Die Chroniken des Südviertels. Rimantas Kmita
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Читать онлайн книгу Die Chroniken des Südviertels - Rimantas Kmita страница 6
Und während ich zu Bon Jovi so meine liebe Mühe hatte, hörte ich, dass jemand die Tür aufschloss. Scheiße, das konnten nur meine Eltern sein. Aber wie denn? Warum? Es war doch erst kurz nach zehn! Was tun? Sie würden sowieso gleich alles kapieren, aber ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf, dann blitzschnell in die Hose und zur Zimmertür. Ich schloss sie und blockierte sie mitm Fuß. Was tu ich denn da, bin ich denn völlig bescheuert, aber ne andere Stimme sagte mir: Und-was-verfickt-nochmal-soll-ich-denn-tun? Etwa die Tür weit aufsperren und den Alten sagen: »Oh, guten Abend, hereinspaziert, schaut, was für ne tolle Schwiegertochter ich euch vorstellen möchte!«
Ich hielt also die Tür zu, schaute sie an und verstand die Welt nicht mehr. Die lag einfach so da und hattes überhaupt nicht eilig mitm Anziehen. Hatte die noch alle? Ich konnte ihr ja nix sagen, weder laut noch leise, oder sollte ich sie ankläffen, sodass es die Alten hörten? Etwa so: Komm schon, Tempo, Tempo, anziehen, aber dalli!
Mum klopfte schon an die Tür: »Aufmachen! Wer ist dort bei dir?! Sofort aufmachen!«
»Da ist niemand«, mehr brachte ich nicht hervor. Ich zitterte am ganzen Körper. Aber selbst in diesem Moment starrte ich noch diese Edita an und war ganz baff, weil sie so weiß war. Ich bin ja auch nicht aus Jamaika und sicher genauso käsebleich. Was hatte ich denn erwartet? Was weiß ich denn. Die in der Glotze haben alle Farbe, aber die hier – schneeweiß. Und irgendwie echt, nicht so wie auf den Plakaten oder in den Heftchen, und das passte mir gar nicht in den Kram. Ich fand ihren Anblick beinahe eklig.
Ich konnte mich nicht mehr dumm stellen und »Da ist niemand!« rufen. Also gab ich die Tür frei.
Als sie das Licht anmachten, hatte sie Gott sei Dank schon das Höschen an.
Obwohl das eigentlich kaum was änderte. Aber irgendwie doch …
Ich weiß nicht, ob ich unbedingt weitererzählen muss. Ich staunte zwar nicht schlecht, dass meine Eltern zuerst sie ankläfften – als wäre ich gar nicht hier. Logisch, sie sagten, sie ist die letzte Schlampe, sie werden alles mit ihren Eltern besprechen, ob sie denn noch ganz bei Verstand ist, sie ist älter, aber sie denkt kein bisschen daran, was sie da tut und wie das alles enden könnte. Und immer weiter, bis sie sich ganz angezogen hatte und durch die Tür abrauschte.
Dann knöpften sie sich mich vor.
3
Für ne lange Moralpredigt war es zu spät, also gabs nur ne kurze Standpauke.
Sie sagten mir, ich bin n Esel, denn ich will mir ganz offensichtlich das Leben versauen, während mir schien, ich fange erst an zu leben.
Sie sagten mir, ich will wohl unbedingt bald Vater werden, die Schule nicht abschließen und meine Zeit mit Kindererziehung verbringen, und ich stammelte im Gegenzug was von Präsern.
Sie sagten mir, ich bin n Idiot, dass ich mich mit solchen Schlampen abgebe, und ich versuchte zu entgegnen, dass sie gar keine ist und nicht mit allen in die Kiste hüpft, zumindest hatte ich noch nix in dieser Richtung gehört.
