Hexenherz. Goldener Tod. Monika Loerchner

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Hexenherz. Goldener Tod - Monika Loerchner Hexenherz

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weiß, was ihn dazu gebracht hat: Der Gedanke daran, dass ich ja eigentlich gar nicht seine Mutter bin, zumindest nicht im biologischen Sinn, sondern Ada. Und dass sie so etwas Schönes nie über ihn oder zu ihm gesagt hat. Weil sie eine dämliche, egoistische Mistkröte ist, der ich am liebsten mal ganz gehörig ein paar Ohrfeigen verpassen würde. Leider, leider besteht mein Sohn darauf, dass Ada allein seine Angelegenheit ist. Aber ich werde ja wohl noch träumen dürfen.

      »Weil ich deine Mutter bin«, vollende ich seinen Satz. Dingen, die weh tun, muss er sich stellen, damit sie aufbrechen und heilen können. Auch wenn er es immer und immer wieder tun muss. Es wird jedes Mal besser, verdrängen bringt nichts außer schwärenden Wunden, die nach innen wachsen. »Ja, ich bin deine Mutter und nein, das sage ich nicht nur deswegen.« Ich schnaufe übertrieben. »Oder kannst du dir vorstellen, dass ich sowas zum Beispiel zu Corey sagen würde, wenn er mein Sohn wäre?«

      Ich habe es geschafft, Kolja lächelt. Ganz vorsichtig. Er sieht immer so zerbrechlich aus!

      Überhaupt: Jetzt, da das Licht meiner Öllampe über sein Gesicht huscht, sieht er kleiner aus, als er ist. Mehr Kind noch als Mann, und doch sagen seine Augen etwas anderes.

      »Sag mal, irre ich mich, oder hast du Ränder unter den Augen?«

      »Was?« Kolja kramt einen Spiegel aus seiner Tasche und mustert dann kritisch sein Antlitz. Ich betrachte ihn indessen insgesamt etwas genauer. Dass er das mit den Augenringen nicht sofort abgestritten hat, macht mich stutzig. Normalerweise besteht er immer darauf, dass es ihm gut geht.

      Waren seine Schultern nicht mal breiter? Zumindest waren sie mir so vorgekommen, als er aus Annaburg zurückgekommen war. Schlank war er, seit ich ihn kenne, und die Wachstumsschübe, die er in den letzten zwei Jahren gemacht hat, haben ihr Übriges getan. Aber dass er so dünn ist? Ja, die Versorgung ist hier nicht so gut, wie er es von Zuhause in Smaleberg gewöhnt ist, aber dennoch ausreichend. Er hatte viel zu tun in der letzten Zeit: Erst das Abenteuer in Annaburg und der harte Ritt zur Gefängnisburg-über-Almetal. Kaum angekommen, waren wir gemeinsam aufgebrochen und als wir dann auf Adrian gestoßen waren, ging es fast sofort wieder weiter. Von dem etwas längeren Aufenthalt in diesem Kuhkaff mal abgesehen, waren wir ständig auf Reisen. Und kaum, dass wir irgendwo unser Lager aufgeschlagen hatten, war Kolja mit Désirée und ein paar anderen im Wald verschwunden, um sein Wissen weiterzugeben. Mein Sohn sieht schon seit einiger Zeit ständig müde aus, ja, aber ich hielt das für normal, es geht uns ja allen so.

      Während Kolja den Spiegel wieder wegpackt und sichtlich verlegen mit den Schultern zuckt, lasse ich meinen Blick wieder über sein Gesicht gleiten. Mag sein, dass es an den Lichtverhältnissen liegt, aber was sind das für dunkle Stellen unter seinen Wangenknochen?

      »Mojserce, bist du krank?«

      Er weicht meinem Blick aus. »Nein Mama, nur ein bisschen überanstrengt vielleicht. War ein bisschen viel in der letzten Zeit, ich bin auch ein bisschen müde.«

      Dreimal »ein bisschen«, das ist mir aber ein bisschen zu viel!

      »Schau mich an!«

      Gehorsam richtet er seinen Blick auf mich. Darin liegt so knochentiefe Erschöpfung, dass ich mir Mühe geben muss, um nicht zusammen zu zucken.

