Aareschwimmen. Tony Dreher

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Aareschwimmen - Tony Dreher

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Polizist blickte auf seinen inzwischen trockenen Körper. »Also gut. Treten Sie weg! Aber bleiben Sie trotzdem in der Nähe! Wir brauchen noch Ihre Personalien.«

      Mike trat wieder zurück unter den Baum, an dem er mit Elvira gesprochen hatte, und verfolgte das Geschehen um die Leiche.

      Eine Frau in Jeans und einer farbigen Bluse stieß zu den beiden Polizisten, die neben der Leiche standen und jetzt ihre Blicke auf die Frau richteten. Eine modische dunkle Brille verdeckte ihre Augen.

      »Kunz, entfernen Sie das Badetuch!«, befahl sie dem kleineren der beiden, der sofort gehorchte.

      Das muss die Mitarbeiterin des kriminaltechnischen Diensts sein, die jetzt die Spuren sichern wird, dachte Mike.

      Eine Weile lang stand sie regungslos da, ihr Blick auf die Leiche gerichtet. Dann zog sie aus ihrer linken Hosentasche ein Paar Einweghandschuhe hervor, die sie über ihre Hände stülpte, und kniete nieder, um die Leiche näher zu untersuchen. Sie durchsuchte gewandt die Brusttasche des zerrissenen Hemds sowie die Hosentaschen, schien darin aber nichts zu finden. Als Nächstes beugte sie sich ganz nahe über die bleiche Brust des Mannes und inspizierte sie lange. Mike konnte die Augen der Frau hinter der dunklen Brille nicht sehen und erkannte nicht, was sie so lange interessierte.

      Aus ihrer hinteren Hosentasche zog sie ein kleines, digitales Diktiergerät hervor und sprach hinein.

      »Jacqueline Meyer-Lang, Bericht zum Fund einer männlichen Leiche in der Aare, Freibad Marzili, unterhalb des Restaurants Dampfzentrale. Der Mann ist etwa 40, leicht übergewichtig, schwarze Haare, rundliches Gesicht, in weißem Hemd und Jeans. Er trägt schwarze Lederschuhe. In den Kleidungsstücken kein Ausweis. Am linken Ringfinger trägt er einen großen goldenen Ring. Keinen Ehering, sondern einen Ring mit einem Siegel. Am linken Handgelenk eine einfache digitale Uhr. Sonst keine persönlichen Gegenstände. Außer einer kleinen Wunde in der Herzgegend sind keine äußerlichen Verletzungen festzustellen.«

      Sie verstaute das Diktiergerät in ihrer Hosentasche und zog die Handschuhe von ihren Händen.

      »Kunz, kümmern Sie und Ihre Männer sich um die Spurensicherung. Ich will Fußabdrücke, Zigarettenstummel, Kaugummis, einfach alles, was für unsere Ermittlungen relevant ist. Dokumentieren Sie die Stelle und fotografieren Sie die Leiche und die Umgebung. Lassen Sie sie zur Obduktion ins Institut für Rechtsmedizin der Uni bringen. Befragen Sie die Leute, die hier herumstehen, und nehmen Sie ihre Personalien auf. Bis 18 Uhr will ich Ihren Bericht vorliegen haben.«

      Sie drehte sich auf der Stelle um und ging davon.

      Die meisten Gaffer wollten nicht freiwillig von der Polizei vernommen werden und versuchten, sich unauffällig zu entfernen. Die Polizisten riefen sie aber zurück und begannen mit der Befragung.

      Als der Bestattungswagen mit der Leiche langsam davonrollte, blickte Mike auf seine Uhr und realisierte, dass er heute Werdenberger im Büro nicht mehr treffen würde. Er wusste, wie wütend dieser reagieren würde. Sein Entscheid, an der Aare zu bleiben, würde ihn teuer zu stehen kommen. Wenn er morgen Werdenberger noch beichtete, dass seine Artikelreihe noch lange nicht fertig war, würde er das Fass zum Überlaufen bringen. Die einzige Chance, sich zu retten, lag darin, ihm morgen einen erstklassigen Artikel über den Fund in der Aare vorzulegen und zu hoffen, er würde ihm wegen des verpassten Termins vergeben.

      Kapitel 2

      Mike blickte während der kurzen Fahrt mit der historischen Drahtseilbahn zur Altstadt von Bern aus dem Fenster herauf zum Bundeshaus und hinab zum Freibad an der Aare. In der Hand drehte er nachdenklich sein ausgeschaltetes Handy. Nachdem er die Sitzung mit Hans Werdenberger hatte platzen lassen, wusste er, dass auf seiner Combox mindestens eine Meldung auf ihn wartete. Er konnte sich deren Inhalt vorstellen.

