ihr frei, das Kindermädchen wird euch wecken und anziehen!« Wenn Mama im Büro ist.

      Hannes am Küchentisch, das Marmeladenbrot in gleichgroße Vierecke geschnitten, Maria saß ihm gegenüber, mit einem Mal kühn: Sie habe gestern Abend mit ihm schlafen wollen, er blickte überrascht auf, dann wieder auf sein Brot, das habe er gar nicht bemerkt.

      Maria nickte, erhob sich, nahm eine Tasse aus dem Regal, schenkte sich Kaffee ein, schwarz ohne Milch und Zucker, blieb vor Hannes stehen, wenn er es bemerkt hätte, wäre es auch nicht anders gekommen.

      Hannes: Was sie damit sagen wolle, er fügte ihren Namen hinzu, das tat er nicht oft, und wenn doch, hängte er dem »Maria« ein »Magdalena« an: »Maria Magdalena«.

      Dass sie es vermisse, Maria biss sich auf die Unterlippe, sie ist fünfundvierzig und immer noch schön. Ihre Stimme wurde lauter, sie mache Sport, sie rasiere sich, schminke sich, zum Teufel, für wen eigentlich?

      Hannes drehte den Kopf zum Fenster, und als er sprach, klang es wie von ferne. Er habe es mehrfach erklärt, es sei wegen der Kinder, er deutete vage in Richtung ihres Unterleibes, sie habe sie gewollt, sich genommen, gegen seinen Willen ausgetragen. Er musterte sie, ihr Leib habe sie hervorgebracht, seine letzten Worte ein Verdikt, ihr Leib habe seine Unschuld verloren.

      Maria schossen Tränen in die Augen, sie wusste nicht, was antworten, dann sagte sie: Sie komme spät heute Abend. Hannes hatte die Ellenbogen vor sich aufgestützt und die Fingerspitzen aneinandergelegt, er frage sich nur, warum sie Kinder haben musste, wenn sie doch nie zuhause sei. Maria war schon an der Küchentür, lief die Treppen hinab, stolperte auf der vorletzten Stufe und fiel. Oben am Geländer erschien Hannes und rief: »Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird«, als sie schon fast am Ausgang war: »Winston Churchill!«

      Es regnete, der wenige, schmutzige Schnee, der noch am Straßenrand lag, bekam kleine Dellen. Wie Orangenhaut, dachte Maria, ich lasse den Oldtimer in der Garage, Hannes hätte ihr die Hölle heißgemacht, bei dem Wetter zu fahren. Sie setzte sich in den Mercedes, schloss die Augen, bemüht, Hannes aus ihren Gedanken zu vertreiben. Als die Kälte an ihr hinaufkroch, fiel ihr ein, dass heute die Dermatologin auf dem Terminkalender stand, fast hätte sie das vergessen über dem Eklat in der Küche.

      Sie hatte versäumt, ihr Make-up einzustecken, es war zu spät zum Umkehren, nun würden die Kollegen die Einstiche sehen und sich ihren Teil denken.

      Sie startete und bog seeaufwärts ab in den nächsten Ort. Der war seit jeher wohlhabend, die Kirche prächtig, direkt am See gelegen. Früher haben die Bauern mit Wein ihr Geld gemacht, heute werden die Rebberge verkauft, die Weinstöcke weichen gläsernen Villen, hier und da bewahrt die Gemeinde einen Flecken aus Gründen der Folklore.

      Hinter der Gaststätte mit Namen »Hirschen« bog Maria ab, fuhr die Hauptstraße entlang den Hang hinauf, fand einen Parkplatz direkt vor der Praxis, warf einen halben Franken in die Parkuhr, lange würde man sie hoffentlich nicht warten lassen. Das Ärztehaus gleich einem Gerippe aus Stahl, Beton und Glas, ein Fremdkörper zwischen den Bauernhäusern, der Aufzug schwebte in die dritte Etage, die Tür zur Praxis öffnete sich ohne Marias Zutun. Die Arzthelferinnen standen bereit und lächelten.

      Ein kleines Wartezimmer, an den Wänden warben Mädchengesichter für Unterspritzungen. Maria setzte sich, nahm eine Zeitschrift und blätterte, ringsum Schweigen, kein einziger Mann. Dass Schönheit wohl Frauensache ist, dachte sie.

      Ihr Name wurde aufgerufen, sie richtete sich auf, folgte der Arzthelferin in den Behandlungsraum, legte sich auf eine frisch bezogene Liege, Lounge-Musik, wieder wartete sie. Ihr fiel die Parkuhr ein, die Zeit war um,

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