Der Fluch der goldenen Möwe. Peter Gerdes

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Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes

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      Da bist du nicht der Einzige, dachte Stahnke. »Was gibt’s?«, fragte er.

      »Letzte Nacht ist jemand in den Dünen überfallen worden«, berichtete Lüppo Buss. »Einer aus Leer, ein Arzt, wohl ein ziemlich bedeutender, jedenfalls tut er so. Jetzt sitzt er bei mir im Büro und verlangt, dass ich ihm den Täter auf dem Silbertablett serviere, und zwar zackig.« Wieder musste sich Lüppo Buss’ Stimme gegen ein lautes Rauschen durchsetzen.

      Ein schadenfrohes Lächeln dehnte Stahnkes Gesicht in die Breite. »Und du stehst jetzt draußen im Wind und telefonierst mit dem Handy? So ein nerviger Typ ist das?«

      »Erraten«, bestätigte der Inselpolizist freudlos. »Der haut fürchterlich auf den Putz. Selbst für einen Doktor.«

      »Lass mich raten«, sagte Stahnke. »Der Mann ist nicht nur Arzt, sondern auch der Besitzer einer Tagesklinik in Leer, jedenfalls zum großen Teil?«

      »Stimmt.« Ehrfürchtiges Staunen klang aus Lüppo Buss’ Stimme. »Sag bloß, du kennst den Mann!«

      »Jedenfalls dem Namen nach. Dr. Dietz Lichterfeld, nicht wahr?« Selbstzufrieden lehnte sich der Hauptkommissar zurück und rieb sich raschelnd die stoppeligen Wangen. So schnell hatte er noch keinen Fall gelöst.

      »Lichterfeld? Nö. Der Mann heißt van der Werft, Dr. Henning van der Werft. Da warst du auf dem falschen Dampfer, mein Freund.« Die Ehrfurcht war ebenso aus Lüppo Buss’ Stimme gewichen wie das breite Lächeln aus Stahnkes Gesicht. »Wie sieht es nun aus, kann ich auf dich zählen? Nur ein bisschen Präsenz zeigen, damit mir der Doc nicht mehr so auf den Senkel geht.«

      »Klar, mach ich. Bis gleich.« Stahnke beendete das Gespräch.

      Merkwürdig, dachte er, als er ins Bad eilte, das Mobiltelefon in der Hand. Ein merkwürdiger Zufall ist das. Wenn überhaupt.

      Nach Kaffee war ihm nicht mehr zumute.

      7.

      Die Kälte, denkt er, die Kälte ist im Augenblick das Schlimmste. Durch den steinernen Boden dringt sie ihm bis ins Mark, von seiner viel zu dünnen, teilweise zerrissenen Kleidung kaum gehindert, macht seine Haut taub und lässt seine Muskulatur unkontrolliert schlackern. Seine Nase läuft, seine Oberlippe ist von Rotz verklebt, den er nicht einmal wegwischen kann, weil seine Hände gefesselt sind, fachkundig gefesselt, so dass seine gelegentlichen wütenden Befreiungsversuche rein gar nichts gefruchtet haben, und seine Nasenflügel fühlen sich schon dick und entzündet an. Auch sein Hals tut weh. Wenn er noch lange hier liegen muss, holt er sich womöglich eine Bronchitis. Und mehr. Im Augenblick ist die Kälte wirklich das Schlimmste.

      Und er wünscht sich, wünscht sich sehnlichst, dass das noch möglichst lange so bleibt.

      Aber das wird nicht passieren. So viel hat er schon begriffen.

      Sind da schon wieder Schritte? Wenn ja, dann sind es die seines Entführers. Sonst scheint hier niemand vorbeizukommen.

      Nein, wohl doch nicht. Niemand in der Nähe. Schreien hat hier gar keinen Zweck. Klar hat er es versucht, als er es gerade einmal gekonnt hat und Schritte zu hören waren, aber dann sind es wieder seine gewesen, und er hat nichts unternommen, um die Schreie zu unterbinden. Er unternimmt nie etwas dagegen, sagt nicht einmal, dass Schreien sinnlos sei. Deutlicher kann er das gar nicht ausdrücken.

      Dann, nachdem er das Schreien aufgegeben hat, hat der andere ihm wieder Wasser eingeflößt, sonst nichts, nur Wasser. Und dann hat er ihm wieder Spritzen verabreicht.

      Oh Gott, diese Spritzen! Diese unglaublichen Qualen. Unvorstellbar schlimm, schlimmer als der Tod.

      Der Tod wäre besser. Er wünscht ihn sich herbei. Nicht immer, aber immer dann, wenn der andere mit der Spritze kommt.

