DiGA VADEMECUM. Jörg F. Debatin
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Auch bezüglich der erbrachten Leistungen, insbesondere solche mit Technologieeinsatz, unterscheiden sich ambulanter und stationärer Sektor erheblich: Ärztliche Methoden im ambulanten Bereich, ob nun unter Einsatz von Medizinprodukten oder nicht, unterliegen einem Erlaubnisvorbehalt, das heißt, sie dürfen nicht angewandt werden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) positiv festgestellt hat, dass sie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfen. Krankenhäuser dürfen hingegen neue Leistungen, auch unter Einsatz von neuen Medizinprodukten, ohne weitere Erlaubnis erbringen. Krankenhäuser unterliegen einem Verbotsvorbehalt, dürfen also grundsätzlich alle Leistungen erbringen, solange der G-BA nicht beschlossen hat, sie von der Versorgung auszuschließen.
Im Kern ist das Ziel in beiden Sektoren, qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung zu garantieren. Da beide Systeme sehr komplex sind, sind Fehlanreize jedoch nicht ausgeschlossen. Zudem kommt es immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung der Übergänge zwischen den Sektoren.
An diese Säulen der Versorgung gliedern sich weitere Bausteine an:
Selbstverwaltung im Gesundheitswesen
Das deutsche Gesundheitswesen ist maßgeblich durch das Prinzip der Selbstverwaltung geprägt. Während in anderen Ländern, z. B. Großbritannien, die Gesundheitsversorgung durch den Staat (zentral) geregelt wird, baut das deutsche System auf der Eigenverantwortung der Stakeholder auf. Der Staat gibt den gesetzlichen Rahmen vor. Die konkrete Ausgestaltung und die Umsetzung obliegen der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung besteht auf der einen Seite aus den Versicherten und BeitragszahlerInnen, vertreten durch den GKV-SV und seine Mitgliedskrankenkassen, auf der anderen Seite aus den Leistungserbringern und ihren Organisationen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Diese Parteien sind im höchsten Entscheidungsgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen organisiert, dem G-BA. Der G-BA bestimmt in Form von Beschlüssen und Richtlinien, welche medizinischen Leistungen Versicherte in Deutschland in Anspruch nehmen können und legt Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in Praxen und Krankenhäusern fest. Im G-BA sind auch maßgebliche Patientenorganisationen vertreten. Sie verfügen jedoch lediglich über Antrags-, kein Stimmrecht (G-BA 2020).
Auch die Details der Vergütung ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen im EBM sind Gegenstand der Verhandlungen der sogenannten Bundesmantelverträge zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen und deren Verbänden.
Hinzu kommen Strukturen in den Bundesländern. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sowie die Ärztekammern und Apothekerkammern sind pro Bundesland zzgl. einer zweiten Struktur für Nordrhein-Westfalen (z. B. die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe) organisiert. Für jedes Bundesland gibt es auch je eine Landeskrankenhausgesellschaft. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verhandeln für ihre Mitglieder (ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) die Gesamtvergütung für den Bezirk der betreffenden KV. Dadurch unterscheiden sich z. B. effektive Höhen von Pauschalen in der ambulanten Versorgung je Bundesland. Sie haben den Auftrag, die flächendeckende Versorgung sicherzustellen, regeln den Bereitschaftsdienst und beteiligen sich an Fragen der Niederlassung. Die oben genannten Kammern entscheiden z. B. über die Berufsordnung der ÄrztInnen, was dazu führt, dass z. B. die ausschließliche telemedizinische Behandlung in Brandenburg berufsrechtlich weiterhin untersagt ist, während alle anderen Kammern Änderungen am Berufsrecht vorgenommen haben.
In Deutschland entscheidet nicht eine zentrale, staatliche Stelle über die Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung, stattdessen stehen die handelnden Akteure – teilweise auf Ebene der Länder – in der Eigenverantwortung.
Wirtschaftlichkeitsgebot
Das System der GKV ist geprägt durch das Bedarfsprinzip: Alle Leistungen, die für die Krankenbehandlung der einzelnen Versicherten notwendig sind, werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Bisweilen spricht man daher auch von einer „Vollkasko“-Versicherung – insbesondere in Abgrenzung zu anderen Versicherungssystemen, z. B. der Pflegeversicherung, in der nach dem Budgetprinzip lediglich ein Teil der notwendigen Leistungen getragen wird. Ein System, das alle notwendigen Leistungen erbringt, ohne dass die Versicherten sich an den Kosten beteiligen müssen, läuft allerdings Gefahr unendlich teuer zu werden. Daher sieht das Gesetz verschiedene Mechanismen zum effizienten Einsatz der Mittel vor. Grundlegend ist hier das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V, das vorschreibt, dass Leistungen der GKV zum einen nicht über das Notwendige hinausgehen dürfen, zum anderen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich im engeren Sinne sein müssen. Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsprinzips ist, das Leistungen Nutzen stiften müssen. Dies gilt für Arzneimittel ebenso wie für ärztliche Methoden sowie für DiGA. Das mag zunächst trivial klingen, weil naheliegt, dass Krankenkassen nicht für etwas zahlen, dass niemandem hilft. Tatsächlich ist aber die Definition des Nutzens und erst recht die Operationalisierung des Nachweises äußerst komplex (s. Kap. 7.3 Positive Versorgungseffekte).
Vergütungsstrukturen
Über die unterschiedlichen Vergütungsstrukturen des stationären und ambulanten Sektors hinaus bestehen auch bei sächlichen Leistungen unterschiedliche Vergütungsmechanismen: Über Hilfsmittel werden Versorgungsverträge nach § 127 SGB V abgeschlossen und für neue Arzneimittel werden kollektivvertragliche Erstattungsbetragsvereinbarungen zwischen pharmazeutischem Unternehmer und dem GKV-SV geschlossen. Diese Vereinbarung hat Bindungswirkung gegenüber allen Krankenkassen und fundiert auf der frühen Nutzenbewertung, in welcher der G-BA einen (oder auch keinen) Zusatznutzen gegenüber bestehenden, zweckmäßigen Vergleichstherapien feststellt. Das Preisfindungssystem der DiGA ist diesem System für Arzneimittel entlehnt – auch hier wird eine Preisverhandlung durchgeführt, freilich auf anderer Grundlage (s. Kap. 8.1 Und das war erst der Anfang: Preisverhandlungen).
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Hilfsmittel, Methode, DiGA – Wege in die GKV-Versorgung für digitale Lösungen
Da es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung um ein soziales Sicherungssystem in Form einer Solidargemeinschaft der Versicherten handelt, gibt es ein Regelsystem, das die Qualität der Versorgung und deren Wirtschaftlichkeit im Sinne der Versichertengemeinschaft sichern soll. Nicht jede persönliche Leistung, jedes Medizinprodukt oder jedes Arzneimittel kann daher ohne Weiteres Teil des Leistungskatalogs in der GKV sein. Zunächst muss die Sicherheit der PatientInnen gewährleistet