Der Fluch der goldenen Möwe. Peter Gerdes

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Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes

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Nase zu landen, nichts wie weg von diesem unheimlichen Ort, dorthin, wo er den nächsten befestigten Weg vermutete. Hoffentlich ist dort noch jemand unterwegs, dachte er, das wäre dann meine endgültige Rettung. Der unmittelbaren Gefahr aber glaubte er sich bereits entronnen. Dank einer Raubmöwe, die sich im Landeanflug gestört gefühlt hatte.

      Ehe er es verhindern konnte, platzte ein Lachen aus ihm heraus. Ausgerechnet eine Möwe! Wenn das kein gutes Omen war. Schade, dass er nicht an Omen glaubte.

      Der Schlag gegen den Hinterkopf traf ihn ohne Vorwarnung. Er taumelte, vor seinen Augen drehten sich funkelnde Sterne, und als er sich an den Hinterkopf fasste, fühlte der sich feucht an. Aber er blieb auf den Füßen, und das bisschen Orientierung, das er noch hatte, blieb ihm ebenfalls. Auch das Gefühl der Erleichterung hielt sich. Geworfen hat der Kerl, dachte er, blind ins Schwarze hinein. Glückstreffer. Kann wohl nicht mehr rennen. Oder er traut sich nicht. Nee, mein Lieber, du kriegst mich nicht.

      Irgendwann wurde das Gelände ebener, er kam zügiger voran, und tatsächlich sah er nach einiger Zeit Lichter, zwei Paar Fahrradlampen, die sich näherten. Van der Werft erreichte den Weg, erinnerte sich seiner eigenen Dynamolampe, und jetzt fand er sie auf Anhieb. Natürlich.

      Während er Lichtsignale gab, fühlte er sich bereits vollkommen sicher. Und als die Fahrradfahrer zu klingeln begannen und auf ihn zuhielten, wurde das Sicherheitsgefühl schon wieder verdrängt. Von Ärger, von Wut, zuletzt von purem Hass auf den unbekannten Angreifer. Warte nur, Bürschchen, dachte Henning van der Werft. Du hast mich nicht gekriegt. Aber ich, ich kriege dich.

      6.

      Als sein Handy klingelte, war Stahnke eigentlich schon wach. Er wollte es bloß noch nicht sein, denn sein letzter Traum war so schön gewesen. Beängstigend auch, das schon – aber er war sich der Tatsache, dass er träumte, schon halbwegs bewusst gewesen, und so hatte es ihn auch nicht erschreckt, dass es bei seinem Rundflug über Wattenmeer und Inseln zuerst keine Flugzeugkabine mehr gegeben hatte, dann keinen Motor und zum Schluss nicht einmal mehr Tragflächen. Ich kann jederzeit ganz aufwachen, hatte er nur gedacht – oder geträumt – und mitten im Sturzflug die Arme ausgebreitet. Und siehe, es hatte funktioniert, wenn auch nicht besonders zuverlässig. Sein Flug war wild und ruppig verlaufen, und die Flughöhen hatten ganz plötzlich und unberechenbar gewechselt. Hatte er eben noch beim Tiefflug mit dem Bauch fast die Mastspitzen der Yachten im Hafen gestreift, lag im nächsten Augenblick ganz Langeoog als Spielzeugpanorama tief unter ihm, und er war in wilden Spiralen darauf zu getrudelt. Ehe ich aufschlage, wache ich auf, hatte er ganz sicher gewusst. Drücke ganz einfach den Knopf in dem Fahrstuhl, der zwischen Traum und Wirklichkeit pendelt.

      Normalerweise endeten Träume, sowie man so etwas dachte. Dieser nicht, darum genoss Stahnke ihn so.

      Gegen ein klingelndes Handy aber kam auch der schönste Traum nicht an. Wenigstens hatte der Hauptkommissar blitzartig reagiert, seinen Arm vorschnellen lassen, zugepackt und das Gespräch schon entgegengenommen, ehe der erste leise Signalton ganz verklungen war. »Moment«, raunte er in seine Faust, ehe er sie fest um das winzige Gerät schloss, aufstand und Richtung Küche tapste. Sina schien zum Glück nichts mitbekommen zu haben; ihr Atem ging unverändert regelmäßig.

      Er setzte sich, ehe er die Hand zum Ohr hob. »Ja?«

      »Ich bin’s«, sagte Kramer. Seine Stimme klang neutral wie immer, und mit Grüßen hielt er sich gar nicht erst auf.

      »Urlaub«, sagte Stahnke im gleichen Tonfall. »Du erinnerst dich?«

      »Das tue ich«, erwiderte Kramer. Danach schwieg er.

