Tausendfache Vergeltung. Frank Ebert
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Читать онлайн книгу Tausendfache Vergeltung - Frank Ebert страница 10
Se Ung saß jetzt mit aufgesperrtem Mund da. Al hatte sich in Rage geredet und fuhr lautstark fort:
„Schonungslos werde ich sein, scho-nungs-los. Denn ich glaube an die Wahrheit, weil sie das Einzige ist, was zu Gerechtigkeit führt. Das ist mein Beruf. Du müsstest das doch eigentlich verstehen. Ich meine, als Diplomat vertrittst doch gerade Du ein Land, das auf einem Pulverfass sitzt …“
„Ich verstehe das, Al. Du weißt aber genauso gut wie ich, dass die Presse nicht immer die Wahrheit schreibt“, entgegnete Se Ung. „Mal schönt sie, mal fletscht sie die Zähne, je nachdem, was gewünscht wird, je nach den Interessen, die auf dem Spiel stehen.“
„Ich habe mir geschworen, nie mehr die Unwahrheit zu schreiben, nichts mehr zu unterdrücken, glaube mir“, versicherte Al, indem er mit der flachen Hand andächtig auf die Tischplatte pochte. „Und ich werde Shing-hees Tod aufklären, glaube mir“, versicherte Al.
„Ein ehrenwertes Ziel. Vielleicht kann ich dir dabei helfen“, meinte Se Ung und beugte sich zu Al vor, wobei er einen Zeigefinger auf die Lippen legte.
„Du?“, zweifelte Al.
„Warum nicht? Al, ich habe nie darüber gesprochen, auch nicht mit Shing-hee“, flüsterte er, „ich arbeite für das ANSP.“ „Aha“, bemerkte Al erstaunt.
„Meine Legende lautet: Referent im Außenministerium. Ich bin aber in der Beschaffungsabteilung des ANSP tätig. Ich denke, ich kann dir bei deiner Arbeit behilflich sein. Unsere Regierung hat der Korruption den Kampf angesagt – und den Kommunisten aus dem Norden, die unser Land pausenlos piesacken.“
„Hm, hört sich gut an“, räsonierte Al.
„Dann sind wir uns also einig?“
„Ich denke schon.“
Wortlos legte Al eine Zehntausend-Won-Note auf den Tisch.
Die beiden Männer wandten sich zum Gehen.
„Noch etwas, Al“, sagte Se Ung.
„Ja?“
„Ich denke, du solltest keinen Kontakt zu unseren Eltern aufnehmen, wenigstens vorerst. Sie können überhaupt nicht begreifen, was passiert ist. Ich hoffe auf dein Verständnis“, sagte Se Ung mit mitleidsvoller Miene.
„Wissen sie von deiner Tätigkeit?“
„Sie sind stolz, einen Diplomaten hervorgebracht zu haben, dessen Karriere bis jetzt keinen Knick aufweist.“
„Ich halte es auch für besser, deine Eltern vorerst nicht aufzusuchen. Sie würden mir die Schuld an Shing-hees Tod geben.
Die Narbe auf ihrer Seele ist noch zu frisch. Sie könnte wieder aufbrechen …“
„Nein, Al. Sie wird nie mehr verheilen.“
5 Seoul, Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
Robert O. Woods – Presseattaché
In großen Lettern prangte der Name auf dem messingfarbenen Türschild. Gerade als sie anklopfen wollten, öffnete der untersetzte Mann mittleren Alters mit dem schütteren, blond gekräuselten Haar schwungvoll von innen die Tür. Das kugelrunde, volle Gesicht durchstach ein eisiger Blick hinter einer dicken Hornbrille. Es war, wie Bill es vorhergesagt hatte – der Mann trug zu seinem zeitlosen hellgrauen Anzug eine auffällige Fliege: dunkelgrün mit weißen Tupfen.
Bei dem überraschenden Anblick von Al und Bill reagierte er sofort.
„Ah, schön, dass Sie da sind!“
„Bob, das ist Albert Ventura, mein Nachfolger …“
„Hallo, Al, ich freue mich.“
„Ganz meinerseits, Bob.“
„Habe schon einiges von Ihnen gehört – und gelesen. Los Angeles News …“
„Hoffentlich nur Gutes“, witzelte Al.
Der Attaché bat sie in sein Dienstzimmer. Sie nahmen in dem großzügig eingerichteten Büro auf einer wuchtigen Garnitur Platz. Bob Woods schlug die Beine übereinander.
„Nun, dann werden wir es künftig häufiger miteinander zu tun haben. Bill Cooper und ich kamen glänzend miteinander aus, nicht wahr, Bill?“, hob Woods an. „Schade, dass Ihre Zeit zu Ende ist.“
„Ja, ja. Wahnsinnig gut“, nickte Bill eifrig.
„Ich hoffe, mit uns wird das genauso gut gehen, Al.“
„Das hoffe ich auch“, entgegnete Al.
„Sie kommen also aus L. A. Kennen Sie Korea überhaupt, Al?“
Bob fragte schneidend. Seine Fähigkeit, Dinge direkt auf den Punkt zu bringen, galt als phänomenal. Andererseits schätzte ihn der Botschafter wegen seines Geschicks, gerade in heiklen politischen Angelegenheiten bedeutungsschwere Inhalte wortreich in nichtssagenden Sprachhülsen zu verbergen.
Er fuhr fort:
„Bevor Sie antworten – das mit Ihrer Akkreditierung wird in Ordnung gehen; wir kümmern uns darum.“
„Danke. Nun, ich war früher bei der US-Navy und zwei Jahre in Korea stationiert. Hier lernte ich meine Frau kennen, eine aus Seoul stammende Koreanerin. Sie hatte gerade begonnen, für die Korea Times zu arbeiten. Wir haben geheiratet und sind nach Los Angeles gegangen. Dort hat sie bei den LAN sofort einen Job bekommen.“
„Doch nicht etwa … Halt, lassen Sie mich raten … – Shinghee Ventura? Sie hat das Feuilleton gemacht, nicht wahr?“
„Nein, die Seite über die sogenannten interessanten Persönlichkeiten.“
„Ah, die Klatschspalte“, lächelte Bob spitzzüngig. „Nun, wie geht es Ihrer Frau?“
Bill musste fürchterlich laut husten, weil er sich plötzlich verschluckt hatte.
„Sie kam vor einigen Wochen bei einem mysteriösen Verkehrsunfall ums Leben …“, sagte Al einsilbig.
„Tut mir leid …“
Bob übersprang das unangenehme Thema.
„Habe ich richtig gehört? Sagten Sie US-Navy? Wie kommt man von der Navy zur Zeitung?“, bohrte er weiter. „Presseoffizier?“
„Sagt Ihnen das Stichwort Flottenskandal etwas?“, fragte Al zurück.
„Sie meinen die Geschichte mit dem Fregattenkapitän, der für die Russen spioniert hat? Oder waren es die Chinesen?“
„Es waren die Russen. Kapitän Blyer war im Flottenkommando stationiert. Er hatte zu geheimen Unterlagen Zugang, genauer gesagt zu den Einsatzplänen für die Marine im Mittelmeer und am Golf. Hochinteressantes Material, vor allem für die Russen.