Die Katzenklappe. Titi O. Sunt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Katzenklappe - Titi O. Sunt страница 4

Die Katzenklappe - Titi O. Sunt

Скачать книгу

Sprint über die Straße zur Verfügung stehende notwendige Zeitfenster bei rotem Leuchten erschien mir zwar äußerst kurz, aber dennoch machbar.

      Selbst ist die Frau!

      Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und machte mich zum Absprung bereit. Die Signalfarbe kam.

      Tschakka, du schaffst es!

      Hektisch flitzte ich über die erste freie Spur. Stopp. Ein weißer Lieferwagen saust an mir vorbei, bevor er in der Kolonne zum Stillstand kam. Ich machte einen gestressten Hacken nach rechts, im Wettlauf mit der Geschwindigkeit des herannahenden silbernen Sterne-Autos sprintete ich zwischen der Hecktür eines Lastkraftwagens und der Motorhaube eines Mercedes hindurch.

      Ja! Geschafft!

      Gerade noch rechtzeitig.

      Hinter mir brausten mit vollem Tempo die Vierräder die Straße auf und ab.

      Voll durchgedreht fegte ich, auf der anderen Straßenseite angekommen, im Zickzacklauf an Menschenbeinen vorbei, bevor ich unter einen mir sicher scheinenden, parkenden Kleinwagen hetzte, um mir eine Verschnaufpause zu gönnen. Diese hatte ich bitter nötig. Doch wer rastet, der rostet.

      Die Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit drängte. Denn sollte sich das Blatt für mich heute noch zum Positiven – zu einem vollen Magen – wenden, musste schnell was geschehen.

      Ich robbte bis zum Auspuffrohr vor, um meine Lage besser sondieren zu können. Juhu!

      Viele Menschen bedeuteten viel Nahrung. Doch als ich näher hinsah und vor allem hinhörte, schwand meine Chance, jemals wieder gesund und munter meinen Unterschlupf verlassen zu können.

      Die Frequenz am Areal, bedingt durch das ständige Ein- und Ausfahren der Karossen, stellte eine riesige Gefahr für mich dar. Selbst wenn ich es schaffen würde, in die Nähe einer vermeintlich netten Person zu kommen, würde mich diese wahrscheinlich niemals hören. Der hohe Lärmpegel, kombiniert mit meiner nicht gerade ausgeprägten Miau-Schrei-Bega-bung, würde mich mit Sicherheit alt aussehen lassen. Mutlos kroch ich von meinem Aussichtsplatz wieder unter die Mitte des Autos zurück.

      Traurig rollte ich mich zusammen.

      Meine Situation schien ausweglos. Ich befand mich auf dem Gelände eines Autohauses.

      Die Zeit drängte. Hastige Schritte kamen auf meinen Unterstand zu. Dann ging alles ultraschnell. Die Fronttüren wurden aufgerissen, der Schlüssel im Zündschloss gedreht, der Motor jaulte hoch, der Retourgang wurde eingelegt und ab ging die Fahrt. Ich hatte mich gerade noch rechtzeitig unter den danebenstehenden, tiefergelegten Unterboden eines Sportwagens gequetscht.

      Fortan war ich auf der Flucht.

      Auf der Flucht vor der zweibeinigen Karawane des Schreckens.

      Immer wieder musste ich ihnen rechtzeitig entkommen. Ich roch längst nicht mehr interessiert an jedem neuen Auspuffrohr, sondern verkroch mich voller Sorge und im bangen Warten auf die nächste Zündung unter den Fahrzeugen. Ans Aufgeben dachte ich aber keineswegs. Nicht um alles in der Welt wollte ich nochmals die riskante Straße überqueren. Ich hoffte auf die Stille der Nacht, um meinen Weg zum ersehnten Futtertrog fortsetzen zu können.

      Es wurde dunkel und immer mehr grölende Menschen verließen hastig kurbelnd in ihren fahrbaren Untersätzen das Gelände. Der Parkplatz leerte sich. Es wurde angenehm ruhig. Ich entspannte mich und beschloss nun mit klarer Sicht – ohne zappelnde Füße oder quietschende Reifen vor meiner Nase – die örtlichen Gegebenheiten neu zu beurteilen. Vorsichtig guckte ich unter einem Kombi hervor. Ein kleines, damit meine ich ein richtig kleines Auto – mittlerweile kannte ich definitiv die Größenunterschiede – fuhr auf den Parkplatz. Da sonst alle hinaus- und nicht hereinfuhren, empfand ich den roten Stadtflitzer als besonders verdächtig.