      »Kolja, Mojserce, du bist krank!«

      »Ach nein, Mama, mach dir keine Sorgen! Es geht mir … na ja, es ging mir schon besser, aber ehrlich, es ist nichts. Ich bin nur total müde.«

      »Dann schlaf jetzt, mein Schatz!«

      Muss ich mir Sorgen machen? Nein, sicher nicht, beschließe ich. Kolja ist einfach nur erschöpft, wie wir alle.

      Kapitel 4

      Als Désirée am nächsten Morgen kommt, um Kolja abzuholen, erwarte ich sie bereits vor unserem Zelt. Sie und Kolja hatten es sich zur Angewohnheit gemacht, ihr Frühstück morgens mitzunehmen und unterwegs zu verzehren. Himmelfraugöttin nochmal, wieso habe ich das nicht unterbunden?

      »Weil du keine dieser unbedarften, hilflosen Mütter sein wolltest, die meint, alles kontrollieren zu müssen, nur weil sie keinen Mann hat, der sich um das Kind kümmert. Weil du locker sein wolltest« – so in etwa würde wohl die richtige Antwort lauten. Was im Endeffekt – und dafür brauche ich nun wirklich keine Seelenärztin zu befragen – einfach darauf hinausläuft, dass ich will, dass mein Sohn mich nicht nur liebt, sondern auch mag. Verdammt. Erziehungskompetenztechnisch der totale Reinfall also. Wenn ich allerdings jemals gedacht hätte, den Kleinen noch erziehen zu müssen, wäre ich wahrscheinlich schreiend weggerannt. Und wenn ich »erziehen« einfach durch »beschützen« ersetze? Dann klingt es tausendmal besser, bei den Sieben Finsterhexen, und nicht so verflucht nach Kerlekram. Gut, beschützen also. Und dazu gehört, dass ich jetzt erstmal dafür sorge, dass Kolja Ruhe bekommt.

      »Guten Morgen!«, begrüßt mich Désirée gut gelaunt. »Ich wollte Kolja abholen.«

      »Sorry, das wird heute nichts.« Noch bevor die Rebellin etwas einwenden kann, füge ich hinzu: »Und morgen auch nicht. Kolja ist krank.«

      »Was?« Sofort nimmt das Gesicht der blonden Rebellin besorgte Züge an. Ich kann nur hoffen, dass ihre oberste Sorge meinem Sohn und nicht der Mission gilt. »Was hat er denn?«

      »Das weiß ich noch nicht genau. Auf jeden Fall ist er total erschöpft und soll erstmal ausschlafen. Danach sehen wir weiter.«

      »Hm.« Sie senkt den Blick, knabbert an ihrer Unterlippe.

      Ich hake nach: »Ist dir in der letzten Zeit etwas an ihm aufgefallen?«

      Sie lacht hart auf. »Er sah müde aus, das ja. Aber tun wir das nicht alle? Adrian treibt alle an, weil wir Geld brauchen, um die nötigen Dinge zu kaufen. Das Leben als Rebellin war immer schon hart, aber die letzten Wochen … Wer nichts Materielles beisteuern kann, wird auf Botinnengänge geschickt. Und alles hängt davon ab, dass wir vorwärtskommen.« Sie reibt sich das Gesicht, es wirkt eingefallen und grau. Ich bin wohl wirklich die Einzige hier, die vor lauter Nichtstun schon Fett angesetzt hat.

      »Kolja und ich stehen unter enormem Druck.« Sie lässt die Schultern hängen. »Ich hätte besser auf ihn Acht geben sollen. Bei der Göttin, er ist erst 15!«

      »Lass das.« Ich knurre es eher, als ich es sage. »Mir ist auch nichts aufgefallen, und ich bin seine verdammte Mutter!«

      Einen Moment lang starren wir uns unglücklich an.

      »Kann ich etwas tun?«

      Ich zucke mit den Schultern. »Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was. Oder doch, vielleicht … Kennst du dich mit Kräutern und so Zeugs aus? Oder kennst du eine, die es tut?«

      »Du meinst Heilkräuter?«

      »Ja, etwas in der Art. Ach, keine Ahnung!« Wieso nur hat es Adrian in all den Jahren nicht gebacken gekriegt, eine Frau mit Heilmagie anzuwerben? »Irgendwas halt. Zur Stärkung, oder für die Atemwege, falls es eine Erkältung ist.«

      »Hustet Kolja denn?«

      »Nein.«

      Göttin, ist das deprimierend. Kolja war nie groß krank gewesen und wenn er mal Bauchschmerzen hatte, hat ein ganz normaler, heißer

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