Tödlicher Crash. Barbara Wimmer

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Tödlicher Crash - Barbara Wimmer

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nicht mehr dauern, bis sie entdecken würden, wie es um den Hof stand. Dass sie knapp davor waren, ihn verkaufen zu müssen.

      Dass ihr Schwager ausgerechnet drei Kilometer entfernt von dem Ort, an dem er aufgewachsen war, im noch viel zu jungen Alter von 52 Jahren sterben würde, das hätte sich Sigrid nicht gedacht. Das hatte er nicht verdient. Sicher war ihr Mann, der Bürgermeister der 4.169-Seelen-Marktgemeinde im Bezirk Vöcklabruck, schon mal ein wenig eifersüchtig auf seinen erfolgreichen, superreichen Bruder gewesen, aber dieser unterstützte ihn, so gut er konnte. Da gab es nichts. Einmal hatte er schon tief in die Tasche gegriffen, als ihr Mann in Nöten war. Ihr Mann hatte ihm aber alles zurückgezahlt, wie es sich gehörte.

      Doch warum war Wolfgang auf dem Weg zu ihnen gewesen, ohne vorher Bescheid zu sagen? Klar hatte ihr Thomas erzählt, dass sie vor ein paar Tagen noch miteinander telefoniert hatten. Da hatte er ihm gebeichtet, wie schlecht es um die Finanzen der Familie stand und dass sie möglicherweise ziemlich bald einen Teil des Grundstücks verkaufen mussten wegen der hohen Schulden, die er angehäuft hatte. Aber war das der Grund für seinen Überraschungsbesuch?

      Seit sie ihren Landwirtschaftsbetrieb mit 80 Kühen auf Vollautomatisierung umgestellt und dazu einen Millionenkredit aufgenommen hatten, war der Milchpreis kontinuierlich gesunken. Politische Sanktionen auf der einen Seite, die Aufhebung der Kontingentierung auf der anderen Seite hatten dazu geführt. Zur selben Zeit wie die Milchkrise im Jahr 2015 war auch noch die Kontingentierung aufgehoben worden und es hatte plötzlich keine Obergrenzen mehr bei der Milchproduktion gegeben. Der Markt wurde liberalisiert. Das war einer der Gründe, warum sie überhaupt in die Automatisierung ihres Milchbetriebs investiert hatten. Aber die Marktliberalisierung war halt nicht ganz das, was sich die Milchbauern erhofft hatten: Es wurde insgesamt viel zu viel Milch produziert, was den Preis ordentlich nach unten drückte. Für die Familie Steinrigl bedeutete das: Schulden, Schulden, Schulden. Zuletzt wussten sie nicht einmal mehr, wie sie den Schulausflug ihrer beiden Mädchen finanzieren sollten.

      Thomas’ Bruder hingegen, der hatte gar keine finanziellen Sorgen. Er war gleich nach seiner Zeit beim Bundesheer mit 19 Jahren nach Wien gegangen, um dort Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Schon lange bevor der Vater starb, verzichtete Wolfgang, obwohl er der Ältere der beiden war, auf den Hof. Der Vater schenkte ihm stattdessen das Grundstück in Seenähe. Eigentlich war das Grundstück weit weniger wert gewesen als der Hof und der dazugehörige Grund. Wäre da nicht die Lage gewesen. Und die Umwidmung. Sicher war es schon immer schon ein schönes Fleckchen Erde gewesen. Man konnte bis an den See runter sehen. Und der See, der glitzerte zu jeder Tageszeit in einer anderen Farbe. In den Morgenstunden war er dunkelblau, zu Mittag türkis und am Abend verschmolzen Wasser und Himmel oft in einem gemeinsamen Farbton. Himmelblau.

      Wolfgang Steinrigl hatte dort oft heimlich gelesen. Schön versteckt im Getreidefeld. Auch ein Mädchen hatte er zum ersten Mal dort geküsst. Die Gerste so hoch, dass sie keiner dabei beobachten konnte, zog er seine Marie damals dicht an sich heran und steckte ihr die Zunge in den Hals. Sie waren beide 15. Aber das Feld war eben nichts weiter als ein Feld gewesen – bis zur Umwidmung in Bauland. Und damit war das Grundstück schlagartig weit mehr wert als zuvor. Und der Preis war weiter gestiegen.

      Plötzlich war nämlich immer mehr Prominenz an den See gekommen. Ausgelöst durch den einen berühmten Schriftsteller und eine Schauspielerin, die wirklich jeder kannte, wurde der Attersee schlagartig wieder in. Österreichs High-Society hatte sich regelmäßig blicken lassen. Und die Grundstücke in Seenähe waren immer gefragter geworden. Wolfgang Steinrigl hatte das ehemalige Ackerland schließlich zu einem verdammt guten Preis verkauft. Fast eine Million Euro hatte er durch den Verkaufserlös erzielt. Und dann hatte er das Geld in Aktien gesteckt. Dafür hatte er schon immer ein Händchen gehabt. Natürlich war Sigrids Mann Thomas da neidisch auf seinen Bruder gewesen. Dieser hatte nie hart arbeiten müssen und war reich geworden, während er, Thomas, sich am Hof abrackerte, um seine Familie durchbringen zu können. Aber Wolfgang Steinrigl wollte sich gar nicht zurücklehnen und seinen Reichtum genießen. Das Geld war seine Grundlage, um dann in Folge das zu tun, wovon er selbst überzeugt war. Er wollte die Welt verändern. Oder zumindest die österreichische Finanzlandschaft. Auch bei der Milchpreis-Liberalisierung hatte Minister Steinrigl seine Finger im Spiel gehabt. Er hatte Sigrids Mann den Tipp gegeben, in Milchkühe weiter zu investieren. Wenn Wolfgang jetzt wüsste, was für einen Schaden er mit seinem »Tipp« angerichtet hatte! Aber nein, Vorwürfe waren hier fehl am Platz, dachte sich Sigrid. Wolfgang hatte es nur gut gemeint mit ihnen.