      Interessiert starrte ich in dessen Richtung.

      Ich war hoch konzentriert. In geheimer Mission beobachtete ich, wie eine schlanke, schwarzhaarige Frau mit langen Haaren und ein großer, sportlicher, lässig in Jeans und dunkler Lederjacke gekleideter Mann aus dem roten Auto ausstiegen. Nicht zu jung und nicht zu alt. Ich schätzte beide gleich mal professionell auf Anfang dreißig. Sofort galt meine ganze Aufmerksamkeit – denn wie sollte es als Frau auch anderes sein – dem männlichen Ankömmling.

      Das Pärchen wurde von einem Wollmützenträger, den sie Max nannten, empfangen. Dieser gesellte sich zu den zweien und schon platzierte sich die illustre Runde direkt vor mein Schlachtschiff. Sie besprachen definitiv nichts, was mich wirklich interessieren würde, doch ich konnte meine Ohren nicht von der wohltuenden, freundlich klingenden Stimme des Jeansträgers abwenden. So traf ich eine Entscheidung: Jetzt oder nie! Ich beschloss loszuschreien.

      Aufgrund der kalten Jahreszeit steckte mir nicht nur ein Frosch im Hals, sondern ich bin nicht gerade das, was Menschen eine Sprechkatze nennen.

      Dennoch wollte ich nichts unversucht lassen und so miaute ich einfach aufs Geradewohl los.

      Doch es kam nichts. Weder ein gequetschter noch ein gepresster Ton. Nichts.

      In voller Panik, dass mein auserkorener Retter seinen Stellplatz verlassen könnte, änderte ich schnell meine bisherige Sitz- zu einer Stehposition. Ich spannte meinen ganzen Körper an und würgte mit letzter Kraft ein Miau aus meinen eingerosteten Stimmbändern. Diesen kraftvollen Akt wiederholte ich schließlich solange, bis ich endlich erhört wurde. Plötzlich beendete mein Auserwählter mit aufgeregt klingender Stimme die Unterhaltung.

      »Ruhe! Hört mal, da weint doch eine Katze!«

      Suchend drehte er sich stürmisch nach rechts, dann ungeduldig nach links, anschließend auch noch nach vorne. Natürlich waren alle diese Richtungen falsch, denn ich saß ja hinter ihm. Wahrscheinlich hatte er etwas an den Ohren, urteilte ich vorschnell. Denn zu guter Letzt bückte er sich und unsere Blicke fanden sich unter der verzinkten Auspuffanlage.

      Es war das erste Mal, dass ich David in die Augen sah.

      In seinen braunen Augen sah ich Mitgefühl, Liebe, aber auch diese unendliche Freude, mich gefunden zu haben. Ich weinte und jammerte einfach drauflos. »Lena, wir haben doch zwei Schinkensemmeln im Auto. Bring sie mir!« Schnell eilte die Langbeinige mit den guten Stücken heran. Dann verließ sie mit dem roten Flitzer den Parkplatz.

      Etappenweise und in wirklich kleine Ministücke zerrissen warf er mir den Schinken unter das Auto. Gierig aß ich alles, was ich bekam. Ich spürte, wie langsam die Energie in meinen müden Körper zurückkehrte. Da es mir aber eindeutig zu schleppend ging und mir auch der nasse Beton die Aufnahme der Nahrung erschwerte, beschloss ich, mein Versteck vorsichtig zu verlassen. Immer in Augenkontakt mit David, tapste ich in geduckter Haltung, ein Pfötchen vor das andere setzend, auf seine ausgestreckte, mit Schinken gefüllte Hand zu.

      Das Objekt meiner Begierde war endlich erreicht; ich umschmeichelte zuerst artig sein Hosenbein und beschnüffelte anschließend gut erzogen seine Finger. Doch dann verlor ich die Contenance und vergrub mein Maul in seiner Hand. Hemmungslos fraß ich alles, was darin lag.

      Da standen wir nun. David, Max und ich. Unsicher und fragend schauten wir uns an. Doch längst schon hatte ich Davids Herz erobert und so folgte ich meinem Helfer kommentarlos, als er sich in Bewegung setzte.

      Es war eine filmreife Szene. Drei einsame Seelen überquerten nebeneinander, still vor sich hin trottend, im grell leuchtenden Scheinwerferlicht einen menschenleeren, ewig langen Parkplatz.

      Um

Скачать книгу