      Und der andere weiß das. »Irgendwann ist es vorbei«, raunt sein Peiniger immer wieder mit diesem samtenen Tigergrollen in der Stimme, »irgendwann hast du es überstanden. Aber noch nicht. Jetzt noch nicht.« Dann die kleinen Stiche, dann wieder zurück in die Hölle.

      Und jetzt? Irgendwas ist da, irgendein Geräusch. Manchmal hört man hier den Wind, dann zieht es auch etwas stärker als gewohnt, auch besonders starken Regen hat er schon hören können, und einmal auch etwas, das er für Meeresrauschen gehalten hat. Was für ein Raum ist das wohl, in den der andere ihn gesteckt hat? Ein Keller vermutlich oder ein Lagerraum. Sehen kann er jedenfalls überhaupt nichts. Die Dunkelheit hier drinnen ist absolut. Außer, wenn der andere kurz seine Lampe aufleuchten lässt, um sich zu überzeugen, dass sein Opfer noch lebt.

      Oder um sich an seinen Qualen zu weiden. Oder beides.

      Die Tür. Da draußen ist eine Tür laut ins Schloss gefallen, eine eiserne Tür, die Tür. Vielleicht ist es wieder windiger geworden. Da, die Schritte. Nicht so energisch wie sonst, eher etwas schleppend, aber eindeutig die seines Entführers. Und damit nicht weniger bedrohlich als sonst. Er kommt, er kommt! Alles wie immer, alles wieder von vorn.

      Jetzt, denkt er, wäre ein guter Augenblick zum Sterben.

      8.

      Als die Wohnungstür ins Schloss fiel, musste Sina lächeln. Natürlich war sie wach geworden, während Stahnke seine Sachen zusammengesucht und im Bad hantiert hatte. Auch die beiden Anrufe hatte sie mitbekommen, noch im Halbschlaf zwar, aber doch deutlich genug, um zu bemerken, dass da schon wieder etwas Dienstliches ablief. Aber sie hatte auch registriert, wie sehr Stahnke sich bemühte, leise zu sein und sie nicht zu wecken. Das fand sie lieb, und so hatte sie sich weiterhin schlafend gestellt und lieber auf einen Abschiedskuss verzichtet, als Stahnke eine Enttäuschung zu bereiten.

      Jetzt aber streckte sie sich wie eine Katze, genüsslich und von lautem Gähnen untermalt, und schob die Füße unter der Bettdecke hervor. Denn auch ihr Arbeitstag würde in Kürze beginnen, und aus dem Alter, in dem sie für ein Zusatz-Viertelstündchen Schlaf gerne aufs Frühstück verzichtet hätte, war sie schon eine Weile heraus.

      Während der Kaffee durchlief, warf sie sich ihren Bademantel über, zerrte die zusammengerollte Zeitung aus dem Briefkastenschlitz und setzte sich auf den Balkon. Kirchenglocken läuteten anhaltend; ach ja, heute war Karfreitag. Sonderlich warm war es noch nicht, aber hinterm Windschutz ließ es sich in der Morgensonne schon gut aushalten. Auf dem kleinen Campingtisch strich sie die Zeitung glatt. Natürlich las sie den Langeooger Inselboten, trotz seines eher biederen Erscheinungsbildes – das war sie Marian schuldig.

      Als sie die Aufmacher-Überschrift las, lachte sie hell auf. »Die goldene Möwe kreist über Langeoog« – Himmel, da hatte Marian aber ganz tief in die Lyrik-Kiste gegriffen! Reichte es denn nicht, dass er schon den zweiten Tag in Folge dieses Thema auf die Titelseite hob?

      Anscheinend nicht, stellte sie fest, als sie den Innenteil aufblätterte. Außer dem Aufmacher gab es auch noch ein Interview – nein, sogar zwei – und einen Kommentar, außerdem schon die ersten beiden Leserbriefe, offenbar per E-Mail eingeschickt, beide von eingefleischten Langeoog-Fans aus Nordrhein-Westfalen, einer jung, der andere schon älter, einer pro Hamburger-Restaurant, der andere contra. Sina schüttelte ungläubig den Kopf: Die passten einfach zu gut ins Konzept – hatte Marian die etwa selber verfasst? Aber nein, das denn doch nicht, das passte wiederum nicht zu ihm.

      Das kürzere der beiden Interviews war das mit dem Inselbürgermeister, der noch einmal die Rechtslage und die mangelnden Einflussmöglichkeiten der Gemeinde erläuterte, alles in schönstem Amtsdeutsch. Das längere Interview hatte Marian

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