Aareschwimmen. Tony Dreher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Aareschwimmen - Tony Dreher страница 7
Endlich hatte er Fakten in der Hand. Die Leiche eines Mannes, höchstwahrscheinlich des Toten in der Aare, lag mit einer Nadel oder einer dünnen Feile erstochen im Institut. Mike erinnerte sich an den Ring, den er am Toten gesehen hatte. Der Ring … ja, wie hatte er dieses Detail nur vergessen können. Solche Ringe kannte er aus den USA. Abschlussringe von Colleges und Universitäten. Viele Amerikaner tragen solche Ringe und drücken damit ihren Stolz auf ihren Titel und auf ihre Alma Mater, ihre Ausbildungsstätte, aus. Mike hatte am Ring an der Leiche auf der einen Seite die Buchstaben B.A. gelesen, auf der anderen Seite die Jahreszahl 1985. Der Name des Colleges umgab das goldene Siegel in der Mitte des Rings: Denver City College. Der Mann hatte also 1985 mit einem Bachelor of Arts im Denver City College abgeschlossen. In Europa kennt man solche Ringe nicht. Die Leiche war mit großer Wahrscheinlichkeit die eines Amerikaners, folgerte Mike. Natürlich nur unter der Annahme, dass er wirklich seinen eigenen Ring trug. Als letzte Mahlzeit vor dem Tod hatte er ein mexikanisches Gericht eingenommen. Das konnte zwar irgendwo gewesen sein, Mike kannte aber mehrere mexikanische Restaurants in der Stadt. Er rechnete nicht damit, dort auf Hinweise zum Toten zu stoßen, wollte es aber trotzdem versuchen.
Am Bubenbergplatz kannte er das ›El Ranchero Mexicano‹. Er überquerte den Platz zwischen Trams, Autos und Velos und stieg die Treppe hinauf zum Eingang des Restaurants im zweiten Stock des hässlichen, modernen Bürogebäudes. Ein mit Klebestreifen befestigtes, handgeschriebenes Papier an der Tür neben alten Konzert- und Theaterprogrammen wies auf die Öffnungszeiten hin. Betriebsferien von Mitte Juli bis Mitte August, dann offen Dienstag bis Freitag, abends. Enttäuscht verließ er das Gebäude wieder und blickte über den Platz auf das Denkmal an Adrian von Bubenberg, der in der Schlacht von Murten 1476 gegen Karl den Kühnen gesiegt hatte. Einen Geschichtsprofessor als Vater gehabt zu haben, hinterließ so seine Spuren, schmunzelte er.
Mike ging zurück über den Bahnhofplatz und entlang der von alten Gebäuden und schönen Lauben flankierten Spitalgasse. Auf der rechten Seite, in einem der Keller, befand sich das ›El Bandido Sucio‹. Der Geruch der feinen mexikanischen Spezialitäten drang bis zur Straße und verführte nicht wenige Passanten zum Essen. Das Restaurant war bis auf einen Tisch voll besetzt. Er fragte einen Angestellten, der dabei war, frische Chips und Salsa den Gästen zu bringen, ob er sich an einen Amerikaner erinnern könne, der vorgestern im Restaurant gegessen hatte, und beschrieb den Mann.
»No, lo siento. Es waren keine Amerikaner oder Engländer hier. Ich arbeitete den ganzen Abend, wie immer. Nur Schweizer oder Deutsche und einige Latinos.«
Enttäuscht stieg Mike die steile Treppe aus dem Keller hinauf auf die Straße und begab sich zum dritten mexikanischen Restaurant. Dieses kannte er gut, denn er hatte dort schon mehrmals gegessen. Es lag in der unteren Altstadt, unweit der Aare, in der Nähe des Bärenparks.
»Ja, ich kann mich erinnern. Vorgestern war das. Ich arbeite hier so oft ich kann, um Geld zu verdienen. Damit helfe ich, mein Studium zu finanzieren. Dort drüben saßen die beiden Amerikaner, am Vierertisch.« Die junge Frau mit den Sommersprossen, die ihr rotes Haar in einem Knäuel zusammengebunden trug, zeigte zu einem Tisch, über dem ein farbiger Sombrero an der Wand neben einer Werbetafel für Tequila hing. »Es waren zwei Herren. Einer hatte schwarze Haare, der andere eine Glatze. Der mit der Glatze hat mir ein besonders gutes Trinkgeld bezahlt. Deshalb kann ich mich an sie erinnern. Amerikaner sind mit Trinkgeldern immer sehr großzügig, wissen Sie.«
Mike sprach die junge Frau mit Du an.
