Warme arktische Nächte. Yuriy Tarnawsky
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Du hattest einen Bruder?
Einmal habe ich eine Zeit lang so getan, als würde ich einen Bruder haben, der jenseits des Ozeans lebte und der sehr arm dran war, weil er allein lebte und niemanden hatte, der sich um ihn kümmerte. Er war im gleichen Alter wie ich, also wäre er mein Zwilling gewesen, obwohl ich nie über ihn als einen solchen nachgedacht hatte. Er war nur mein Bruder, für den ich große Liebe empfand und der meine Hilfe brauchte.
In der Nähe unseres Hauses floss ein kleiner Bach durch den Park, und ich begann, ihm Sachen zu schicken, indem ich sie auf Bretterstücke legte, die ich in der Nähe der Wirtschaftsgebäude des Guts fand, oder flache Holzbrettchen oder andere Dinge, die trieben, wie Blechdosen und Metallschüsseln. Der Bach sollte sie zu einem großen Fluss führen, der sie zum Meer leitete, das sie schließlich zu ihm bringen würde.
Zuerst schickte ich ihm einige meiner Lieblingsspielzeuge und überzeugte sogar Nora, auch einige von ihren zu schicken, obwohl sie nach ein paar Versuchen das Interesse daran verlor und sich weigerte, weiter daran teilzunehmen. Aber es wurde kalt, und ich fing an, ihm ein paar Kleider und dann etwas zu essen zu schicken, manchmal das, was ich selbst zu mir nahm, beispielsweise zum Frühstück, weil ich normalerweise alleine frühstückte.
Es wurde dann bemerkt, dass einige Teller und Besteck fehlten und auch meine warmen Anziehsachen, und dass ich mit meinem Frühstück von Zeit zu Zeit verschwand. Nora erzählte meinen Eltern von dem Bruder, den ich mir erträumt hatte, und was ich getan hatte. So musste ich aufhören, dies zu tun, obwohl ich noch eine Weile an die Existenz meines Bruders glaubte.
Ein Schwert?
Ich hatte ein schönes kleines Schwert, das mir an einem meiner Geburtstage geschenkt worden war, es war eine weitere Hilfe für meine Geschichten.
Ich tat so, als ich durch eine Lichtung im Park lief, die Köpfe von Blumen abschnitt und dabei mit hoher Stimme blutrünstige Schreie ausstieß, als würde ich auf einem Pferd galoppieren, während ich die Köpfe feindlicher Soldaten abschnitt.
Ich wollte das auf dem Pony reitend tun, das wurde aber verboten, weil befürchtet wurde, ich könnte fallen und mich verletzen.
Noras Puppe?
Ich schuf mir richtig Ärger wegen Noras Puppe. Sie war die größte, die sie hatte, und ihr Liebling, hergestellt aus Kavčuk – Hartgummi – und war innen hohl.
Ich wollte immer wissen, wie es in ihrem Inneren aussieht, und eines Tages, als ich im Wohnzimmer meine Schwertkunst übte, beschloss ich, als niemand da war, den Kopf der Puppe mit dem Schwert abzuschneiden und einen Blick darauf zu werfen.
Die Puppe saß auf Noras Bett und stützte sich auf ein Kissen. Ich setzte sie so auf, dass ihr Kopf nach oben ragte, und hieb mit dem Schwert auf ihren Hals. Die Puppe wurde beschädigt, aber der Kopf wurde nicht abgetrennt. Die Puppe war umgekippt und lag auf der Seite. In einem Anfall von Raserei, den ich nicht kontrollieren konnte, fing ich an, mit dem Schwert auf den Hals zu hacken, bis sich der Kopf löste.
Wie war es drinnen?
Es war nichts Besonderes im Inneren – nur Leere. Es sah zwar feucht aus, was mich faszinierte, und so rieb ich meinen Finger an der Innenseite des Kopfes, probierte es und fand es salzig wie Schweiß. Es gab auch einen kleinen weißen Würfel wie ein Zuckerwürfel aus leichtem Material, der innen am Hinterkopf festgeklebt war. Ich versuchte herauszufinden, wozu er diente, konnte es aber nicht, wollte aber niemanden fragen, aus Angst, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was ich getan hatte, als würde ich glauben, dass es nicht bemerkt würde.
