DiGA VADEMECUM. Jörg F. Debatin
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Kapitel 9 Kauf meine DiGA, denn sie ist sehr gut! Marketing von digitalen Medizinprodukten
In den allermeisten Märkten gibt es wenige Beschränkungen zur Bewerbung von Produkten. Das ist im Marketing mit Medizinprodukten anders. Das Heilmittelwerberecht gilt auch für DiGA und definiert Voraussetzungen für Marketing und Kommunikation. Bei Zuwiderhandlung drohen zum Teil empfindliche Strafen. Für alle Marketeers lohnt sich dieses Kapitel sehr, aber auch für alle eingetragenen GeschäftsführerInnen. Außerdem sind gesetzlich noch einige weitere Einschränkungen für Werbung in der DiGA sowie Tracking definiert.
Kapitel 10 ePA und TI – Ein Blick über den DiGA-Tellerrand
Der DiGA-Fast-Track ist nicht das einzige Digitalisierungsprojekt im deutschen Gesundheitswesen. Noch grundsätzlicher und potenziell wirkmächtiger wird die Finalisierung der Telematikinfrastruktur (TI) und als erste wesentliche Anwendung die elektronische Patientenakte (ePA). Die ePA könnte das fehlende Motherboard des deutschen Gesundheitswesens werden, über das Daten zwischen allen Silos frei fließen und strukturiert analysiert werden, über das die PatientInnen entscheiden können, wer Zugriff auf welche Daten erhält und die das fehlende Bindeglied zwischen ambulanten ÄrztInnen, ApothekerInnen, Krankenhäusern, PflegerInnen und Weiteren sein könnte. So könnte ein einmaliges, nicht-privatwirtschaftlich betriebenes Digital Health-Ökosystem entstehen. Wo wir stehen, wie sich die TI entwickeln wird und was das mit DiGA zu tun hat, all das erfährst du in diesem Kapitel.
Kapitel 11 Zusammenfassung und Ausblick
DiGA und gut? Nein, das deutsche Gesundheitswesen steht erst am Anfang einer digitalen Transformation. Inwieweit der Fast-Track ein erster Gehversuch ist, was ein Scheitern oder Missbrauch des Fast-Tracks für die Transformation bedeuten würden und welche Bereiche in naher Zukunft ebenfalls digitalisiert werden – dazu erfolgt am Ende ein Ausblick.
Und jetzt: Viel Spaß mit dem DiGA VADEMECUM!
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Zeitenwende im deutschen Gesundheitswesen
Mit der Vorstellung des Referentenentwurfs zum Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) entwarf das BMG im Mai 2019 für DiGA erstmals die Möglichkeit, strukturierten Zugang zum System der gesetzlichen Krankenversicherung zu finden und damit im wichtigsten deutschen Gesundheitsmarkt als Bestandteil der Regelversorgung von den Krankenkassen finanziert zu werden. Die weltweite Aufmerksamkeit spiegelt wider, was für eine wirkmächtige Neuerung das DVG mit sich bringt: In keinem anderen zusammenhängenden Gesundheitsmarkt der Welt gibt es klare Anforderungen, einen strukturierten Prozess und gleichzeitig auch klare Vergütungsregeln für DiGA. Mit der Implementierung des DiGA-Fast-Track-Verfahrens im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist die wesentliche Hürde beseitigt worden, damit jede geeignete DiGA Zugang zu mehr als 73 Millionen gesetzlich Versicherten bekommen kann.
Vorgeschichte
Vor dem DVG konnten Anbieter digitaler Gesundheitstools lediglich über Nischen, wie z. B. Selektivverträge – also Verträge mit einzelnen Krankenkassen – oder mehr oder weniger passend als Präventionslösung eine Vergütung für ihre Produkte erzielen. In diesen Bereichen können Krankenkassen freier über Budgets entscheiden. Die Unsicherheit blieb jedoch groß. DiGA konnten nicht wirklich sinnvoll einer bestehenden Kategorie, wie z. B. Hilfsmitteln, Arzneimitteln oder Heilmitteln zugeordnet werden (s. Kap. 5 Hilfsmittel, Methode, DiGA – Wege in die GKV-Versorgung für digitale Lösungen; gute Übersicht hierzu: Thelen 2018).
