Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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schüttelte den Kopf. Dann bemerkte er mich. „Weißt du eigentlich, wen du dir da angelacht hast?“

      Ich lächelte und nickte.

      „Sie ist verrückt.“

      „Ja, aber auf eine liebenswerte Weise.“

      „Ihre Sicht der Dinge ist eine Schande für unsere Ideale als Wissenschaftler …“

      „Bis gerade eben dachte ich, du kennst dieses Wort nicht einmal“, erwiderte ich.

      „Was soll das denn …“

      Ich winkte ab. „War doch nur Spaß. Lass gut sein, Ed.“

      „Wie lief dein Gespräch mit Diane?“, fragte Emily.

      „Es hat nicht wirklich eines gegeben.“

      Sie hob die Brauen. „War sie nicht da?“

      Ich schüttelte den Kopf und berichtete ausführlich, was geschehen war. Emily und Ed musterten mich sprachlos.

      „Irgendjemand gibt sich als du aus und macht dich unbeliebt?“, fragte Ed ungläubig. „Du hast nicht zufällig einen bösen Zwillingsbruder?“ Ich schüttelte den Kopf und warf Emily einen flüchtigen Blick zu. Sie schwieg mit besorgter Miene. Ich wusste genau, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging. Ich hatte mich selbst schon gefragt, ob mein mysteriöser Doppelgänger etwas mit dem Kuss zu tun hatte. Aber das war lächerlich!

      „Es gibt nur eine vernünftige Erklärung“, sagte ich, wie um mich selbst zu überzeugen. „Diane und Gary haben sich einen schlechten Scherz erlaubt. Es ist einfach unmöglich, dass es jemanden gibt, der mir bis ins letzte Detail gleicht.“ Emily wirkte nicht überzeugt.

      „Warte“, sagte Ed und starrte nachdenklich ins Leere. „Ich habe da so eine Idee. Womöglich bist du eingeschlafen – nein, lass mich ausreden! – Du bist eingeschlafen und geschlafwandelt.“

      „Da bin ich doch eher bereit anzunehmen, dass Lotin persönlich das Fourier in meiner Gestalt betreten hat.“

      Emily lachte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie flüchtig ihr Mojo berührte. Ed murmelte etwas von wegen, man müsse doch alle Möglichkeiten erwägen, erhob sich und holte drei Flaschen Bier. Wir ließen die Verschlüsse knallen und überlegten bis nach Einbruch der Dunkelheit, was Dianes merkwürdige Reaktion zu bedeuten hatte. Zuletzt erhob Ed sich gähnend von seinem Platz und verkündete, er würde jetzt ins Bett gehen.

      Auch Emily und mir juckten die Augen. Ich führte sie nach draußen und begleitete sie bis vor die Tür ihrer Wohnung. Dort umarmten wir uns zum Abschied.

      „Vermutlich gibt es für das alles eine ganz vernünftige Erklärung“, sagte Emily, wirkte jedoch von ihren eigenen Worten nicht überzeugt. „Aber nur für den Fall, dass etwas anderes dahinter steckt …“

      „Ich werde sicher keine Runen auf meine Tür malen, Emily.“

      „Ich wollte bloß sagen, sei auf der Hut“, gab sie leicht pikiert zurück.

      Ich lächelte und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Zerbrich dir nicht den Kopf. Alles wird gut, glaub mir. Schlaf jetzt.“ Ich gab ihr einen flüchtigen Kuss. Ihr Atem stockte und ich musste lächeln. Ich beugte mich zu ihr herab …

      „Nicht.“ Sie wich zurück, als hätte sie sich verbrannt.

      Ich kam mir ziemlich blöd vor. „Was ist?“

      „Wir … sollten das Übel besser nicht herausfordern“, murmelte sie. Ich starrte sie an. Fürchtete sie immer noch, ich könnte auf merkwürdige Weise sterben, wenn wir uns küssten?

      „Gute Nacht“, murmelte sie, öffnete die Tür und floh regelrecht in die Wohnung. Ich verharrte eine geschlagene Minute im dunklen Treppenhaus. Schließlich wandte ich mich kopfschüttelnd um und stieg die Treppen hinunter. Konnte Emily so verrückt sein? Oder war es ihr unangenehm, wenn ich sie küsste? Ich war mir nicht sicher, was schlimmer gewesen wäre. Vermutlich Letzteres.