Es wurde natürlich bemerkt und es gab wenig Zweifel, wer es getan hatte, so gestand ich, als ich gefragt wurde, ohne zu zögern, dass ich es getan hatte.
Du wurdest bestraft?
Nora wurde hysterisch, als sie sah, was ich getan hatte, schrie und weinte, sperrte sich im Zimmer ein und kam den ganzen Abend nicht heraus, und sprach tagelang nicht mit mir. Ich glaube nicht, dass sie mir jemals vergeben hat.
Mutter wollte, dass ich verprügelt wurde, aber Vater sagte, dass Schläge schlechtes Benehmen nicht korrigierten, sondern es fördern, indem es zeigte, dass Gewalt akzeptabel ist. Stattdessen sollte ich, wenn alle zu Abend aßen, in der Ecke stehen, und drei Tage lang hungrig zu Bett gehen.
Ich habe diese Bestrafung jedoch genossen und hätte gerne länger damit fortgefahren. Ich stand gerade wie eine Stange und starrte auf die leere Wand vor mir. Ich hörte das Klappern von Löffeln, Messern und Gabeln, die hinter meinem Rücken auf das Porzellan trafen, während Hunger schmerzhaft meinen Bauch rieb und ich spürte, wie ich dadurch mehr und mehr bereit wurde, die schlechten Dinge zu verkraften, die das Leben mir eines Tages bereiten würde.
In der zweiten Nacht wollte Mutter mir, als ich ins Bett ging, heimlich etwas zu essen geben, ohne dass Vater es wusste, aber obwohl ich versucht war, ihr Angebot anzunehmen, lehnte ich es ab und schlief noch glücklicher ein, als ich es war, während ich vor der Wand stand. Hätte ich ihr Angebot angenommen, hätte es alles verdorben, was ich erreicht hatte.
In der dritten Nacht ließ sie mich in Ruhe.
7
Deine Großmutter?
Jeden Sommer verbrachten wir einige Wochen bei meiner Großmutter, die weit weg in den Bergen lebte. Wir nahmen zuerst für eine kurze Strecke einen Zug und stiegen dann um in einen anderen, mit dem wir stundenlang fuhren. Es dauerte fast den ganzen Tag, um dorthin zu gelangen.
Der zweite Teil der Reise gefiel mir am besten. Wir waren normalerweise allein im Abteil und ich saß am offenen Fenster und blickte in die Richtung, in die wir reisten, die hereinströmende Luft drückte wie ein kaltes Kissen fest gegen mein Gesicht, was mir das Atmen schwer machte. Sie war mit Rauch vermischt, der aus der Lokomotive austrat, und roch nach hartgekochten Eiern, wie die, die wir mit den belegten Broten gegessen hatten, die Mutter zubereitet und in einem großen Korb mitgebracht hatte, was ich mochte.
Mehr noch mochte ich es, meinen Kopf aus dem Fenster zu stecken und dann wirklich von der Luft erstickt zu werden, so dass ich nach Luft schnappte, aber man sagte mir, ich solle es nicht tun, weil ein Funke im Rauch in mein Auge geraten und mich blenden könnte. Obgleich ich davor Angst hatte, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, mich immer wieder erneut aus dem Fenster zu lehnen, besonders in den Kurven, denn dann konnte ich den gesamten Zug von der Lokomotive vorne bis zum letzten Wagon am Ende sehen. Sie sahen beide überraschend klein aus, fast wie Spielzeug, und der Zug war kürzer als ich gedacht hatte, was ich schön fand.
Manchmal hatte Vater jedoch genug von meinem Benehmen und schloss wütend das Fenster. Er zog es mit einem Lederriemen hoch, der aus einem Spalt im Fenstersims herausragte.
Die Luft wurde, je höher wir in die Berge kamen, zunehmend kühler und frischer. Das gefiel allen, das Fenster wurde, wenn es hochgeschoben worden war, wieder heruntergelassen, und ich verhielt mich so, dass es nicht wieder geschlossen wurde.
Es gab einen Tunnel, den wir passieren mussten, bevor wir unser Ziel erreichten. Das Abteil wurde ganz dunkel, als wir hineinfuhren, die Luft stank nach Rauch und der Lärm, den der Zug machte, der nun von den Steinmauern widerhallte, wurde so laut, dass man nichts anderes hören konnte.
Dies dauerte lange, so dass es so schien, als würde es nie enden, aber plötzlich war alles wieder hell, die Luft roch