»Wollte sie selbst zu dir kommen, oder haste sie zu dir eingeladen?«
»Sie wollte, warum?«
»Die soll den Weg hierher vergessen, aber auf der Stelle!«
Kurz und gut, alles wie in einem bescheuerten Witz. Nur war ich keine dieser Witzfiguren, weder der Geliebte noch der vor Wut kochende Ehemann, sondern einfach nur n Schüler, dem man gerade den Tarif durchgegeben hatte. Hausarrest und Hausaufgaben. Bis achtzehn sitze ich zu Hause und mache Hausaufgaben. Das ist meine Funktion. Es fiel mir nix Vernünftiges ein, was ich hätte sagen können. Mich rechtfertigen? Wofür? Dass ich Lust auf n Mädchen hatte? Ist das denn was Böses? Und was ist dann gut? Zu Hause sitzen, Hausaufgaben machen und sich einen runterholen?
Am nächsten Tag ging ich zu Minde. Der zeigte mir zufrieden, dass er jetzt den Spagat hinkriegte. Nicht mehr lange und er würde es mit Van Damme aufnehmen. Mich brachten diese Spagate zum Schmunzeln: Du dehnst dich, hebst die Beine … Das mag ja ganz passabel aussehen, vielleicht kann man damit ja auch Eindruck schinden und irgendn Weichei macht sich in die Hose, aber wenn so n Clown einem Typen in die Hände gerät, der die Muckibude nicht nur von außen kennt, dann gibts gar nix mehr zu lachen.
»Gratuliere!«, sagte ich. »Wäre geil, wenn das mit den Plakaten auch so flutschen würde.«
»Was hat das denn mit den Plakaten zu tun?«
»Das. Wir pumpen in der Muckibude, und die Kohle könnte das auch. Pump it up, pump it up, die Muckis und die Prozente wachsen und wachsen.«
»Wo piepts bei dir?«
»Jetzt mal halblang! Mach du ruhig deine Spagate, ich muss mal n wenig auf piano schalten, hab Stunk mit den Alten.«
»Was war denn?«
»Die haben mich zu Hause mit Edita erwischt. Sind früher heimgekommen, und die liegt splitterfasernackt da …«
»Du vögelst also zu Hause Tussis und dann fickste mich, weil die Plakate nicht weggehen? Diese Woche hat die halbe Klasse von Tamošius in der fünfzehnten welche gekauft, wo wir vorher noch kein einziges losgeworden sind …«
»Hast ja recht, aber irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, als wäre der Wurm drin …«
»Wenn du mich fragst, ist bei dir der Wurm woanders drin. Aber scheiß drauf. Und was haben die Alten gesagt?«
Wie mich das ankotzt – alle möglichen Langhaarweicheier glauben, sie müssten deiner Mutter im Belehren das Wasser reichen, und du steckst so tief in der Scheiße, dass du nicht weißt, waste ihnen antworten sollst.
»Was haben sie gesagt, was haben sie gesagt – dass ich bald nen Haufen Kinder habe.«
»Du hättest sie doch fragen können, ob sies dir nicht erklären können.«
»Ja, ja, danebensitzen und zuschauen, ob ich alles richtig mache.«
»Und jetzt?«
»Was jetzt, was jetzt. Zusammengestaucht haben sie mich. Mit allem möglichen Scheiß gedroht. Gesagt, wenn ich zu viel Mist baue, dann ist der Arsch ab.«
»Mach dir nicht in die Hose, du gehst einfach, was sollen die denn machen?«
»Da haste auch wieder recht, aber ich muss es ja nicht auf die Spitze treiben. Ich kann den Alten doch nicht einfach sagen: Danke, war nett mit euch, machts gut. Ich liege ihnen ja noch auf der Tasche. Und lebe unter ihrem Dach. Also ist n bisschen Ruhe angesagt. Besser, sie denken, dass alles nur n Missverständnis war. Jupp, am besten, sie glauben, es ist ihre Idee gewesen.«
»Okay, und was ist dann mit Riga?«
»Was soll damit sein? Wir haben noch nicht genug Kohle, um hinzufahren. Wir müssen erst alle Plakate verhökern. Mit dem, was wir in der Tasche haben, können wir höchstens zu den Ukrainern.«
»Scheiß auf die Ukrainer, was sollen wir mit denen?«, wehrte Minde ab.
Aber