      Wenige Minuten später stieg er aus der Bahn auf die Bundesterrasse, setzte sich im Schatten auf eine alte Holzbank und hielt das Handy noch eine Weile in der Hand, bevor er es endlich einschaltete.

      »Hier ist Werdenberger. Wo zum Teufel stecken Sie, Honegger? Sie hatten um halb fünf einen Termin bei mir, jetzt ist es schon Viertel vor fünf. Ich kann mir keinen guten Grund vorstellen, dass Sie nicht hier vor mir stehen, außer Sie liegen im Koma im Spital! Morgen um acht in meinem Büro.«

      Auf ihn wartete eine weitere Meldung. Er erkannte die kratzige Raucherstimme seiner Arbeitskollegin. »Mike, hier ist Verena. Wo steckst du denn nur? Der Werdenberger dreht fast durch vor Wut. Deine Artikel seien immer noch nicht fertig und du seist nicht in seinem Büro, flucht er immer wieder. Mit ihm ist jetzt wirklich nicht zu spaßen. Pass auf, was du tust! Tschüss.«

      Mike wählte die Nummer des Büros. Es nahm niemand ab. Der Telefonbeantworter nannte die Öffnungszeiten der Redaktion. Es mussten inzwischen alle nach Hause gefahren sein.

      Werdenberger referierte bereits bei Verspätungen von fünf Minuten gerne und lange über die Wichtigkeit von Pünktlichkeit und Genauigkeit im Berufs- wie auch im Privatleben. Mike wusste, dass ihm eine geplatzte Sitzung, ohne vorherige Abmeldung, nicht nur eine besonders lange Rede, sondern weiteren Ärger einbringen würde. Er hoffte weiterhin, ein Exklusivbericht über den Fund einer Leiche beim Marzili würde als Erklärung für sein Fehlverhalten genügen. Mike entschloss, er hätte selbständig und unternehmerisch gehandelt. Ganz im Sinne des Zeitungsverlags. Wie es Werdenberger immer predigte, aber doch nicht zuließ. Er musste morgen pünktlich um acht Uhr in seinem Büro erscheinen, sich gut verkaufen und den Artikel über den ertrunkenen Mann – oder vielleicht ermordeten Mann? – vorlegen. Das musste genügen, um den alten Werdenberger zu besänftigen, und den geplatzten Termin wieder gutzumachen. Er machte sich aber nichts vor. Bis dahin musste er einiges recherchieren und hart daran arbeiten, einen handfesten, druckreifen Artikel zu schreiben.

      In seiner Wohnung im dritten Stock des grauen Blocks im Breitenrainquartier verschlang er in der Küche den warmen Kebab, den er auf dem Heimweg in der Stadt gekauft hatte. Er musste als Nachtessen genügen, da er sich sofort an das Schreiben machen wollte. Mit einer großen Flasche Eistee aus dem Kühlschrank ging er in das mit einfachen Möbeln spärlich eingerichtete Wohnzimmer und setzte sich an seinen Arbeitstisch vor dem Fenster. Während sein Computer hochfuhr, nahm er sein Handy in die Hand und wählte Verenas Nummer.

      »Hast du meine Meldung abgehört? Wo bist du denn geblieben, Mike? Ich sag dir, du, der Werdenberger ist fast ausgerastet.«

      »Auch du musstest also an einem Feiertag bei Werdenberger antraben, was?«, fragte Mike.

      »Ja, heute waren die meisten dran! Es ist ja jedes Jahr dasselbe. Aber los, erzähl mal, warum bist du nicht aufgetaucht?«

      Er fasste zusammen, was er an der Aare erlebt hatte und fragte: »Hattest du vielleicht noch Gelegenheit im Büro die neusten Meldungen durchzulesen?«

      »Ja, ich war nach der Sitzung noch eine Weile dort und habe sie überflogen.«

      »Ist von der Polizei die Meldung über den Ertrunkenen eingegangen?«

      »Nein, zu einem Ertrunkenen in der Aare wurde nichts gemeldet. Warum meinst du?«

      »Die Polizei hätte doch eine Meldung veröffentlichen sollen. Sie sucht sicher nach den Angehörigen oder nach Zeugen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass an dieser Sache etwas faul ist.«

      »Was soll denn daran faul sein?«

      »Ein angekleideter Mann, ohne Ausweis, am helllichten Tag in der Aare beim Marzili ertrunken? Da kann doch etwas nicht stimmen.«

      Verena

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