Im Ergebnis führte das zu einem inkonsistenten Umgang mit digitalen Anwendungen. Dies ist in den meisten Gesundheitswesen der Welt ähnlich. Lediglich die skandinavischen Länder, Israel, Singapur, UK und Teile der USA nutzen heute bereits strukturiert digitale Anwendungen zur Versorgung der PatientInnen. Dort kommen digitale Anwendungen jedoch zumeist nur in Teilsystemen zur Anwendung, betreffen also nur relativ kleine Populationen und unterliegen sehr unterschiedlichen Zulassungsprozessen und Vergütungsmodellen.
Warum beschäftigt sich das deutsche Gesundheitswesen überhaupt mit DiGA? Warum sind die medizinisch relevant? Bisher wirken ambulant tätige ÄrztInnen im Wesentlichen in der kurzen Zeit, in der sie ihre PatientInnen sehen und untersuchen können. Im Schnitt dauert dies in Deutschland 7,6 Minuten je Termin (Nier 2017). All das, was in 7,6 Minuten gesagt, erläutert und von PatientInnen verstanden wird, und dann im Alltag der PatientInnen Widerhall findet, kann die Gesundheitssituation des Einzelnen verändern. Ob Medikamente genommen, Verordnungen für Physiotherapie in Anspruch genommen, Hilfsmittel wie eine orthopädische Einlage tatsächlich genutzt werden – all dies können ÄrztInnen nur über geschicktes Nachfragen beim nächsten Besuch der PatientInnen erfahren, wenn dafür Zeit und Muße bleibt.
Neue Realität dank digitaler Gesundheitsanwendungen
Mit DiGA kann Medizin nun aber niederschwellig im Alltag der PatientInnen integriert werden. Ob digitales Tagebuch, Entspannungsübungen, Sensorik für Home-Monitoring oder Ernährungscoaching – die DiGA der ersten Generation können Smartphone- oder Browser-basiert auch außer-halb der 7,6 Minuten Arzt-Patient-Interaktion die ambulante Versorgung situationsbezogen unterstützen. Sie können longitudinal Daten aus dem Alltag der PatientInnen erheben sowie Verhaltensänderungen induzieren und nachhalten. Mit DiGA können darüber hinaus stärker als bisher auch die Alltagsimplikationen von Indikationen für PatientInnen ermittelt und gezielt verbessert werden. Im Sinne des Health Technology Assessments geht es nicht nur um den rein medizinischen Nutzen, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung der Gesundheitssituation der PatientInnen.
Dass das deutsche Gesundheitswesen, welches sich so lange und so erfolgreich gegen fast jede Form digitaler Technologien gewehrt hat, nun eine strukturierte Öffnung ermöglicht, ist eine Zeitenwende. Dieser Schritt bedeutet noch nicht, dass alle SkeptikerInnen überzeugt und breite Teile der ÄrztInnen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenkassen oder Krankenhäuser plötzlich glühende UnterstützerInnen von DiGA im Speziellen oder der Digitalisierung im Allgemeinen wären. Nichtsdestotrotz können sich DiGA nun in der Versorgungsrealität beweisen. Alltagspraktische Erfahrungen können gesammelt und dabei Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken digitaler Gesundheitsanwendungen kennengelernt werden.
Das Umfeld digitaler Gesundheitsanwendungen
Es lohnt ein etwas detaillierterer Blick auf die Akteure, um deren Historie und aktuelles Verhalten besser einordnen zu können. Die Einschätzung ist subjektiv, basiert allerdings auf sehr vielen intensiven Gesprächen und Interaktionen mit unterschiedlichen Akteuren im Verlauf der letzten 14 Monate:
Krankenkassen
Die Krankenkassen hüten und verwalten im Namen ihrer Mitglieder die Versichertenbeiträge, um eine bestmögliche Versorgung jedes einzelnen gesetzlich Krankenversicherten zu ermöglichen.