      Wolfgang bedachte seinen Bruder Thomas in seiner Lebensversicherung neben seiner eigenen Frau, die er zwar schätzte, aber nicht wirklich liebte, zu 50 Prozent. Er hatte schließlich keine eigenen Kinder. Das lag an seiner Unfruchtbarkeit, aber über die wurde nie gesprochen. Sigrid und ihr Mann hofften jetzt, dass die Versicherung das Geld bald zahlen würde. 50 Prozent des Vermögens von Wolfgang würde die beiden nicht nur aus ihrer Misere befreien, sondern sie könnten auch weiter investieren oder expandieren. Oder sich ein Seegrundstück sichern, das sie in Folge verpachten könnten. Ein Traum wäre das, dachte sich Sigrid. Endlich einmal keine Geldsorgen mehr.

      Derzeit sah es allerdings nicht danach aus, als würde es bald zur Auszahlung kommen. Solange nicht geklärt war, ob es sich um einen Unfalltod handelte oder ob das Produkt des Autoherstellers defekt war – die Versicherung war schließlich auch zum ersten Mal mit der Haftungsfrage rund um ein selbstfahrendes Auto konfrontiert –, wollte man noch keine Versprechungen machen, wann die Summe ausbezahlt würde.

      Auf der einen Seite hatte Sigrid ein schlechtes Gewissen, weil ihr Schwager noch nicht einmal begraben war und sie an nichts dachte als an sein Vermögen, auf der anderen Seite verfluchte sie die Versicherung. Wenn man sie einmal brauchte, dann war sie nicht da und drückte sich vor der Zahlung.

      Auch Sigrids Mann Thomas saß schon wie auf Nadeln – ausgerechnet die Bank, die ihm eingeredet hatte, dass das ein bombensicheres Geschäft mit den Melkrobotern und Fütterungsrobotern werden würde, machte ihm jetzt ordentlich Druck. Wenn er nicht bis zum Monatsende, also bis zum neuen Jahr, die Rate zahlen konnte, würde ein Teil seines Grundstücks in den Besitz der Bank übergehen. »Hoffentlich zahlt die Versicherung bald«, sagte er Sigrid jeden Tag vorm Schlafgehen, bevor sie das Licht abdrehten. Auf Thomas’ Stirn grub sich dabei jedes Mal eine Falte ein. Eine Falte, die erst seit den Geldsorgen aufgetaucht und die Sigrid sofort aufgefallen war. »Mach dir keine Sorgen«, raunte Sigrid ihm dann zu. Sie war sein Fels in der Brandung. Thomas strich mit seinen Fingern durch ihre langen braunen Haare, die sie abends immer offen trug. »Wir schaffen das. Gemeinsam schaffen wir das.«

      Kapitel 11

      Stefanie Laudon war lästig. Kriminalkommissar Michael Leyrhofer hatte bisher mit dieser Journalistin von »24 Stunden« noch nie etwas zu tun gehabt. Sie schien normalerweise keine Mordfälle zu betreuen. Aber irgendwie hatte sie es geschafft, seine Handynummer rauszufinden. Sie erzählte ihm am Telefon die ganze Zeit etwas von wegen: »Das Auto war programmiert, um zu töten«. Und fragte ihn Dinge wie: »Hat man schon den Grund gefunden, warum das Auto gegen die Baumallee gekracht ist?« Er spulte daraufhin seinen Standardsatz ab: »Zu laufenden Ermittlungen können wir Ihnen derzeit keine Auskünfte erteilen. Wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.«

      Natürlich merkte diese Journalistin, dass das nur Ausflüchte waren. Leyrhofer brauchte Zeit. Zeit für die Ermittlungen. Bisher war seine Liste mit potenziell Verdächtigen noch nicht lang. Der Computer, der seit neuestem als Ergänzung zur herkömmlichen Ermittlungsarbeit »vorausschauende Analysen« erstellte, hatte zumindest drei Namen ausgespuckt. Einer davon, und das beunruhigte ihn wiederum, war der Name von dieser Journalistin. Stefanie Laudon. Wieso stand die da drauf? Auf jeden Fall musste sein Team sie überprüfen. Das verschob er allerdings auf später. Seine Intuition sagte ihm allerdings, dass der Computer in diesem Fall wohl falsch lag.

      Die zwei weiteren Namen, die der Computer ausgespuckt hatte, waren Fritz Fuchsbauer und Manuel Erlach. Der Erste arbeitete im Finanzamt als Angestellter. Der Zweite war offiziell

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