»Ist dir an den beiden irgendetwas Besonderes aufgefallen?«
»Nein, nur dass sie miteinander Englisch sprachen und gegen Ende des Abends recht laut wurden. Sie stritten sich um irgendetwas. Worum es bei der Diskussion ging, weiß ich nicht. Das Restaurant war ausgebucht, und wir hatten mit mehreren großen Gruppen alle Hände voll zu tun. So, jetzt muss ich mich bereit machen, bald treffen die ersten Gäste zum Abendessen ein.«
Als Mike weggehen wollte, sprach sie ihn noch einmal an.
»Ah, etwas habe ich noch vergessen. Der Mann mit der Glatze trug auf dem rechten Arm ein großes Tattoo. Ein riesiger Dolch deckte fast seinen ganzen Unterarm ab. Darum herum wickelte sich eine Schlange. Dann stand noch irgendetwas geschrieben, ich konnte es aber nicht lesen.«
Mike bedankte sich und machte sich auf den Weg nach Hause.
Kapitel 4
Ella Branson warf ihre Akten mit einem lauten Knall vor sich auf den Sitzungstisch.
»Muss ich die Sicherheitsstoren schließen, David?«
Der Mann zu ihrer rechten griff sofort nach der Fernbedienung und drückte auf den entsprechenden Knopf. Der Blick auf den hohen Stacheldrahtzaun und auf die Straßensperre neben dem Wachlokal vor der Einfahrt in die amerikanische Botschaft verschwand langsam hinter den Storen, die sich auf beiden Seiten der gepanzerten Fenster mit einem leisen Summen senkten. David schaltete das Deckenlicht an, das den Raum in ein bläuliches Neonlicht flutete.
Die schlanke Frau in den Fünfzigern trug dunkle Hosen und ein passendes Jackett über einer weißen Bluse. Als einziger sichtbarer Schmuck hing ein kleiner goldener Kreuzanhänger von einer Goldkette um ihren Hals. Sie setzte sich an den Kopf des langen, massiven Sitzungstisches und schaute zu David. Seinen Kollegen zu ihrer Linken ignorierte sie.
»Was zum Teufel ist denn geschehen?«
»Der Mann ist nicht aufgetaucht«, antwortete David ruhig und sachlich.
»So viel weiß ich auch. Weiter!«
»Rick und ich hatten mit ihm vereinbart, ihn gestern Nachmittag um 15 Uhr beim Affengehege im Tierpark Dählhölzli zu treffen.«
Ella schüttelte ihren Kopf. »Zwei US-Agenten wollen in einer verdeckten Operation am Nachmittag im Zoo, mitten unter Hausfrauen und Kindern, einen amerikanischen Kriminellen treffen? Und das am Nationalfeiertag der Schweiz? Sie gehören alle drei ins Affengehege! Ich dachte, Sie zwei wären vom Geheimdienst ausgebildet worden!« Sie blickte kurz zu Rick. »Sie, Perez, waren nicht im Militär. Sie wurden ja nur am Schreibtisch ausgebildet. Aber Sie, Reynolds, Sie haben in der Army gedient. Sie hätten es besser wissen müssen. Gibt es denn hier in Bern keinen geeigneteren Treffpunkt als den Zoo?«
David senkte seinen Blick.
Rick wusste, dass David einen Streit mit ihr vermeiden wollte, und beantwortete die Frage für ihn. »Es war sein Vorschlag. Er fühlte sich in der Menschenmenge sicherer und wollte bei Gefahr darin verschwinden können. Zugegeben, er hat keinen idealen Ort ausgewählt, aber …«
»Genug jetzt!«, unterbrach ihn Ella. »Ist er nicht erschienen, weil Sie zu schnell vorgegangen sind?«
»Wir sind seit mehreren Tagen in telefonischem Kontakt mit ihm, und in der kurzen Zeit ist es uns gelungen, mit ihm ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Er hat uns bei jedem Gespräch mehr Informationen geliefert. Rick und ich waren der Meinung, dass die Beziehung reif war für eine erste Begegnung«, erklärte David.
»Was wissen wir denn bis jetzt?«
»Er behauptet, Schmuggler von Kunstgegenständen zu sein. Er werde von einem Killer verfolgt, der versucht habe, ihn hier in Bern zu erschießen. Er verfüge im Zusammenhang mit dem Kunstschmuggel über wertvolle Informationen und wolle mit uns einen Deal aushandeln, Angaben zum weltweiten Kunstschmugglerring, mit dem er zu tun hat, gegen Schutz und Straffreiheit. Er befürchtet, der Killer