      Draußen auf der Straße verharrte ich unschlüssig. Mir war nicht danach, jetzt nach Hause zu gehen. Überhaupt war mir nicht nach Gehen zumute. Ich musste mich setzen. Nachdenken. Ich grüble zu viel, aber ungedacht spuken die Gedanken durch meinen Kopf, lästige Alben, die mich nicht schlafen lassen.

      In einer dunklen Gasse entdeckte ich einen Stapel alter Holzkisten. Ich ließ mich auf einer davon nieder und lehnte mich an die kühle Hauswand. Nach einer Weile klärte sich mein Kopf. Ich schloss die Augen und ließ zu, dass ich müde wurde.

      Eine Tür fiel ins Schloss unter der zaghaften Berührung jemandes, der nicht gehört werden wollte. Ich zuckte zusammen. Tatsächlich war ich kurz eingeschlafen. Ich wandte den Kopf und sah Emily. Sie ließ den Blick schweifen. In der Hand hielt sie einen Stoffbeutel. Sie wandte sich nach rechts, folgte dem Verlauf der Straße und bog in eine Gasse ein. Unschlüssig blickte ich ihr nach. Sollte ich ihr nachlaufen? Nach kurzem Zögern erhob ich mich. Eine gefühlte halbe Stunde folgte ich ihr in sicherem Abstand, wartete stets, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden war, huschte notfalls von Versteck zu Versteck. Erst zuletzt wurde mir klar, welches Ziel sie hatte: den Friedhof von Treedsgow. Ich war nie dort gewesen und mir wäre nicht im Traum eingefallen, dort mitten in der Nacht hinzugehen. Ein Eisengitter umgibt diesen Ort, um die Toten fernzuhalten. Bäume warfen im Mondlicht tanzende Schatten über die Gräber. Ihr Laub erzitterte unter der Berührung einer nächtlichen Brise. Grabsteine in allen erdenklichen Größen und Formen wuchsen gleich Pilzen aus dem Boden. Gräber unterschiedlicher Größe reihten sich aneinander und verliehen dem Boden das Aussehen eines bunten Flickenteppichs.

      Eines musste ich Emily lassen: Sie hatte Mut.

      Das schmiedeeiserne Tor knarrte, als sie es öffnete. Sie zog es hinter sich zu, und ich fluchte stumm. Wenn ich sie nicht aus den Augen verlieren wollte, musste ich ihr durch dieses verräterisch ächzende Tor folgen. Also aufgeben und umkehren? Nein. Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter und holte Luft. Es gab nur eine Möglichkeit, es leise zu öffnen …

      Ich stieß das Tor auf. Es quietschte, jedoch kaum lauter als der Ruf eines Nachtvogels. Ich tauchte ins Dunkel der Bäume ein, duckte mich hinter eine Reihe von plumpen Grabsteinen und ließ den Blick schweifen. Der Geruch von feuchter Erde lag in der Luft. Die Schwärze der Nacht drückte auf meine Augäpfel. Hier wuchsen mächtige Eschen, Ulmen und Ahorne, deren Baumkronen sich zu einem dichten Blätterdach verschlossen. Nur an wenigen Stellen zeichnete das Mondlicht silberne Flecken auf die Gräber, gespenstig und schön zugleich. Soeben löste sich Emilys Silhouette aus der Schattenfront, die eine dieser Lichtungen umgab, und verschmolz auf der anderen Seite wieder mit der Finsternis. Ich eilte ihr nach. Mäuse und anderes Kleintier flohen vor meinen Schritten. Ich versuchte, auf keines der Gräber zu treten, aber das war unmöglich.

      Emilys Weg endete auf einer weiteren Lichtung. Ein mächtiger Grabstein erhob sich im Zentrum. Er stand schräg, als wäre er im Boden eingesunken, und wäre wohl als ganz gewöhnlicher Felsbrocken durchgegangen, wäre da nicht die verwitterte Inschrift gewesen, die halb von Efeu und Moos verdeckt wurde.

      Emily ließ sich vor dem Grabstein auf die Knie sinken. Das Gras wuchs so hoch, dass es sie fast überragte. Sie griff in den Stoffbeutel und brachte mehrere Dinge zum Vorschein: Ein Teelicht, eine Schachtel Zündhölzer, ein silbernes Messer. Schließlich stülpte sie den Beutel um, und ein Haufen schneeweißer Steine ergoss sich ins Gras. Sie fing an, ein Bild

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