      Jetzt könnte ich einfach auflegen, dachte Stahnke. Das wäre mein gutes Recht, und ich hätte meine Ruhe. Aber er wusste natürlich, dass das nicht stimmte. Von wegen Ruhe! Nicht etwa wegen seines Gewissens – das glaubte er ganz gut im Griff zu haben. Seine ungestillte Neugier aber würde ihm garantiert den Tag versauen.

      »Also, was gibt’s?« Stahnkes Blick streifte die Küchenuhr. Gerade erst Viertel nach sieben, Kramer war früh dran.

      »Vermisstensache.« Oberkommissar Kramer, Stahnkes engster Mitarbeiter im 1. Fachkommissariat der Polizeiinspektion Leer/Emden, fasste sich kurz. »Dietz Lichterfeld, Doktor der Medizin, wohnhaft in Leer-Loga. Vermisst gemeldet von seiner Ehefrau. Kontakt plötzlich abgerissen, sagt sie.«

      »Vermisst«, wiederholte Stahnke.

      »Ja«, bestätigte Kramer schlicht. Er wusste ebenso gut wie Stahnke, dass die Suche nach Vermissten nicht die Aufgabe des FK 1 war, jedenfalls nicht, ehe diese Vermissten sich als entführt, misshandelt, sonstwie verletzt oder als tot herausstellten. Also musste sein Anliegen einen besonderen Grund haben.

      »Lass mich raten«, sagte der Hauptkommissar. »Vermisst auf Langeoog?«

      »Stimmt«, erwiderte Kramer. »Jedenfalls im Prinzip. Vermisst wird Dr. Lichterfeld, wie schon gesagt, in Leer. Von seiner Frau. Sein letzter bekannter Aufenthaltsort aber war in der Tat Langeoog.«

      »Klugscheißer«, knurrte Stahnke.

      »Angenehm«, sagte Kramer. Gleichbleibend neutral.

      Stahnke schluckte eine Replik hinunter. »Und was soll ich jetzt machen? Ausschwärmen und den Typ zwischen den Dünen suchen? Und Lüppo Buss steht wohl daneben und spendet mir Applaus! Weißt du eigentlich noch, dass Lüppo hier auf der Insel zuständig ist?«

      »Für den Anfang könntest du mal Kontakt zu ihm aufnehmen«, antwortete Kramer ungerührt. »Ich krieg ihn nämlich nicht ans Telefon.«

      »Handy?«

      »Mailbox.«

      »Fax, E-Mail?«, fragte Stahnke weiter. »Oder Brieftaube?«

      »Mensch, Stahnke.« Jetzt fiel Kramer doch aus seiner Stoiker-Rolle, wurde drängender. »Dieser Dr. Lichterfeld ist nicht irgendwer. Dem gehört die große Tagesklinik in der Leeraner Innenstadt, jedenfalls zum großen Teil. Seine Frau macht mächtig Druck. Dedo de Beer hat bei mir schon auf der Matte gestanden, kaum dass ich heute früh im Dienst war.«

      »Na und? Gibt es bei uns neuerdings einen Promi-Bonus? Oder interessiert sich etwa irgendwer für irgendwas, das de Beer sagt?« Stahnke gab sich widerborstig. Noch, denn eigentlich war sein Widerstand bereits gebrochen. Nicht etwa, weil Dedo de Beer sein direkter Dienstvorgesetzter war – den hätte er eiskalt abblitzen lassen, schließlich konnte er den ebenso wenig leiden wie de Beer ihn. Aber seinem Kollegen Kramer würde er den Gefallen tun. Schließlich war er ihm noch mehrere schuldig.

      Kramer wusste das und schwieg.

      Stahnke seufzte. »Also gut, sag deinem Mattenabnutzer, dass du hier alle Hebel in Bewegung gesetzt hast. Will sagen, mich. Darf ich vielleicht vorher noch meinen Morgenkaffee trinken?«

      »Selbstverständlich«, sagte Kramer. »Und wenn du mit Lüppo gesprochen hast …«

      »Dann melde ich mich, alles klar«, unterbrach ihn Stahnke. »Übrigens, danke.«

      »Danke wofür?«

      »Für den Kaffee.« Stahnke drückte den Aus-Knopf, legte sein Handy auf den Küchentisch, erhob sich.

      Und setzte sich sofort wieder hin, denn das Handy begann erneut zu zirpen. »Ja?«

      »Lüppo hier.« Die Stimme des Inselkommissars klang kraftvoll und war trotz des knisternden Rauschens, das

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